\documentclass[headsepline=true,parskip=no]{scrartcl} \usepackage[utf8]{inputenc} \usepackage[T1]{fontenc} \usepackage{lmodern} \usepackage[ngerman]{babel} \usepackage{amssymb} \usepackage{amsmath} \usepackage{amsthm} \usepackage{stmaryrd} \usepackage{enumerate} \usepackage{verbatim} \usepackage[a4paper,top=3cm,bottom=5.5cm]{geometry} \usepackage[colorlinks=true,linkcolor=black,bookmarks]{hyperref} \usepackage[all]{xy} %%% ACHTUNG, liefert mit PDFLaTeX erst ab XY-Pic Version 3.8 (von 2010!!) ansehnliche Ergebnisse \usepackage{scrpage2} \pagestyle{useheadings} \newcommand{\myclearpage}{\clearpage} \SelectTips{cm}{} \theoremstyle{plain} \newtheorem{lemma*}{Lemma} \newtheorem*{theorem}{Satz} \newtheorem*{theoremzl}{Satz (ZL)} \newtheorem*{lemma}{Lemma} \newtheorem*{zorn}{Zornsches Lemma} \newtheorem*{proposition}{Proposition} \newtheorem*{corollary}{Korollar} \newtheorem{corollary*}{Korollar} \newtheorem*{corollaryzl}{Korollar (ZL)} \theoremstyle{remark} \newtheorem*{implication}{Folgerung} \newtheorem{implication*}{Folgerung} \newtheorem*{remark}{Bemerkung} \newtheorem*{observation}{Beobachtung} \newtheorem*{application}{Anwendung} \newtheorem{remark*}{Bemerkung} \theoremstyle{definition} \newtheorem*{more precise}{Präzisierung} \newtheorem*{definition}{Definition} \newtheorem*{example}{Beispiel} \newtheorem*{convention}{Konvention} \newtheorem*{warning}{Achtung} % \newtheorem{theorem}{Satz}[section] % \newtheorem*{notation}{Notation} % \newtheorem*{question}{Frage} % \renewcommand{\thetheorem}{\arabic{theorem}} \newenvironment{gelaber}{}{} \newenvironment{preamble}{}{} \renewcommand{\ker}{\operatorname{Ker}} \newcommand{\ch}{\operatorname{char}} \newcommand{\im}{\operatorname{Im}} \newcommand{\ord}{\operatorname{ord}} \newcommand{\id}{\operatorname{id}} \newcommand{\sign}{\operatorname{sign}} \newcommand{\End}{\operatorname{End}} \newcommand{\aut}{\operatorname{Aut}} \newcommand{\GL}{\operatorname{GL}} \newcommand{\ggT}{\operatorname{ggT}} \newcommand{\gal}{\operatorname{Gal}} \newcommand{\fix}{\operatorname{Fix}} \newcommand{\tr}{\operatorname{Tr}} \newenvironment{smallpmatrix}{\bigl(\begin{smallmatrix}}{\end{smallmatrix}\bigr)} \newenvironment{smallcases}{\begin{cases}}{\end{cases}} % \KOMAoptions{twocolumn} % \geometry{a2paper,top=2cm,bottom=2cm,textwidth=39cm} % \linespread{0.9} % \let\gelaber=\comment % \let\proof=\comment % \let\example=\comment % \let\convention=\comment % \let\question=\comment % \let\preamble=\comment % \renewcommand{\myclearpage}{\relax} % \pagestyle{empty} \begin{document} \begin{preamble} \subject{Vorlesung aus dem Wintersemester 2010/11} \title{Algebra} \author{Priv\!.-Doz.\,Dr\kern-.1em.~Peter Schuster}%Priv.-Doz. Dr. Peter Schuster \date{} \publishers{\small ge\TeX{}t von Viktor Kleen \& Florian Stecker} \maketitle \thispagestyle{empty} \tableofcontents \clearpage \end{preamble} \setcounter{section}{0} \section{Gruppen} \subsection{Untergruppen} \begin{definition} Eine {\em Gruppe} ist ein Tripel $(G,m,e)$ mit \begin{enumerate}[i)] \item $G$ Menge \item $e$ Element von $G$ \item $m \colon G \times G \to G, (x,y) \mapsto xy$ Abbildung mit \begin{enumerate}[1)] \item $x(yz) = (xy)z$ für alle $x,y,z \in G$ \item $xe = x = ex$ für alle $x \in G$ \item $\forall x \in G \exists y \in G (xy = e = yx)$ \end{enumerate} \end{enumerate} \end{definition} \begin{definition} Sind $(G,m,e),(G',m',e')$ Gruppen, so heißt eine Abbildung $f \colon G \to G'$ ein {\em Gruppenhomomorphismus}, wenn $f(xy) = f(x)f(y)$ ist für alle $x,y \in G$. \begin{itemize} \item Ist $f$ auch injektiv, so heißt $f$ ein {\em Gruppenmonomorphismus}. \item Ist $f$ auch surjektiv, so heißt $f$ ein {\em Gruppenepimorphismus}. \item Ist $f$ auch bijektiv, so heißt $f$ ein {\em Gruppenisomorphismus}. \end{itemize} \end{definition} \begin{observation}[Kürzungseigenschaft] Aus $xa = xb$ oder $ax = bx$ folgt $a = b$. \end{observation} \begin{proof} Ist z.B. $xa = xb$ und $y$ zu $x$ wie in 3), ist $a = ea = (xy)a = y(xa) = y(xb) = (yx)b = eb = b$. \end{proof} \begin{remark}\ \begin{enumerate}[a)] \item Durch 2) wird $e$ eindeutig bestimmt; $e$ heißt {\em neutrales Element} von $G$. \item Zu $x \in G$ ist $y \in G$ wie in 3) eindeutig bestimmt; $y$ heißt das {\em Inverse} von $x$, in Zeichen $y = x^{-1}$. \item Für $x \in G$ und $n \in \mathbb N$ definiert man $x^n \in G$ rekursiv durch $x^0 = e$ und $x^{n+1} = x^nx$; man setzt $x^{-n} = (x^n)^{-1}$; damit: $x^{n+m} = x^nx^m$ und $x^{nm} = (x^n)^m$ \item Für jeden Gruppenhomomorphismus $f \colon G \to G'$ gelten automatisch $f(e) = e'$ und $f(x^{-1}) = f(x)^{-1}$; ferner gilt: Ist $f$ ein Isomorphismus, so ist auch $f^{-1}$ ein Isomorphismus. \end{enumerate} \end{remark} \begin{proof}\ \begin{enumerate}[a)] \item Ist auch $x \tilde e = x = \tilde e x$ für alle $x \in G$, so ist $e = \tilde e e$ wegen $x = \tilde e x$ und $\tilde e = \tilde e e$ wegen $x = xe$, also $e = \tilde e$. \item Ist auch $xz = e = zx$, so ist $y = ye = y(xz) = (yx)z = ez = z$. Aus $(b^{-1}a^{-1})(ab) = b^{-1}(a^{-1}a)b = b^{-1}b = e$ und $(ab)(b^{-1}a^{-1}) = a(bb^{-1})a^{-1} = a a^{-1} = e$ folgt $(ab)^{-1} = b^{-1}a^{-1}$ wegen der oben gezeigten Eindeutigkeit des Inversen. \item Übung. \item Wegen $f(e)^2 = f(e)f(e) = f(ee) = f(e)$ ist $f(e) = e'$. Aus $f(x)f(x^{-1}) = f(xx^{-1}) = f(e) = e'$ und $f(x^{-1})f(x) = \dots = f(e) = e'$ folgt $f(x^{-1}) = f(x)^{-1}$ mit b). Nun sei $f$ ein Isomorphismus. Setze $f' = f^{-1}$. Für $x',y' \in G'$ sei $x = f'(x')$ und $y = f'(y')$, d.h. $f(x) = x'$ und $f(y) = y'$. Also $f'(x'y') = f'(f(x)f(y)) = f(f(xy)) = xy = f'(x')f'(y')$.\qedhere \end{enumerate} \end{proof} \begin{definition} Eine Gruppe $G$ heißt ({\em kommutativ} oder) {\em abelsch}, wenn $xy = yx$ für alle $x,y \in G$. Dann schreibt man $G$ oft {\em additiv}, d.h. $x + y$ statt $xy$, $0$ statt $e$ und $-x$ statt $x^{-1}$. \end{definition} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \setcounter{enumi}{-1} \item $(\mathbb N, +, 0)$ ist {\em keine} Gruppe. \item $(\mathbb Z, +, 0)$, $(\mathbb Q, +, 0)$, $(\mathbb R, +, 0)$, $(\mathbb C, +, 0)$ sind Gruppen, alle abelsch. \item Für jeden Körper $K$ ist $GL(n,K)$, die Menge der invertierbaren $n \times n$-Matrizen über $K$, eine Gruppe mit Matrizenmultiplikation und Einheitsmatrix. Sie ist genau dann abelsch, wenn $n = 1$ ist. \item Sind $G_1,\dots,G_n$ Gruppen, $n \geq 2$, so ist $G = G_1 \times \dots \times G_n$ eine Gruppe mit $(x_1,\dots,x_n)(y_1,\dots,y_n) = (x_1y_1,\dots,x_ny_n)$ und $e = (e_1,\dots,e_n)$, wobei $e_i$ neutrales Element von $G_i$ ist; dieses $G$ heißt {\em direktes Produkt} von $G_1,\dots,G_n$. Für $1 \leq i \leq n$ ist $p_i \colon G \to G_i, (x_1,\dots,x_n) \mapsto x_i$ ein Gruppenhomomorphismus. \item $(\mathbb R, +, 0) \to (\mathbb R_{>0}, \cdot, 1), x \mapsto e^x$ ist ein Gruppenisomorphismus. \item Für jede Gruppe $G$ und $a \in G$ ist $k_a \colon G \to G, x \mapsto axa^{-1}$ ein Gruppenisomorphismus mit $k_a^{-1} = k_{a^{-1}}$. $k_a$ heißt {\em Konjugation} mit $a$. \end{enumerate} \end{example} \begin{definition} Es sei $(G,m,e)$ eine Gruppe. Eine Teilmenge $H$ von $G$ heißt {\em Untergruppe}, wenn \begin{enumerate}[i)] \item $e \in H$ \item $x,y \in H \Longrightarrow xy \in H$ \item $x \in H \Longrightarrow x^{-1} \in H$ \end{enumerate} Dann ist $H$ mit der von $m$ induzierten Multiplikation eine Gruppe, und die Inklusion $H \hookrightarrow G,x \mapsto x$ ist ein Gruppenmonomorphismus. \end{definition} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \setcounter{enumi}{-1} \item $\{e\}$ und $G$ sind Untergruppen von $G$, die sogenannten {\em trivialen Untergruppen}. \item Das {\em Zentrum} $Z(G) = \{x \in G \colon \forall y \in G (xy = yx)\}$ ist eine {\em Untergruppe} von $G$. Es gilt: $Z(G) = G \Longleftrightarrow G \text{ abelsch}$. \item Es sei $f \colon G \to G'$ ein Gruppenhomomorphismus. \begin{enumerate}[a)] \item Ist $H'$ Untergruppe von $G'$, so ist $f^{-1}(H') = \{x \in G \colon f(x) \in H'\}$ Untergruppe von $G$; speziell ist $\ker(f) = \{x \in G \colon f(x) = e'\}$ eine Untergruppe von $G$, der sog. {\em Kern} von $f$. \item Ist $H$ Untergruppe von $G$, so ist $f(H) = \{f(x) \colon x \in H\}$ Untergruppe von $G'$; speziell ist $\im(f) = f(G)$ eine Untergruppe von $G'$, das sog. {\em Bild} von $f$. \end{enumerate} \item Für jede Teilmenge $S \neq \varnothing$ von $G$ ist \[\langle S \rangle = \{s_1^{\varepsilon_1} \dots s_k^{\varepsilon_k} \colon k \geq 0;s_1,\dots,s_k \in S;\varepsilon_1,\dots,\varepsilon_k \in \{\pm 1\}\}\] eine Untergruppe von $G$. Man nennt $\langle S \rangle$ die {\em von $S$ erzeugte Untergruppe} von $G$. Es gilt \[\langle S \rangle = \bigcap\{H \subseteq G \colon \text{$H$ Untergruppe von $G$}, S \subseteq H\}\] \begin{itemize} \item[$\supseteq$] Folgt aus: $\langle S \rangle$ ist eines der $H$ auf der rechten Seite. \item[$\subseteq$] Ist $x \in \langle S \rangle$, so ist $x = s_1^{\varepsilon_1} \dots s_n^{\varepsilon_n}$, $s_1,\dots,s_n \in S$, $\varepsilon_1,\dots,\varepsilon_m \in \{\pm 1\}$ und ist $H \subseteq G$ eine Untergruppe von $G$ mit $S \subseteq H$, so sind $s_1,\dots,s_n \in H$, also $s_1^{\varepsilon_1},\dots,s_n^{\varepsilon_n} \in H$ und damit $x = s_1^{\varepsilon_1}\dots s_n^{\varepsilon_n} \in H$. \end{itemize} Speziell: $\langle S \rangle$ ist die kleinste Untergruppe von $G$, welche ganz $S$ enthält, d.h. ist $H$ eine Untergruppe von $G$ mit $S \subseteq H$, so ist $\langle S \rangle \subseteq H$, und $\langle S \rangle$ ist eine Untergruppe von $G$ mit $S \subseteq \langle S \rangle$. \item Ist $G = \langle S \rangle$ für eine endliche Teilmenge $S$, so heißt $G$ {\em endlich erzeugt} (e.e.). Ist sogar $G = \langle a \rangle$, d.h. $G = \langle\{a\}\rangle$, so heißt $G$ {\em zyklisch}. Beachte $\langle e \rangle = \{e\}$. \item Man nennt $|G|$ bzw. $\ord(x) = |\langle x \rangle|$ die {\em Ordnung} der Gruppe $G$ bzw. die {\em Ordnung} von $x \in G$. Es gilt $\langle e \rangle = \{e\} \Longrightarrow \ord(e) = 1$ \end{enumerate} \end{example} \begin{lemma} Jede Untergruppe $H$ einer zyklischen Gruppe $G = \langle a \rangle$ ist wieder zyklisch. Genauer: Ist $H \neq \{e\}$, so ist $H = \langle a^{m_0} \rangle$ mit $m_0 = \min \{m \geq 1 \colon a^m \in H\}$. \end{lemma} \begin{proof} Es sei $H \neq \{e\}$. Damit ist $\{m \geq 1 \colon a^m \in H\} \neq \varnothing$ (denn sonst $H = \{e\}$). Wir zeigen $H = \langle a^{m_0} \rangle$. \begin{itemize} \item[$\supseteq$] folgt aus $a^{m_0} \in H$ und $\langle a^{m_0} \rangle = \{a^{m_0 k} \colon k \in \mathbb Z\}$ \item[$\subseteq$] Ist $x \in H$, so ist $x = a^n$, $n \in \mathbb Z$. Schreibe $n = m_0 q + r$ mit $0 \leq r < m_0$, dann folgt $x = a^n = (a^{m_0})^q a^r$, also $a^r = (a^{m_0})^{-q} x \in H$ und $r = 0$ (wäre $r \geq 1$, so wäre $m_0 \leq r < m_0$, was unmöglich ist). Schließlich gilt $x = (a^{m_0})^q \in \langle a^{m_0} \rangle$.\qedhere \end{itemize} \end{proof} \begin{lemma} $\ord(x) < \infty \Longleftrightarrow \exists m \geq 1 (x^m = e)$. In diesem Fall: $\ord(x) = \min\{m \geq 1 \colon x^m = e\}$. Sogar $x^m = e \Longrightarrow \ord(x) \mid m$ (auch für $m=0$). \end{lemma} \begin{proof} Wir zeigen zuerst $\Longrightarrow$: Ist $\langle x \rangle = \{x^n \colon n \in \mathbb Z\}$ endlich, so gibt es $0 \leq k < l$ mit $x^k = x^l$, also $x^{l-k} = e$ mit $l -k \geq 1$. Nun zu $\Longleftarrow$: Es sei $m_0 = \min \{m \geq 1 \colon x^m = e\}$. Für $0 \leq i < j < m_0$ ist $x^{j-i} \neq e$, d.h. $x^i \neq x^j$. Es gilt $\{e,x,x^2,\dots,x^{m_0-1}\} = \langle x \rangle$, denn $\{e,x,x^2,\dots,x^{m_0-1}\} \subseteq \langle x \rangle$ und außerdem: Sei $y \in \langle x \rangle \Longrightarrow y = x^n, n \in \mathbb Z$. Schreibe $n = m_0 q + r$, $0 \leq r < m_0$, dann $y = (x^{m_0})^q x^r = x^r$, d.h. $y \in \{e,x,x^2,\dots,x^{m_0-1}\}$. Speziell $|\langle x \rangle| = m_0$. Ist $x^m = e$, so schreibe $m = m_0 s + t$ mit $0 \leq t < m_0$, wofür $e = x^m = (x^{m_0})^sx^t = x^t$, also $t \not\geq 1$, d.h. $t = 0$, d.h. $m_0 \mid m$. \end{proof} \begin{convention} Im folgenden sei $H$ eine Untergruppe der Gruppe $G$. \end{convention} \begin{definition} Für $x \in G$ heißt $xH = \{xh \colon h \in H\}$ die {\em Linksnebenklasse modulo $H$ von $x$}. Es gilt $x = xe$, also $x \in xH$. \end{definition} \begin{remark}\ \begin{enumerate}[a)] \item Folgende Aussagen sind äquivalent: \[\text{i})\, xH = yH\quad \text{ii})\,xH \subseteq yH \quad \text{iii})\,x \in yH \quad \text{iv})\,y^{-1}x \in H \quad \text{v})\,xH \cap yH \neq \varnothing\] \item Die Abbildung $H \to xH, h \mapsto xh$ ist bijektiv, speziell gilt $|xH| = |H|$. \end{enumerate} \end{remark} \begin{proof}\ \begin{enumerate}[a)] \item Klar sind: $\text{i}) \Longrightarrow \text{ii}) \Longleftrightarrow \text{iii}) \Longrightarrow \text{iv})$ \begin{itemize} \item[$\text{iv} \Rightarrow \text{v}$] Ist $y^{-1}x \in H$, so ist $x = y(y^{-1}x) \in yH$, aber auch $x \in xH$. \item[$\text{v} \Rightarrow \text{i}$] Ist $xh_1 = yh_2$ mit $h_1,h_2 \in H$, so ist $x = y(h_2h_1^{-1}) \in yH$, also $xH \subseteq yH$, ebenso zeigt man $y \in xH$ und damit $yH \subseteq xH$. \end{itemize} \item Inverse Abbildung: $xH \to H, z \mapsto x^{-1}z$\qedhere \end{enumerate} \end{proof} \begin{definition} Man nennt $G / H = \{xH \colon x \in G\}$ die {\em Faktormenge von $G$ modulo $H$} und $[G : H] = |G / H|$ den {\em Index von $H$ in $G$}. Es gilt $G = \bigsqcup G/H$. \end{definition} \begin{theorem}[Lagrange] Ist $G$ endlich, so gilt $|G| = [G:H] \cdot |H|$. \end{theorem} \begin{proof} Schreibe $G / H = \{x_1 H, \dots, x_m H\}$ mit $m = [G : H]$. Für $i \neq j$ ist $x_i H \neq x_j H$, also $x_i H \cap x_j H = \varnothing$. Aus $G = x_1 H \sqcup\dots\sqcup x_mH$ und $|x_k H| = |H|$ folgt $|G| = m \cdot |H|$. \end{proof} \begin{corollary} $G$ endlich, $x \in G$ $\Longrightarrow$ $\ord(x) \mid |G|$, $x^{|G|} = e$. \end{corollary} \begin{proof} Satz für $H = \langle x \rangle$: $|G| = [G:H] \cdot \ord(x)$, $x^{|G|} = (x^{\ord(x)})^{[G:H]} = e$ \end{proof} \begin{corollary} $|G| = p$, $p$ Primzahl $\Longrightarrow$ $G$ zyklisch. Genauer: $G = \langle a \rangle$ für jedes $a \in G \setminus \{e\}$. \end{corollary} \begin{proof} Für $a \in G$ mit $\ord(a) = |G|$ ist $G = \langle a \rangle$. $|G| = p$ prim $\overset{\text{Kor. 1}}{\Longrightarrow}$ $\ord(a) \in \{1,p\}$ $\overset{a\neq e}{\Longrightarrow}$ $\ord(a) = p = |G|$. \end{proof} \subsection{Faktorgruppen} \begin{definition} Wieder sei $G$ eine Gruppe. Für $A, B \subseteq G$ sei $AB = \{ab \colon a \in A, b \in B\}$. Man schreibt $aB$ bzw. $Ab$, falls $A = \{a\}$ bzw. $B = \{b\}$. Eine Untergruppe $H$ von $G$ heißt {\em Normalteiler} von $G$, in Zeichen $H \lhd G$, wenn $xHx^{-1} = H$, d.h. $k_x(H) = H$ für alle $x \in G$. Man sagt auch {\em $H$ ist normal in $G$}. \end{definition} \begin{remark} Es sei $H \subseteq G$ eine Untergruppe und $x \in G$. \begin{enumerate}[a)] \item $x H x^{-1} = H \Longleftrightarrow xH = Hx \Longleftrightarrow H = x^{-1}Hx$. \item $H \lhd G$ folgt schon aus $x H x^{-1} \subseteq H$ für alle $x \in G$. \item $H \lhd G \Longleftrightarrow \forall x \in G ( k_x(H) \subseteq H)$ \item Ist $H \lhd G$ und $U$ Untergruppe von $G$, so ist $UH$ eine Untergruppe von $G$ und es gilt $UH = HU$. \end{enumerate} \end{remark} \begin{proof} a) \% b) Ist $xH x^{-1} \subseteq H$ für alle $x$, so auch für $x^{-1}$, d.h. $x^{-1}Hx \subseteq H$, also $H \subseteq xHx^{-1}$. Mit $xHx^{-1} \subseteq H$ folgt $xHx^{-1} = H$. c) \% d) $e = ee \in UH$ und $u_1,u_2 \in U;h_1,h_2 \in H \Longrightarrow (u_1 h_1)(u_2 h_2) = u_1 u_2 (u_2^{-1}h_1 u_2)h_2 \in UH$ (weil $u_2^{-1} h_1 u_2 \in H$) und $u \in U, h \in H \Longrightarrow (uh)^{-1} = h^{-1} u^{-1} = u^{-1} (u h u^{-1}) \in UH$. $u \in U, h \in H \Longrightarrow uh = (u h u^{-1}) u \in HU \wedge hu = u(u^{-1} h u) \in UH$. \end{proof} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \setcounter{enumi}{-1} \item $H \lhd G$, $U$ Untergruppe von $G$, $H \subseteq U \Longrightarrow H \lhd U$. \item Ist $G$ abelsch, so ist jede Untergruppe von $G$ schon Normalteiler. Allgemeiner: Ist $H$ Untergruppe von $Z(G)$, so ist $H \lhd G$. \item Ist $H$ Untergruppe von $G$ mit $[G:H] = 2$, so ist $H \lhd G$. \item $S_3$ hat vier nichttriviale Untergruppen, wovon nur eine Normalteiler ist. \item Ist $f \colon G \to G'$ ein Homomorphismus, so gilt $H' \lhd G' \Rightarrow f^{-1}(H') \lhd G$. Insbesondere: $\ker(f) \lhd G$. \item Für jede Untergruppe $H$ von $G$ ist der {\em Normalisator} $N_G(H) = \{x \in G \colon xH = Hx\}$ von $H$ in $G$ die größte Untergruppe von $G$, in der $H$ normal ist. \end{enumerate} \end{example} \begin{proof}\ \begin{enumerate}[1)] \item $H \subseteq Z(G),x \in G, h \in H \Longrightarrow xh = hx \Longrightarrow xhx^{-1} = h$, also $xHx^{-1} = H$, d.h. $H \lhd G$. \item $G / H = \{H, aH\}$ mit $H \neq aH$, d.h. $H \cap aH = \varnothing$; für jedes $x \in G$ ist $x^2 \in H$, denn $x \in H$ oder $x \not\in H \Rightarrow x \in aH$ und $x^{-1} \not\in H \Rightarrow x^{-1} \in aH$, also $xH = aH = x^{-1}H \Rightarrow x^2H = H \Rightarrow x^2 \in H$. Es folgt $y \in G, h \in H \Rightarrow yhy^{-1} = y(hyhh^{-1}y^{-1})y^{-1} = (yh)^2 h^{-1} y^{-2} \in H$. \item Sei $H \subseteq S_3$ eine Untergruppe und $\{\id\} \neq H \neq S_3$, so ist $|H| \in \{2,3\}$ nach Lagrange, also ist $H$ zyklisch und damit $H \in \{H_1,H_2,H_3,H_4\}$, wobei $H_1 = \{\id, \begin{smallpmatrix}1&2&3\\2&1&3\end{smallpmatrix}\}$, $H_2 = \{\id, \begin{smallpmatrix}1&2&3\\3&2&1\end{smallpmatrix}\}$, $H_3 = \{\id, \begin{smallpmatrix}1&2&3\\1&3&2\end{smallpmatrix}\}$, $H_4 = \{\id, \begin{smallpmatrix}1&2&3\\2&3&1\end{smallpmatrix}, \begin{smallpmatrix}1&2&3\\3&1&2\end{smallpmatrix}\}$. Nun ist $[S_3 : H_4] = 2$ nach Lagrange, also $H_4 \lhd S_3$, jedoch nicht $H_i \lhd S_3$ ($i = 1,2,3$). \item $f^{-1}(H')$ ist eine Untergruppe von $G$. Sei $x \in G, h \in f^{-1}(H')$, d.h. $f(h) \in H'$, dann $f(xhx^{-1}) = f(x) f(h) f(x)^{-1} \in H'$, d.h. $xhx^{-1} \in f^{-1}(H')$, also $f^{-1}(H') \lhd G$. \item Wir zeigen zuerst, dass $N_G(H)$ eine Untergruppe ist: $e \in N_G(H)$, $x,y \in N_G(H) \Rightarrow (xy)H = x(yH) = x(Hy) = (xH)y = H(xy)$, d.h. $xy \in N_G(H)$, $x \in N_G(H) \Rightarrow Hx^{-1} = x^{-1}(xH)x^{-1} = x^{-1}(Hx)x^{-1} = x^{-1}H$, d.h. $x^{-1} \in N_G(H)$. Es gilt $H \lhd N_G(H)$, weil $x \in N_G(H) \Leftrightarrow xH = Hx$. $N_G(H)$ ist die "`größte"' solche Untergruppe, denn ist $H \lhd U$ und $U$ Untergruppe von $G$, so ist $xH = Hx$ für alle $x \in U$, also $U \subseteq N_G(H)$.\qedhere \end{enumerate} \end{proof} \begin{theorem}[Faktorgruppe] Es sei stets $H \lhd G$. \begin{enumerate}[a)] \item Die Abbildung $G/H \times G/H \to G/H, (xH,yH) \mapsto (xy)H$ ist wohldefiniert und macht $G/H$ zu einer Gruppe mit neutralem Element $H$ und $x^{-1}H$ als Inversem von $xH$. \item Die kanonische Abbildung $\pi \colon G \to G/H, x \mapsto xH = \overline x$ ist ein Epimorphismus mit $\ker(\pi) = H$. \item Die Untergruppen von $G/H$ sind von der Form $U/H$ mit $U$ Untergruppe von $G$ und $H \subseteq U$. \item Ist $f \colon G \to G'$ ein Homomorphismus mit $f(H) \subseteq \{e'\}$, so gibt es genau einen Homomorphismus $\overline f \colon G/H \to G'$ mit $\overline f \circ \pi = f$. \[ \xymatrix{ G \ar[r]^f\ar[d]_\pi & G' \\ G/H\ar@{-->}[ru]_{\exists!\,\overline{f}} } \] \end{enumerate} \end{theorem} \begin{proof}\ \begin{enumerate}[a)] \item Sind $xH = x'H$, $yH = y'H$, so ist $xyH = xy'H \overset{H \lhd G}{=} xHy' = x'Hy' \overset{H \lhd G}{=} x'y'H$. Mit $\overline x = xH$ ist $\overline x\,\overline y = \overline {xy}$, $\overline e = H$, $(\overline x\,\overline y)\overline z = \overline {xy}\, \overline z = \overline {(xy)z} = \overline {xyz} = \overline x\,\overline{yz} = \overline x(\overline y\,\overline z)$, $\overline e\,\overline x = \overline {ex} = \overline x = \overline {xe} = \overline x\,\overline e$ und $\overline x\,\overline {x^{-1}} = \overline{xx^{-1}} = \overline e$ \item $\pi$ ist surjektiv. $\pi$ ist ein Homomorphismus, denn $\pi(xy) = \overline {xy} = \overline x\,\overline y = \pi(x)\pi(y)$ und $x \in \ker(\pi) \Leftrightarrow \pi(x) = \overline e \Leftrightarrow xH = H \Leftrightarrow x \in H (x \in G)$. \item Ist $U$ eine Untergruppe von $G$ mit $U \supseteq H$, so ist $U / H$ eine Untergruppe von $G / H$, denn: $H = eH \in U/H$, $x,y \in U \Rightarrow xy \in U \Rightarrow \overline x\,\overline y = \overline {xy} \in U/H$, $x^{-1}$ analog. Ist $A$ eine Untergruppe von $G/H$, so ist $U = \pi^{-1}(A)$ eine Untergruppe von $G$ mit $\ker(\pi) = \pi^{-1}(\{\overline e\}) \subseteq U$ und $\pi(U) = \pi \pi^{-1}(A) \overset{\pi \text{ surj.}}{=} A$, mit anderen Worten: $H \subseteq U$ und $A = \{\overline x \colon x \in U\} = U/H$. \item $\overline f \colon G/H \to G', xH \mapsto f(x)$ ist wohldefiniert, denn aus $xH = yH$, d.h. $x^{-1}y \in H$, folgt $e' = f(x^{-1}y) = f(x)^{-1}f(y)$, d.h. $f(x) = f(y)$. $\overline f$ ist ein Homomorphismus, denn $\overline f(\overline x\,\overline y) = \overline f(\overline {xy}) = f(xy) = f(x)f(y) = \overline f(\overline x)\overline f(\overline y)$. $\overline f \circ \pi = f$ ist klar. Und zur Eindeutigkeit: Ist auch $\tilde f \colon G/H \to G'$ ein Homomorphismus mit $\tilde f \circ \pi = f$, so ist $\tilde f(\overline x) = \tilde f(\pi(x)) = f(x) = \overline f(\pi(x)) = \overline f(\overline x)$ für alle $\overline x \in G/H$, also $\tilde f = \overline f$.\qedhere \end{enumerate} \end{proof} \begin{corollary}[Homomorphiesatz] Für jeden Homomorphismus $f \colon G \to G'$ ist $G / \ker(f) \cong \im(f)$. \end{corollary} \begin{proof} Es gilt $\ker(f) \lhd G$, wir zeigen, dass $\overline f \colon G / \ker(f) \to G', \overline x \to f(x)$ injektiv ist (denn $\im(\overline f) = \im(f)$): $\overline x \in \ker(\overline f) \Leftrightarrow \overline f(\overline x) = e' \Leftrightarrow f(x) = e' \Leftrightarrow x \in \ker(f)$. \end{proof} \begin{corollary}[1. Isomorphiesatz] Ist $H \lhd G$ und $U$ eine Untergruppe von $G$, so ist $U \cap H \lhd U$, $H \lhd UH$ und $U / (U \cap H) \cong UH/H$. \end{corollary} \begin{proof} $H \lhd UH$ ist klar, beachte, dass $UH$ eine Untergruppe ist wegen $H \lhd G$. Zu $U \cap H \lhd U$: Für $x \in U$ ist $x(U \cap H)x^{-1} \subseteq U \cap H$, denn für $y \in U \cap H$ ist $xyx^{-1} \in U$, $xyx^{-1} \in H$ [$H \lhd G$, $y \in H$], also $xyx^{-1} \in U \cap H$. Schließlich ist $U \hookrightarrow UH \overset{\text{kan.}}{\longrightarrow} UH/H$ ein Homomorphismus, surjektiv [$u \in U,h \in H \Rightarrow uhH = uH$] mit Kern $U \cap H$. Daraus folgt die Behauptung mit dem ersten Korollar. \end{proof} \begin{corollary}[2. Isomorphiesatz] Es sei $H \lhd G$. Ist auch $U \lhd G$ mit $H \subseteq U$, so ist $U/H \lhd G/H$ und $(G/H)/(U/H) \cong G/U$. Speziell gilt $[G/H : U/H] = [G : U]$. \end{corollary} \begin{proof} Wegen $H \subseteq U$ induziert der Epimorphismus $G \overset{\text{kan.}}{\longrightarrow} G/U$ einen Homomorphismus $G/H \to G/U$, der wieder surjektiv ist und Kern $U/H$ hat. Die Behauptung folgt mit dem ersten Korollar. $[G/H : U/H] = [G : U]$ lässt sich auch mit Lagrange zeigen, falls $G$ endlich. \end{proof} \begin{example}[Unter-/Faktorgruppen von $\mathbb Z$]\ Es sei $G = (\mathbb Z, 0, +)$. Ist $\{0\} \neq H \subseteq G$ eine Untergruppe von $G$, so ist $G/H$ endlich: Da $G = \langle 1 \rangle = \langle -1 \rangle$ zyklisch ist, ist $H$ zyklisch, $H = \langle n \rangle$, $n \geq 1$, $G/H = \mathbb Z/\langle n \rangle = \{\overline 0, \overline 1, \dots, \overline{n-1}\}$, denn: Schreibe $x \in \mathbb Z$ als $x = qn+r$ mit $0 \leq r \leq n-1$, wofür $\overline x = \overline r$, da $x-r = qn \in \langle n \rangle$. Ferner ist $\overline l \neq \overline k$ für $0 \leq k,l \leq n-1$ mit $l \neq k$, etwa $k < l$, denn: $l - k \not\in \langle n \rangle$. Also ist $|\mathbb Z/\langle n \rangle| = n$ und $\mathbb Z/\langle n \rangle$ zyklisch. Jede Untergruppe von $\mathbb Z / \langle n \rangle$ mit $n > 1$ ist von der Form $\langle k \rangle / \langle n \rangle$ mit $\langle k \rangle \supseteq \langle n \rangle$, d.h. $\langle k \rangle \ni n$, d.h. $k \mid n$. Wegen $[\mathbb Z / \langle n \rangle : \langle k \rangle / \langle n \rangle] = [\mathbb Z : \langle k \rangle] = k$ und $[\mathbb Z : \langle n \rangle] = n$ ist $[\langle k \rangle : \langle n \rangle] = n/k$. Zu jedem $d \mid n$ mit $n > 1$ gibt es also genau eine Untergruppe $U$ von $\mathbb Z / \langle n \rangle$ mit $|U| = d$, nämlich $U = \langle k \rangle / \langle n \rangle$ mit $k = n/d$, d.h. $d = n/k$. \end{example} \begin{theorem}[Beschreibung der zyklischen Gruppen]\ \begin{enumerate}[a)] \item Jede unendliche zyklische Gruppe ist isomorph zu $\mathbb Z$. \item Jede endliche zyklische Gruppe ist isomorph zu $\mathbb Z / \langle n \rangle$ für ein geeignetes $n \geq 1$, zu jedem $d \mid n$, $d \geq 1$ gibt es genau eine Untergruppe der Ordnung $d$. \end{enumerate} \end{theorem} \begin{proof} Es sei $(G,e,m)$ zyklisch, $G = \langle a \rangle$, d.h. $f \colon \mathbb Z \to G, z \mapsto a^z$ ist ein Epimorphismus, also gilt $\mathbb Z / \ker(f) \cong G$. Nun ist $\ker(f) = \langle n \rangle$, also $\mathbb Z / \langle n \rangle \cong G$ für ein $n \geq 0$. $n=0 \Rightarrow \mathbb Z \cong G \Rightarrow G$ unendlich. $n \geq 1 \Rightarrow \mathbb Z / \langle n \rangle \cong G \Rightarrow G$ endlich, $|G| = n$. \end{proof} \begin{corollary} Es sei $G$ eine Gruppe. \begin{enumerate}[a)] \item $|G| = p$, $p$ Primzahl $\Rightarrow G \cong \mathbb Z / \langle p \rangle$ \item Ist $G \neq \{e\}$ und hat $G$ keine Untergruppen außer $\{e\}$ und $G$, so ist $G \cong \mathbb Z / \langle p \rangle$ für eine Primzahl $p$. \end{enumerate} \end{corollary} \subsection{Permutationsgruppen} \begin{definition} Eine {\em Operation} einer Gruppe $G$ auf einer Menge $V \neq \varnothing$ ist eine Abbildung $G \times V \to V, (x,v) \mapsto x.v$ mit \begin{enumerate}[1)] \item $x.y.v = xy.v$ für alle $x,y \in G$, $v \in V$ \item $e.v = v$ für alle $v \in V$. \end{enumerate} Man nennt $B(v) = \{x.v \colon x \in G\}$ die {\em Bahn} von $v$ und $|B(v)|$ ihre {\em Länge}. Auch heißt $S(v) = \{x \in G \colon x.v = v\}$ der {\em Stabilisator} von $v$. Er ist eine Untergruppe von $G$. \end{definition} \begin{remark} $|B(v)| = [G : S(v)]$, denn $G/S(v) \to B(v),\overline x \mapsto x.v$ ist wohldefiniert und injektiv: $\overline x = \overline y \Leftrightarrow y^{-1}x \in S(v) \Leftrightarrow y^{-1}x.v = v \Leftrightarrow x.v = y.v$. Sie ist auch surjektiv, also bijektiv. \end{remark} \begin{implication} $G$ endlich $\Rightarrow |B(v)| \mid |G|$, genauer $|S(v)|\cdot|B(v)| = |G|$. Die Bahnen bilden eine {\em Partition} von $V$, d.h. $V = \bigcup_{v \in V} B(v)$ und $B(v) \cap B(w) \neq \varnothing \Rightarrow B(v) = B(w)$, denn mit $x.v = y.w$ folgt $B(v) \subseteq B(w)$: $z.v \in B(v) \Rightarrow z.v = zx^{-1}y.w \in B(w)$. \end{implication} \begin{definition} Die Operation heißt {\em transitiv}, wenn $B(v) = V$ für alle $v \in V$, d.h. wenn es nur eine Bahn gibt. Ein $v_0 \in V$ mit $S(v_0) = G$, d.h. mit $x.v_0 = v_0$ für alle $x \in G$, heißt {\em Fixpunkt} der Operation. \end{definition} \begin{remark} Eine transitive Operation hat keinen Fixpunkt, außer wenn $G = \{e\}$ oder allgemeiner $|V| = 1$. \end{remark} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \item Es sei $V$ ein $K$-Vektorraum, $K$ ein Körper mit $|K| \geq 3$, $G = K^*$. Dann hat die Operation $G \times V \to V, (\lambda, v) \mapsto \lambda v$ nur $0 \in V$ als Fixpunkt, und für $v \in V \setminus \{0\}$ ist $S(v) = \{1\}$. (Es gilt: $|K| \geq 3 \Leftrightarrow |K^*| \geq 2 \Leftrightarrow G \neq \{1\}$) \item Ist $G$ eine Gruppe, $H \subsetneqq G$ eine Untergruppe, $V = G/H$, so ist die Operation $G \times V \to V, (x, aH) \mapsto xaH$ transitiv, insbesondere hat sie keinen Fixpunkt. Genauer: $S(aH) = aHa^{-1}$, speziell $S(H) = H$. \item Ist $V$ die Menge aller Untergruppen einer Gruppe $G$ und die Operation $G \times V \mapsto V$ durch $(x,H) \mapsto xHx^{-1}$ definiert, so besteht $B(H)$ aus den zu $H$ {\em konjugierten} Untergruppen der Form $xHx^{-1}$ mit $x \in G$, und es gilt $S(H) = N_G(H)$. Die Fixpunkte sind also die $H$ mit $H \lhd G$; nach Bemerkung ist $[G:N_G(H)]$ die Anzahl der zu $H$ konjugierten Untergruppen. \end{enumerate} \end{example} \begin{proof}\ \begin{enumerate}[1)] \item $\lambda v = v \Leftrightarrow (\lambda - 1)v = 0 \Leftrightarrow \lambda = 1 \vee v = 0$. \item Für $a,b \in G$ ist $bH = xaH$ mit $x = ba^{-1} \in G$; für $x \in G$ gilt: $x \in S(aH) \Leftrightarrow xaH = aH \Leftrightarrow xa \in aH \Leftrightarrow \exists h \in H ( xa = ah) \Leftrightarrow x \in aHa^{-1}$.\qedhere \end{enumerate} \end{proof} \begin{definition} Nun sei $n \geq 1$ und $V = \{1, \dots, n\}$. Die Menge $S_n$ der bijektiven Abbildungen von $V$ nach $V$ ist eine Gruppe mit $\id$ als neutralem Element und $f \circ g$ als Produkt von $f$ und $g$ aus $S_n$. $f^{-1}$ ist die Umkehrabbildung von $f \in S_n$. $S_n$ nennt man die {\em symmetrische Gruppe} von Grad $n$. Ein $\pi \in S_n$ heißt {\em Permutation} der Zahlen $1,\dots,n$; man schreibt $\pi$ als \[\pi = \begin{pmatrix}1&2&3&\ldots&n\\\pi(1)&\pi(2)&\pi(3)&\ldots&\pi(n)\end{pmatrix}\] \end{definition} \begin{remark} Die Operation $S_n \times V \to V, (\pi,v) \mapsto \pi(v)$ ist transitiv. \end{remark} \begin{proof} Für $v, w \in V$ ist $\pi(v) = w$ mit $\pi(u) = \begin{smallcases}v&\text{falls $u=w$}\\w&\text{falls $u=v$}\\u&\text{falls $u \neq \{v,w\}$}\end{smallcases}$ \end{proof} \begin{implication} $|S_n| = n!$ \end{implication} \begin{proof} Induktion nach $n$: $n=1$ ist klar. Für $n > 1$ gilt: $|B(n)| = n \Rightarrow [S_n:S(n)] = n$; $S(n) \cong S_{n-1} \overset{\text{Ind.}}{\Rightarrow} |S(n)| = (n-1)! \Rightarrow |S_n| = n(n-1)! = n!$ \end{proof} \begin{definition} Man nennt $\pi, \sigma \in S_n$ {\em disjunkt}, wenn für kein $v \in V$ sowohl $\pi(v) \neq v$ als auch $\sigma(v) \neq v$. \end{definition} \begin{remark} Für disjunkte $\pi, \sigma \in S_n$ gilt $\pi \sigma = \sigma \pi$. \end{remark} \begin{proof} Für $v \in V$ zeige $\pi \sigma(v) = \sigma \pi(v)$. Der Fall $\pi(v) = v \wedge \sigma(v) = v$ ist klar. Im Fall $\pi(v) \neq v$ gilt $\sigma(v) = v$, denn $\sigma, \pi$ disjunkt, also $\pi \sigma (v) = \pi(v)$. Ferner gilt $\pi\pi(v) \neq \pi(v)$, da $\pi$ eine Bijektion ist, also $\sigma\pi(v) = \pi(v)$, da $\pi, \sigma$ disjunkt. Also $\pi \sigma(v) = \sigma \pi(v)$. Der Fall $\sigma(v) \neq v$ ist analog zu beweisen. \end{proof} \begin{definition} Ein $\pi \in S_n$ heißt {\em Zyklus}, wenn die Operation $\langle \pi \rangle \times V \to V, (\pi^k,v) \mapsto \pi^k(v)$ nur eine Bahn mit mehr als einem Element hat. Die Länge $r$ dieser Bahn heißt dann {\em Länge} von $\pi$. Damit ist diese Bahn von der Form $\{v, \pi(v), \dots, \pi^{r-1}(v)\}$. Man schreibt dann $\pi = \big(v\ \pi(v)\;\cdots\;\pi^{r-1}(v)\big)$. Mit anderen Worten: $\pi = (v_1\;\cdots\;v_r)$ mit $v_1 = v$, $v_{i+1} = \pi(v_i)$. \end{definition} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \item $\pi = \begin{smallpmatrix}1&2&3&4&5&6\\3&5&2&4&1&6\end{smallpmatrix} \in S_6$ ist ein Zyklus: $B(1) = \{1,3,2,5\}$, $B(4) = \{4\}$, $B(6) = \{6\}$, also $\pi = (1\;3\;2\;5)$ \item $\sigma = \begin{smallpmatrix}1&2&3&4&5&6\\3&5&1&4&2&6\end{smallpmatrix} \in S_6$ ist kein Zyklus: $B(1) = \{1,3\}$, $B(2) = \{2,5\}$, aber $\sigma = (1\;3)(2\;5)$. \end{enumerate} \end{example} \begin{remark} Für jeden Zyklus $\pi = (v_1\;\cdots\;v_r)$ der Länge $r$ gilt: \begin{enumerate}[a)] \item $\ord(\pi) = r$ \item Für jedes $\sigma \in S_n$ ist auch $\sigma\pi\sigma^{-1}$ ein Zyklus der Länge $r$, genauer: \[\sigma\pi\sigma^{-1} = \big(\sigma(v_1)\;\cdots\;\sigma(v_r)\big)\] \end{enumerate} \end{remark} \begin{proof}\ \begin{enumerate}[a)] \item Wegen $\pi^r(v_i) = v_i$ für $1 \leq i \leq r$ und $\pi(v) = v$ für $v \in V \setminus \{v_1,\dots,v_r\}$ ist $\pi^r = \id$; für $1 \leq s < r$ ist $\pi^s(v_1) = v_{s+1} \neq v_1$, also $\pi^s \neq \id$. \item Neben $\sigma \pi \sigma^{-1}(\sigma(v_i)) = \sigma\pi(v_i) = \sigma(v_{i+1})$ für $1 \leq i < r$ und $\sigma\pi\sigma^{-1}(\sigma(v_r)) = \sigma\pi(v_r) = \sigma(v_1)$ gilt $\pi\sigma^{-1}(v) = \sigma^{-1}(v)$, d.h. $\sigma\pi\sigma^{-1}(v) = v$ für $\sigma^{-1}(v) \in V \setminus \{v_1,\dots,v_r\}$, d.h. $v \in V \setminus \{\sigma(v_1),\dots,\sigma(v_r)\}$\qedhere \end{enumerate} \end{proof} \begin{theorem}\ \begin{enumerate}[a)] \item Zu jedem $\pi \in S_n$ gibt es paarweise disjunkte Zyklen $\sigma_1,\dots,\sigma_k \in S_n$, so dass $\pi = \sigma_k\ldots\sigma_1$ ($k \geq 0$); und die Darstellung $\pi = \sigma_k\ldots\sigma_1$ ist bis auf die Reihenfolge eindeutig. \item $n \geq 2 \Rightarrow S_n = \langle (1\;2),(1\;3),\dots,(1\;n) \rangle$. \item $n \geq 3 \Rightarrow S_n = \langle (1\;2),(1\;2\;3\;\cdots\;n) \rangle$. \end{enumerate} \end{theorem} \begin{proof}\ \begin{enumerate}[a)] \item Es seien $B_1,\dots,B_k$ die Bahnen der induzierten Operation $\langle \pi \rangle \times V \to V$, welche mehr als ein Element haben. Für $1 \leq i \leq k$ ist $\sigma_i \in S_n$, definiert durch $\sigma_i(v) = \begin{smallcases}\sigma(v)&v \in B_i\\v&v \not\in B_i\end{smallcases}$, ein Zyklus, und die $\sigma_1,\dots,\sigma_k$ sind paarweise disjunkt, und $\pi = \sigma_k \cdots \sigma_1$. Ist auch $\pi = \rho_l \ldots \rho_1$ mit paarweise disjunkten Zyklen $\rho_1,\dots,\rho_l$, so gibt es $u \in V$ mit $\sigma_1(u) \neq u$ und dazu ein $j$ mit $\rho_j(u) \neq u$. [aus $\sigma_1(u) \neq u$ folgt $\pi(u) \neq u$ wegen $\sigma_1,\dots,\sigma_k$ disjunkt]. Es reicht zu zeigen: $\sigma_1 = \rho_j$ [Die Behauptung folgt nach Kürzen mit Induktion]. Für $1 \leq v \leq n$ zeigen wir $\sigma_1(v) = \rho_j(v)$. Der Fall $\sigma_1(v) = v$ und $\rho_j(v) = v$ ist klar. Im Fall $\sigma_1(v) \neq v$ gilt: da $u,v \in B_1$, d.h. $\pi^m(u) = v$ mit $m \geq 0$, gilt $\sigma_1(v) = \sigma_1(\pi^m(u)) = \pi^{m+1}(u)$ und $\rho_j(v) = \rho_j(\pi^m(u)) = \pi^{m+1}(u)$, also $\sigma_1(v) = \rho_j(v)$. Der Fall $\rho_j(v) \neq v$ geht analog. \item folgt aus a: $(v_1\;\cdots\;v_r) = (v_1\;v_2)(v_2\;v_3)\cdots(v_{r-1}\;v_r)$, für $2 \leq u,v \leq n$ mit $u \neq v$ ist $(u\;v) = (1\;u)(1\;v)(1\;u)$. \item folgt aus b: $(1\;3) = (1\;2)(2\;3)(1\;2)$, $(1\;4)=(1\;3)(3\;4)(1\;3)$ etc. Mit $\sigma = (1\;2\;3\;\cdots\;n)$ ist $(2\;3) = \sigma(1\;2)\sigma^{-1}$, $(3\;4) = \sigma(2\;3)\sigma^{-1}$ etc.\qedhere \end{enumerate} \end{proof} \begin{definition} Ein $\pi \in S_n \setminus \{\id\}$ heißt {\em gerade} (bzw. {\em ungerade}), wenn in der Zyklendarstellung von $\pi$ (das ist die bis auf Reihenfolge eindeutige Zerlegung in Produkte von paarweise disjunkten Zyklen) die Anzahl der Zyklen gerader Länge gerade (bzw. ungerade) ist. Auch $\id$ heißt gerade. \end{definition} \begin{example} $(1\;2)(3\;4)$ und $(1\;2\;3)$ sind gerade. Transpositionen sind ungerade. \[\begin{smallpmatrix}1&2&3&4&5&6&7&8&9\\6&4&7&2&5&1&8&9&3\end{smallpmatrix} = (1\;6)(2\;4)(3\;7\;8\;9)\] ist ungerade. \end{example} \begin{lemma} Für jedes $\pi \in S_n$ und jede Transposition $\tau \in S_n$ gilt: Ist $\pi$ gerade (bzw. ungerade), so ist $\tau\pi$ ungerade (bzw. gerade). \end{lemma} \begin{proof} 1. Fall: $\tau,\pi$ sind disjunkt, d.h. $\tau$ kommt in der Zyklendarstellung von $\pi$ nicht vor, jedoch in der von $\tau\pi$. 2. Fall: $\tau$,$\pi$ treffen sich in nur einem Punkt, d.h. $\tau = (v_1\;u)$, $\pi = \underbrace{(v_1\;\cdots\;v_r)\sigma}_{\text{disjunkt}}$, $u \not\in \{v_1,\dots,v_r\}$, $\sigma(u) = u$, dann $\tau\pi = \underbrace{(v_1\;\cdots\;v_r\;u)\sigma}_{\text{disjunkt}}$. Unterscheide $r$ gerade bzw. ungerade. 3. Fall: $\tau$ und $\pi$ treffen sich in zwei Punkten, d.h. a) $\tau = (v_1\;v_j)$, $\pi = \underbrace{(v_1\;\cdots\;v_j\;\cdots\;v_r)\sigma}_{\text{disjunkt}}$ oder b) $\tau = (v_1\;u_1)$, $\pi = \underbrace{(v_1\;\cdots\;v_r)(u_1\;\cdots\;u_s)\sigma}_{\text{disjunkt}}$. In a) gilt $\tau\pi = \underbrace{(v_1\;\cdots\;v_{j-1})(v_j\;\cdots\;v_r)\sigma}_{\text{disjunkt}}$ und in b) $\tau\pi = \underbrace{(v_1\;\cdots\;v_r\;u_1\;\cdots\;u_s)\sigma}_{\text{disjunkt}}$. \end{proof} \begin{definition} $A_n = \{\pi \in S_n \colon \pi \text{ gerade}\}$ ist eine Untergruppe der $S_n$, die {\em alternierende Gruppe} von Grad $n$. \end{definition} \begin{theorem} Für $n \geq 2$ ist $\sign \colon S_n \to \{+1,-1\} = \mathbb Z^\times, \pi \mapsto \begin{smallcases}+1&\pi \text{ gerade}\\-1&\pi \text{ ungerade}\end{smallcases}$ ein Epimorphismus mit Kern $A_n$. Genauer: Ist $\pi = \tau_k\dots\tau_1$ mit Transpositionen $\tau_1,\dots,\tau_k$, so ist $\sign(\pi) = (-1)^k$. \end{theorem} \begin{proof} Ist $\pi = \tau_k \dots \tau_1$ wie oben, so ist $\tau_1$ ungerade, $\tau_2\tau_1$ gerade, $\tau_3\tau_2\tau_1$ ungerade etc., also $\sign(\pi) = (-1)^k$. Ist auch $\sigma = \rho_l \dots \rho_1$ mit Transpositionen $\rho_1,\dots,\rho_l$, so ist $\pi\sigma = \tau_k \dots \tau_1 \rho_l \dots \rho_1$, also $\sign(\pi\sigma) = (-1)^{k+l} = (-1)^k(-1)^l = \sign(\pi)\sign(\sigma)$, mit anderen Worten: $\sign$ ist ein Homomorphismus. Klar ist: $\ker(\sign) = A_n$. $\sign$ ist surjektiv, da $\sign(\id) = +1$, $\sign((1\;2)) = -1$. \end{proof} \begin{corollary} $A_n \lhd S_n$, $[S_n:A_n] = 2$, $|A_n| = n!/2$ \end{corollary} \begin{proof} $\sign$ induziert einen Isomorphismus $S_n/A_n \to \mathbb Z^\times$. \end{proof} \begin{theorem}\ \begin{enumerate}[(a)] \item $n \geq 3 \Longrightarrow A_n = \langle (1\;2\;3),(1\;2\;4),\dots,(1\;2\;n)\rangle$ \item $n \geq 5 \Longrightarrow$ in $A_n$ sind alle Zyklen der Länge $3$ zueinander konjugiert. \end{enumerate} \end{theorem} \begin{proof}\ \begin{enumerate}[(a)] \item Es sei $\pi \in S_n$. Wir wissen: $\pi = (1\;v_k)\dots(1\;v_1)$, $v_i \geq 2$. Ist $\pi \in A_n$, so ist $k$ gerade. Für $i,j \geq 2$ mit $i \neq j$ ist $(1\;i)(1\;j) = (1\;j\;i)$. Der Fall $j=2$ ist klar. Ist $i=2$, dann $(1\;j\;2) = (1\;2\;j)(1\;2\;j)$. Ist $i,j \geq 3$, dann $(1\;j\;i) = (1\;2\;i)(1\;2\;i)(1\;2\;j)(1\;2\;i)$. \item Sind $\pi = (v_1\;v_2\;v_3)$, $\rho = (w_1\;w_2\;w_3)$, so ist $\sigma\pi\sigma^{-1} = \rho$ für jedes $\sigma \in S_n$ mit $\sigma(v_i) = w_i$ ($1 \leq i \leq 3$). Der Fall $\sigma \in A_n$ ist klar. Sei also $\sigma \not\in A_n$: Wegen $n \geq 5$ gibt es $k,l \in \{1,\dots,n\} \setminus \{v_1,v_2,v_3\}$ mit $k \neq l$. Setze $\tau = (k\;l)$, also $\sigma\tau \in A_n$ nach "`Lemma"', sowie $\tau,\pi$ disjunkt, also $\tau\pi = \pi\tau$ und damit $(\sigma\tau)\pi(\sigma\tau)^{-1} = \sigma(\pi\tau)\tau^{-1}\sigma^{-1} = \sigma\pi\sigma^{-1} = \rho$.\qedhere \end{enumerate} \end{proof} \begin{observation} Nicht verwendet wurde, dass $\sigma,\rho \in A_n$ sind. Wir haben also gezeigt: Sind $\pi, \rho \in S_n$ $3$-Zyklen, dann gilt $\exists \sigma \in A_n(\sigma\pi\sigma^{-1} = \rho)$. \end{observation} \begin{example}[Kleinsche Vierergruppe] $G=\{\id,(1\;2)(3\;4),(1\;3)(2\;4),(1\;4)(2\;3)\} \in A_4$. $G$ ist abelsch, aber nicht zyklisch, da jedes $\pi \in G \setminus \{\id\}$ Ordnung $2$ hat. zudem ist $G \lhd A_4$, sogar $G \lhd S_4$, denn: für jedes $\pi \in S_4$ und $\{i,j,k,l\} = \{1,2,3,4\}$ ist $\pi(i\;j)(k\;l)\pi^{-1} = (\pi(i)\ \pi(j))(\pi(k)\ \pi(l))$. \end{example} \begin{definition} Hat eine Gruppe $G$ nur die Normalteiler $\{e\}$ und $G$ und ist $G \neq \{e\}$, so heißt $G$ {\em einfach}. Weder $A_4$ noch $S_4$ sind einfach (Kleinsche Vierergruppe). \end{definition} \begin{remark} Eine abelsche Gruppe ist genau dann einfach, wenn sie isomorph zu $\mathbb Z / \langle p \rangle$ ist für eine Primzahl $p$. \end{remark} \begin{theorem} Für $n \geq 5$ ist $A_n$ einfach. \end{theorem} \begin{proof} Sei $\{e\} \neq H \lhd A_n$, zu zeigen ist: $H = A_n$. Da für $n \geq 5$ alle $3$-Zykel konjugiert sind und $A_n = \langle \{(1\;2\;i) \colon i \geq 3\} \rangle$ für $n \geq 3$ genügt es zu zeigen, dass $H$ einen $3$-Zyklus enthält. Wähle $\pi \in H \setminus \{e\}$. Wir unterscheiden 3 Fälle: \begin{enumerate}[1. {Fall}] \item $\pi$ enthält einen Zyklus von Länge $\geq 4$, das heißt $\pi = (v_1\;v_2\;v_3\;v_4\;\dots\;v_r)\pi'$ (disjunkt) mit $\pi' \in S_n$. Sei $\sigma := (v_1\;v_2\;v_3) \in A_n$. Dann $H \ni \pi(\sigma\pi^{-1}\sigma^{-1}) = (\pi\sigma\pi^{-1})\sigma^{-1} = (v_2\;v_3\;v_4)(v_1\;v_3\;v_2) = (v_1\;v_4\;v_2)$. \item $\pi$ enthält zwar keinen Zyklus von Länge $\geq 4$, aber mindestens einen $3$-Zyklus. Falls $\pi = (v_1\;v_2\;v_3)$ sind wir fertig. Falls $\pi = (v_1\;v_2\;v_3)(v_4\;\dots\;v_r)\pi'$ mit $\pi' \in S_n$, sei $\sigma := (v_1\;v_2\;v_4) \in A_n$. Dann $H \ni (\pi\sigma\pi^{-1})\sigma^{-1} = (v_2\;v_3\;v_5)(v_1\;v_4\;v_2) = (v_1\;v_4\;v_3\;v_5\;v_2)$, also ist nach Fall 1 $(v_1\;v_5\;v_4) \in H$. \item $\pi$ enthält nur $2$-Zykel (also $2$,$4$,$6$,$\dots$ Stück davon). Falls $\pi = (v_1\;v_2)(v_3\;v_4)$ wähle $v_5 \in \{1,\dots,n\} \setminus \{v_1,v_2,v_3,v_4\}$ (verwende $n \geq 5$) und setze $\sigma := (v_1\;v_3\;v_5) \in A_n$. Dann $H \ni (\pi\sigma\pi^{-1})\sigma^{-1} = (v_2\;v_4\;v_5)(v_1\;v_5\;v_3) = (v_1\;v_2\;v_4\;v_5\;v_3)$, also ist gemäß Fall 1 $(v_1\;v_5\;v_2) \in H$. Falls $\pi = (v_1\;v_2)(v_3\;v_4)(v_5\;v_6)(v_7\;v_8) \pi '$ mit $\pi' \in S_n$, setze $\sigma := (v_1\;v_3\;v_5) \in A_n$. Dann $H \ni (\pi\sigma\pi^{-1})\sigma^{-1} = (v_2\;v_4\;v_6)(v_1\;v_5\;v_3)$, also nach Fall 2 $(v_2\;v_5\;v_1) \in H$.\qedhere \end{enumerate} \end{proof} \begin{corollary} Für $n \geq 5$ hat $S_n$ nur die Normalteiler $\{e\}$, $A_n$ und $S_n$. \end{corollary} \begin{proof} Sei $H \lhd S_n$ mit $n \geq 5$. Dann ist $H \cap A_n$ normal in $S_n$, also auch normal in $A_n$. Da $A_n$ einfach ist, gibt es bloß $2$ Fälle: \begin{enumerate}[1. {Fall}] \item $H \cap A_n = A_n$, d.h. $A_n \subseteq H \subseteq S_n$. DA $[S_n : A_n] = 2$, folgt mit Lagrange $A_n = H$ oder $H = S_n$. \item $H \cap A_n = \{e\}$. Sei $h \in H$ beliebig. Dann erhalten wir $ghg^{-1}h^{-1} \in H \cap A_n = \{e\}$ für alle $g \in G$. ($\sign(ghg^{-1}h^{-1}) = \sign(g)\sign(h)(\sign(g))^{-1}(\sign(h))^{-1} = 1$). Das heißt $h \in Z(S_n) \underset{n\geq 3}{=} \{e\}$. Es folgt $H = \{e\}$.\qedhere \end{enumerate} \end{proof} \subsection{Auflösbare Gruppen} \paragraph{Ziel} Analyse der Struktur von Gruppen $G$. \paragraph{Methode} Zerlege $G$ in "`Bestandteile"' $N$, $G/N$. Zerlege diese Bestandteile weiter in noch kleinere Bestandteile etc. Ist $G$ endlich, so stoppt dieser Prozess. Die kleinsten Bestandteile sind die einfachen Gruppen. Auflösbar $\Longleftrightarrow$ die kleinsten Bestandteile sind von der Form $\mathbb Z / p \mathbb Z$ mit $p$ Primzahl. \paragraph{Problem} Wie ist $G$ aus Bestandteilen zusammengesetzt? $G$ ist durch $N$ und $G/N$ nicht eindeutig bestimmt, z.B. $\mathbb Z / 3 \mathbb Z \times \mathbb Z / 2 \mathbb Z$, $S_3 = \mathbb Z / 3 \mathbb Z \rtimes_\phi \mathbb Z / 2 \mathbb Z$ $\longrightarrow$ semidirekte Produkte, Gruppenkohomologie. \begin{definition} Zu $a,b \in G$ ($G$ Gruppe) heißt $[a,b] := aba^{-1}b^{-1}$ der {\em Kommutator} von $a$ und $b$. Es gilt $ab = [a,b]ba$. Insbesondere kommutieren $a$ und $b$ genau dann, wenn $[a,b] = e$. Außerdem $[a,b]^{-1} = [b,a]$. Man nennt die von allen Kommuatatoren erzeugte Untergruppe $K(G) := \langle \{[a,b] \colon a,b \in G \} \rangle$ von $G$ die {\em Kommutator-Untergruppe} von $G$. \end{definition} \begin{warning}$\{[a,b] \colon a,b \in G\}$ ist im Allgemeinen keine Untergruppe. \end{warning} \begin{remark} $K(G) = \{e\} \Longleftrightarrow G$ abelsch. \end{remark} \begin{lemma} Sei $f \colon G \to G'$ ein Gruppenhomomorphismus. \begin{enumerate}[(a)] \item Es gilt $f(K(G)) \subseteq K(G')$ \item $f$ surjektiv $\Longrightarrow$ $f(K(G)) = K(G')$ \item Ist $f \in \aut(G)$, so ist $f(K(G)) = K(G)$. Insbesondere ist $K(G)$ Normalteiler von $G$. \end{enumerate} \end{lemma} \begin{proof}\ \begin{enumerate}[(a)] \item Jedes Element von $K(G)$ hat die Form $x = [a_1,b_1]\cdots[a_n,b_n]$ mit $a_i,b_i \in G$. Es ist $f(x) = [f(a_1),f(b_1)]\cdots[f(a_n),f(b_n)] \in K(G')$. Also $f(K(G)) \subseteq K(G')$. \item Sei nun $f$ surjektiv und $y = [c_1,d_1]\cdots[c_n,d_n]$ ein beliebiges Element von $K(G')$ (also $c_i,d_i \in G'$). Seien $a_i,b_i \in G$ mit $c_i = f(a_i)$ und $d_i = f(b_i)$. Dann ist $y = f([a_1,b_1]\cdots[a_n,b_n]) \in f(K(G))$. Es folgt $f(K(G)) = K(G')$ \item folgt aus b) und $K(G) \lhd G$ folgt mit $f = k_x$, $x \in G$. \qedhere \end{enumerate} \end{proof} \begin{lemma} $K(G)$ ist der kleinste Normalteiler von $G$ mit $G/K(G)$ abelsch. \end{lemma} \begin{proof}\ \begin{samepage} \begin{enumerate}[(1)] \item $K(G)$ ist normal (siehe oben) und $G/K(G)$ ist abelsch, denn seien $a,b \in G$ und $\overline a, \overline b$ ihre Bilder in $G/K(G)$, dann $[\overline a,\overline b] = \overline{[a,b]} = e$, d.h. $\overline a$ und $\overline b$ kommutieren. \item Sei $H \lhd G$ mit $G/H$ abelsch. Seien $a,b \in G$ und seien $\tilde a, \tilde b$ die Bilder in $G/H$. Dann ist $e = [\tilde a, \tilde b] = \widetilde{[a,b]}$, d.h. $[a,b] \in H$. Es folgt $H \supseteq K(G)$.\qedhere \end{enumerate} \end{samepage} \end{proof} \begin{definition} Die Faktorgruppe $G_{ab} = G/K(G)$ heißt {\em Abelianisierung} von $G$. $G_{ab}$ ist die größte abelsche Faktorgruppe von $G$. \end{definition} \begin{lemma}\ \begin{enumerate}[(a)] \item $K(S_n) = A_n$ für alle $n \geq 1$. \item $K(A_1)$,$K(A_2)$,$K(A_3)$ sind trivial, $K(A_4) = V$ (Kleinsche Vierergruppe) \item $K(A_n) = A_n$ für alle $n \geq 5$. \end{enumerate} \end{lemma} \begin{proof}\ \begin{enumerate}[(a)] \item $S_n/A_n$ ist abelsch (wegen $|S_n/A_n| \in \{1,2\}$), also $K(S_n) \subseteq A_n$. Für $n = 1,2$ ist $A_n$ trivial, also $A_n \subseteq K(S_n)$. Für $n \geq 3$ gilt $A_n = \langle\{(1\;2\;i) \colon i \geq 3\}\rangle$ und wegen $(1\;2\;i) = [(1\;i),(2\;i)]$ ist auch hier $A_n \subseteq K(S_n)$ \item $A_1$,$A_2$,$A_3$ sind abelsch, $A_4/V \cong \mathbb Z / 3 \mathbb Z$ ist abelsch, es folgt $K(A_4) \subseteq V$. Zudem gilt $[(i\;j\;k),(i\;j\;l)] = (i\;j\;k)(i\;j\;l)(i\;k\;j)(i\;l\;j) = (i\;j)(k\;l)$. Also gilt $K(A_4) = V$. \item Für $n \geq 5$ ist $\{\id\} \neq K(A_n) \lhd A_n$. Da $A_n$ einfach ist, folgt $K(A_n) = A_n$.\qedhere \end{enumerate} \end{proof} \begin{definition} Zu jeder Gruppe $G$ definiert man eine absteigende Folge von Untergruppen $G = K_0(G) \supseteq K_1(G) \supseteq K_2(G) \supseteq \dots$ durch $K_0(G) := G$, $K_1(G) := K(G)$ und $K_i(G) := K(K_{i-1}(G))$ für $i \geq 2$. $K_i(G)$ heißt {\em $i$-te Kommutatorgruppe von $G$}. \end{definition} \begin{remark} Mittels Induktion zeigt man für einen Gruppenhomomorphismus $f \colon G \to G'$: \begin{itemize} \item $f(K^i(G)) \subseteq K^i(G')$ \item ist $f$ surjektiv, so gilt $f(K^i(G)) = K^i(G')$ \end{itemize} Insbesondere sind alle $K^i(G)$ Normalteiler von $G$ (mit $f = k_x$, $x \in G$). \end{remark} \begin{definition} Eine Gruppe $G$ heißt {\em auflösbar}, falls $m \geq 1$ existiert mit $K^m(G) = \{e\}$. \end{definition} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \item Abelsche Gruppen sind auflösbar \item $S_n$ und $A_n$ sind für $n \leq 4$ auflösbar, für $n \geq 5$ hingegen nicht. \item Jede Untergruppe und jede Faktorgruppe einer auflösbaren Gruppe ist auflösbar. \item Ist $H \lhd G$ mit $H$ und $G/H$ auflösbar, so ist $G$ auch auflösbar. \end{enumerate} \end{example} \begin{proof}\ \begin{enumerate}[1)] \item folgt aus $K^1(G) = \{e\}$ für $G$ abelsch. \item $S_1, S_2, A_1, A_2, A_3$ sind abelsch, also auflösbar. $K^1(S_3) = A_3 \Rightarrow K^2(S_3) = \{e\}$. $K^1(S_4) = A_4 \Rightarrow K^3(S_4) = K^2(A_4) = K^1(V) = \{e\}$. Ist $n \geq 5$, so ist $K^1(S_n) = A_n = K^1(A_n)$ und somit ist $K^m(S_n) = A_n = K^m(A_n)$ für alle $m \geq 1$. \item $K^m(G) = \{e\}$ und $H \subseteq G$ ist eine Untergruppe. Dann ist $K^m(H) \subseteq K^m(G) = \{e\}$, also $K^m(H) = \{e\}$ und $H$ ist somit auflösbar. Sei nun $H \lhd G$ und $\pi \colon G \to G/H$ der kanonische Epimorphismus. Dann ist wegen $\pi$ surjektiv $K^m(G/H) = \pi(K^m(G)) = \pi(\{e\}) = \{e\}$, also ist $G/H$ auflösbar. \item Seien $m,n \geq 1$ mit $K^m(H) = \{e\}$ und $K^n(G/H) = \{e\}$. Dann ist $\pi(K^n(G)) = K^n(G/H) = \{e\}$, also $K^n(G) \subseteq \ker(\pi) = H$. Also $K^{m+n}(G) = K^m(K^n(G)) \subseteq K^m(H) = \{e\}$. Also ist $G$ auflösbar.\qedhere \end{enumerate} \end{proof} \begin{remark} Man weiß folgendes \begin{itemize} \item Jede Gruppe von Ordnung kleiner als $60 = |A_5|$ ist auflösbar. \item Jede Gruppe der Ordnung $p^rq^s$ für Primzahlen $p,q$ und $r,s \geq 0$ ist auflösbar. (Burnside $\rightarrow$ Darstellungstheorie) \item Jede Gruppe von ungerader Ordnung ist auflösbar. (Feit-Thompson, 1963, 255 Seiten langes Paper) \end{itemize} \end{remark} \begin{definition} Eine {\em Subnormalreihe} ist eine Folge von Untergruppen $G \supseteq G_0 \supseteq G_1 \supseteq \dots \supseteq G_n = \{e\}$, so dass für jedes $i$ $G_{i+1}$ normal in $G_i$ ist. Die Gruppen $G_i/G_{i+1}$ heißen {\em Faktoren} der Subnormalreihe. Sind alle $G_{i+1}$ normal in $G$, so nennt man eine solche Folge {\em Normalreihe}. \end{definition} \begin{remark} $G_{i+1} \lhd G \Longrightarrow G_{i+1} \lhd G_i$. \end{remark} \begin{example}\ \begin{itemize} \item $S_4 \supseteq A_4 \supseteq V \supseteq \{e\}$ ist eine Normalreihe von $S_4$ \item $S_4 \supseteq A_4 \supseteq V \supseteq \langle (1\;2)(3\;4) \rangle \supseteq \{e\}$ ist eine Subnormalreihe von $S_4$, aber keine Normalreihe. \end{itemize} \end{example} \begin{proposition} Eine Gruppe ist genau dann auflösbar, wenn sie eine Normalreihe besitzt, deren Faktoren alle abelsch sind. \end{proposition} \begin{proof} "`$\Rightarrow$"': Sei $G$ auflösbar und $m \geq 1$ mit $K^m(G) = \{e\}$. Dann ist $G \supseteq K^1(G) \supseteq \dots \supseteq K^m(G) = \{e\}$ Normalreihe mit Faktoren $K^i(G) / K^{i+1}(G) = K^{i}(G)/K(K^i(G))$, die abelsch sind. "`$\Leftarrow$"': Sei $G = G_0 \supseteq G_1 \supseteq \dots \supseteq G_n = \{e\}$ eine Normalreihe mit abelschen Faktoren. Es folgt $G_i \supseteq K^i(G)$ für alle $i$ und damit $K^m(G) \subseteq G_m = \{e\}$. Also ist $G$ auflösbar. \end{proof} \begin{lemma} Sei $G = G_0 \supseteq G_1 \supseteq \dots \supseteq G_n = \{e\}$ eine Subnormalreihe von $G$ und seien $G_i/G_{i+1} =: G_{i,0} \supseteq G_{i,1} \supseteq \dots \supseteq G_{i,r_i} = \{e\}$ Subnormalreihen der Faktoren $G_0/G_1,\dots,G_{n-1}/G_n$. Seien $\pi_i \colon G_i \to G_i/G_{i+1}$ die kanonischen Epimorphismen. Dann gilt $\pi_i^{-1}(G_{i,0}) = G_i$ und $\pi_i^{-1}(G_{i,r_i}) = G_{i+1}$ und die Folge \[\begin{matrix} G = G_0 & \supseteq & \pi_0^{-1}(G_{0,1}) & \supseteq & \dots & \supseteq & \pi_0^{-1}(G_{0,r_0-1}) & \supseteq & G_1 & \\ & \supseteq & \pi_1^{-1}(G_{1,1}) & \supseteq & \dots & \supseteq & \pi_1^{-1}(G_{1,r_1-1}) & \supseteq & G_2 & \\ & & \vdots & & & & \vdots & & \vdots & \\ & \supseteq & \pi_{n-1}^{-1}(G_{n-1,1}) & \supseteq & \dots & \supseteq & \pi_{n-1}^{-1}(G_{n-1,r_{n-1}-1}) & \supseteq & G_n & = \ \{e\} \end{matrix}\] ist eine Subnormalreihe mit den Faktoren $\pi_i^{-1}(G_{i,j}) / \pi_i^{-1}(G_{i,j+1}) \cong G_{i,j}/G_{i,j+1}$. \end{lemma} \begin{proof} Klar ist $\pi_i^{-1}(G_{i,0}) = \pi_i^{-1}(G_i/G_{i+1}) = G_i$ und $\pi_i^{-1}(G_{i,r_i}) = \pi_i^{-1}(\{e\}) = G_{i+1}$. Es bleibt zu zeigen, dass $\pi_i^{-1}(G_{i,j+1})$ normal in $\pi_i^{-1}(G_{i,j})$ und $\pi_i^{-1}(G_{i,j}) / \pi_i^{-1}(G_{i,j+1}) \cong G_{i,j}/G_{i,j+1}$ ist. Betrachte die Komposition $\pi_i^{-1}(G_{i,j}) \overset{\pi_i}{\longrightarrow} G_{i,j} \longrightarrow G_{i,j}/G_{i,j+1}$. Jene ist surjektiv und hat den Kern $\pi_i^{-1}(G_{i,j+1})$. Damit folgt die Aussage. \end{proof} \begin{corollary} Eine endliche Gruppe ist genau dann auflösbar, wenn sie eine Subnormalreihe hat, deren Faktoren alle (zyklisch) von Primzahlordnung sind. \end{corollary} \begin{proof} Übung.\phantom{\qedhere} \end{proof} \begin{remark}\ \begin{itemize} \item Das Korollar gilt nicht für unendliche Gruppen. Jede Gruppe, welche eine Subnormalreihe mit endlichen Faktoren hat, ist automatisch endlich. Durch Induktion zeigt man (mit Hilfe von Lagrange) $|G| = \prod_{i=0}^{n-1}[G_i: G_{i+1}]$ für eine Subnormalreihe $G = G_0 \supseteq \dots \supseteq G_n = \{e\}$. Hingegen ist jede abelsche Gruppe (z.B. $\mathbb Z$) auflösbar. \item Eine Subnormalreihe heißt {\em Kompositionsreihe}, falls alle Faktoren nichttrivial und einfach sind. Es gilt: Die Faktoren einer Kompositionsreihe einer Gruppe $G$ sind eindeutig bis auf Isomorphie und bis auf Reihenfolge. (Satz von Jordan-Hölder) \item Die endlichen einfachen Gruppen sind vollständig klassifiziert. Der Beweis umfasst ca. 15000 Seiten und wurde im Jahr 2004 vollendet. \end{itemize} \end{remark} \subsection{p-Gruppen} $p$ ist stets eine Primzahl. \begin{definition} Eine Gruppe $G$ heißt {\em p-Gruppe}, falls $|G| = p^a$ für ein $a \geq 0$ (Diese Definition wird später noch revidiert). \end{definition} \begin{example}\ \begin{itemize} \item $\mathbb Z / p \mathbb Z$ ist eine p-Gruppe. \item $D_4$ ist eine $2$-Gruppe. \item Untergruppen und Faktorgruppen von p-Gruppen sind p-Gruppen. \end{itemize} \end{example} \begin{lemma} Ist $G$ eine p-Gruppe und ist $\{e\} \neq N \lhd G$, so ist $N \cap Z(G) \neq \{e\}$. Insbesondere ist $Z(G) \neq \{e\}$, sofern $G \neq \{e\}$. \end{lemma} \begin{proof} $G$ operiert auf $N$ durch Konjugation $G \times N \to N, (g,n) \mapsto gng^{-1}$. Es gilt \[|N| = \sum_{K \subseteq N \text{ Konj. Kl.}} |K|\] Allgemein ist $|K| = 1 \Leftrightarrow K = \{g\}$ für ein $g \in Z(G) \cap N$ und $|K| = [G : Z]$, wobei $Z$ der Zentralisator eines Elements $g \in K$ ist. Hier gilt $[G : Z]$ teilt $|G| = p^a$, also ist entweder $|K| = 1$ oder $p \mid |K|$. Also ist $|Z(G) \cap N|$ durch $p$ teilbar, insbesondere $Z(G) \cap N \neq \{e\}$. \end{proof} \begin{corollary} p-Gruppen sind auflösbar. \end{corollary} \begin{proof} Durch Induktion nach $|G| =p^a$. $|G| = 1$ ist klar. Sonst gilt $\{e\} \neq Z(G) \lhd G$ und $G/Z(G)$ ist auflösbar, weil es eine p-Gruppe mit kleinerer Ordnung ist. Also ist $G$ auflösbar. \end{proof} \section{Ringe} \subsection{Ringe und Moduln} \begin{definition} Eine Menge $H$ mit einer Abbildung $m \colon H \times H \to H, (x,y) \mapsto xy$ und einem Element $e \in H$ heißt {\em Halbgruppe}, wenn $x(yz) = (xy)z$ für alle $x,y,z \in H$ und $xe = x = ex$ für alle $x \in H$. Zum Beispiel sind $(\mathbb N, +, 0)$,$(\mathbb Z,\bullet,1)$ Halbgruppen, aber keine Gruppen. Ein {\em Ring} ist eine Menge $R$ mit zwei Abbildungen $+ \colon R \times R \to R, (x,y) \mapsto x+y$ und $\bullet \colon R \times R \to R, (x,y) \mapsto xy$ sowie Elementen $0,1 \in R$, so dass folgende Eingeschaften erfüllt sind \begin{enumerate}[1)] \item $(R,+,0)$ ist eine abelsche Gruppe \item $(R, \bullet, 1)$ ist eine Halbgruppe \item $x(y+z) = xy+xz$ und $(x+y)z = xz+yz$ für alle $x,y,z \in R$. \end{enumerate} \end{definition} \begin{observation}\ \begin{enumerate}[a)] \item $x0 = 0 = 0x$ für alle $x \in R$. \item Ist $0 = 1$ in $R$, so ist $R = \{0\}$, denn $x \in R \Rightarrow x = 1x = 0x = 0$ \end{enumerate} \end{observation} \begin{definition} Ein Ring heißt {\em kommutativ}, wenn $xy = yx$ für alle $x,y \in R$. Eine Teilmenge $A$ eines Rings $R$ nennt man {\em Unterring}, wenn $A$ eine Untergruppe von $(R,+,0)$ und $xy \in A$ für alle $x,y \in A$ sowie $1 \in A$ ist. Im Folgenden sei $R$ stets ein Ring. \end{definition} \begin{definition} Man nennt $x \in R$ {\em invertierbar} oder eine {\em Einheit}, wenn es ein $y \in R$ gibt mit $xy = 1 = yx$. Die Menge $R^\times$ aller Einheiten von $R$ ist mit der Multiplikation eine Gruppe, die {\em Einheitengruppe} von $R$. Ist $R$ ein kommutativer Ring, so ist $R^\times$ eine abelsche Gruppe. Es gilt $R = \{0\} \Longleftrightarrow R^\times = R$ \end{definition} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \item $\mathbb Z$ ist ein Ring. Es gilt $\mathbb Z^\times = \{-1,1\}$. Der einzige Unterring von $\mathbb Z$ ist $\mathbb Z$. (siehe Übung) \item Ist $V$ ein $K$-Vektorraum, so ist $\End(V)$ ein Ring mit $(f,g) \mapsto f \circ g$ als Multiplikation, $1 = \id_v$ und $\End(V)^\times = \aut(V)$. Ist speziell $V = K^n$ ist $\End(V) = K^{n\times n}$,$\aut(V) = \GL(n,K)$. \end{enumerate} \end{example} \begin{definition} Eine Abbildung $f \colon R \to R'$ zwischen Ringen heißt {\em Ringhomomorphismus}, wenn folgende Eigenschaften erfüllt sind \begin{enumerate}[1)] \item $f(x+y) = f(x) + f(y)$ für alle $x,y \in R$. \item $f(xy) = f(x)f(y)$ für alle $x,y \in R$. \item $f(1) = 1$ \end{enumerate} \end{definition} \begin{remark} Für einen Ringhomomorphismus $f \colon R \to R'$ gilt $f(R^\times) \subseteq (R')^\times$ (Übung), speziell: $R^\times \to (R')^\times, x \mapsto f(x)$ ist ein Gruppenhomomorphismus. \end{remark} \begin{definition} Ein {\em Ideal} $I$ von $R$ ist eine Untergruppe von $(R,+,0)$, so dass $ar \in I \ni ra$ für alle $a \in I$ und $r \in R$. \end{definition} \begin{definition} Auf der Faktorgruppe $R/I$ ist die Abbildung $R/I \times R/I \to R/I$, $(\overline x, \overline y) \mapsto \overline{xy}$ wohldefiniert und macht $R/I$ zu einem Ring mit Eins $\overline 1$, dem sogenannten {\em Faktorring} von $R$ modulo $I$. \end{definition} \begin{proof}[Beweis der Wohldefiniertheit] $(\overline x, \overline y) = (\overline u, \overline v) \Leftrightarrow (\overline x = \overline u \wedge \overline y = \overline v) \Leftrightarrow (x-u \in I \wedge y-v \in I) \Rightarrow (xy-uy \in I \wedge uy-uv \in I) \Rightarrow xy - uv \in I \Leftrightarrow \overline{xy} = \overline{uv}$ \end{proof} \begin{remark} Die kanonische Abbildung $R \to R/I, x \mapsto \overline x$ ist ein surjektiver Ringhomomorphismus. \end{remark} \begin{example} Jede Untergruppe $U$ von $\mathbb Z$ als abelscher Gruppe ist ein Ideal von $\mathbb Z$ als Ring. \end{example} \begin{proof} Wir wissen: $U = \langle n \rangle, n \geq 0$. Dann: $a \in U \Leftrightarrow n \mid a \Rightarrow (n \mid ra \wedge n \mid ar) \Leftrightarrow (ra \in U \wedge ar \in U)$ für alle $r \in \mathbb Z$. \end{proof} \begin{remark} Also ist $\mathbb Z / \langle n \rangle = \{\overline 0, \overline 1,\dots,\overline{n-1}\}$ ein Ring mit $\overline x\,\overline y = \overline{xy}$, wobei $n \geq 1$. \end{remark} \begin{remark} Es sei $n \in \mathbb Z, n \geq 1$. Für jedes $x \in \mathbb Z$ sind äquivalent: \begin{enumerate}[i)] \item $\overline x$ ist eine Einheit des Ringes $\mathbb Z / \langle n \rangle$. \item $\overline x$ ist ein Erzeugendes der Gruppe $\mathbb Z / \langle n \rangle$. \item $x$ und $n$ sind teilerfremd, d.h. $\ggT(x,n) = 1$. \end{enumerate} \end{remark} \begin{proof}\ \begin{description} \item[i $\Rightarrow$ ii] $\overline 1 = \overline x\,\overline y = \overline{xy} = \underbrace{\overline{x+\dots+x}}_{y\text{-mal}} = \underbrace{\overline x + \dots + \overline x}_{y\text{-mal}} = y\overline x$, also $\overline 1 \in \langle \overline x \rangle$ und damit $\mathbb Z / \langle n \rangle = \langle \overline x \rangle$, da ja $\mathbb Z / \langle n \rangle = \langle \overline 1 \rangle$. \item[ii $\Rightarrow$ iii] Mit $\overline 1 \in \langle \overline x \rangle$ ist $\overline 1 = y\overline x$ für ein $y \in \mathbb Z$, d.h. $\overline 1 = \overline{yx}$ wie oben, mit anderen Worten $1 - yx \in \langle n \rangle$, d.h. $1-yx = zn$ für ein $z \in \mathbb Z$, d.h. $1 = yx + zn$, d.h. $\ggT(x,n) = 1$. \item[iii $\Rightarrow$ i] Da jede Untergruppe der zyklischen Gruppe $\mathbb Z$ wieder zyklisch ist, gibt es $u \in \mathbb Z$ mit $u \geq 0$ und $\langle u \rangle = \langle x,n \rangle$, also $u \geq 1$. Da $u \mid x \wedge u \mid n$, ist nach Vorraussetzung $u = 1$. Es ergibt sich $1 \in \langle x,n \rangle$, d.h. $1 = ax+bn$ für geeignete $a,b \in \mathbb Z$, wofür $\overline 1 = \overline a\, \overline x + \overline b\,\overline n = \overline a\,\overline x$ wegen $\overline n = 0$. Es folgt $\overline x = (\mathbb Z/\langle n \rangle)^\times$ mit $\overline x^{-1} = \overline a$.\qedhere \end{description} \end{proof} \begin{implication} \[\Bigl|\left(\mathbb Z / \langle n \rangle\right)^\times\Bigr| = \Bigl|\left\{x \in \{1,\dots,n\} \colon \ggT(x,n) = 1\right\}\Bigr|\] Diese Zahl $\varphi(n) = |(\mathbb Z / \langle n \rangle)^\times|$ heißt {\em Eulersche $\varphi$-Funktion} von $n$. \end{implication} \begin{example} $\varphi(1) = 1$, da $\mathbb Z / \langle 1 \rangle = \{0\}$. $\varphi(2) = 1$, da $\mathbb Z / \langle 2 \rangle = \{\overline 0, \overline 1\}$,$(\mathbb Z / \langle 2 \rangle)^\times = \{1\}$. $\varphi(3) = 2$, da $\mathbb Z / \langle 3 \rangle = \{\overline 0, \overline 1, \overline 2\}$,$(\mathbb Z / \langle 4 \rangle)^\times = \{\overline 1, \overline 2\}$. Allgemeiner: $\varphi(p) = p-1$, falls $p$ Primzahl, sogar: $\varphi(p^k) = p^k-p^{k-1}$, falls $p$ Primzahl. \end{example} \begin{proof} Für $1 \leq x \leq p^k$ gilt: $\ggT(x,p^k) \neq 1 \Leftrightarrow p \mid x \Leftrightarrow \exists y \in \{1,\dots,p^{k-1}\} \colon x = py$. Es gibt $p^{k-1}$ solche $y$. Also $\varphi(p^k) = |\mathbb Z / \langle p^k \rangle| - p^{k-1} = p^k - p^{k-1}$ \end{proof} \begin{example} $\varphi(4) = \varphi(2^2) = 2^2-2^1 = 4-2 = 2$, allgemeiner $\varphi(2^k) = 2^{k-1}$. Oft sieht man: $\varphi(p^k) = p^k(1-\frac{1}{p}) = p^k\frac{p-1}{p} = p^{k-1}(p-1)$. Später: $\varphi(m \cdot n) = \varphi(m) \varphi(n)$ falls $\ggT(m,n) = 1$. Damit: $n = p_1^{k_1}\dots p_r^{k_r}$ mit paarweise verschiedenen Primzahlen $p_1,\dots,p_r$, so ist $\varphi(n) = \prod_{i=1}^r p_i^{k_i-1}(p_i-1)$. \end{example} \begin{definition} Sei $R$ ein Ring. Mit $R^\mathbb N$ bezeichnet man die Menge der unendlichen Folgen $(a_n)_{n\in\mathbb N}$ aus Elementen von $R$. Mit $R^{(\mathbb N)}$ die Menge der $(a_n)_{n\in\mathbb N} \in R^{\mathbb N}$, für welche $a_n = 0$ für fast alle $n \in \mathbb N$. Diese Menge $R^{(\mathbb N)}$ wird zu einem Ring, wenn man $(a_n)_{n\in\mathbb N} + (b_n)_{n\in\mathbb N} = (a_n + b_n)_{n\in\mathbb N}$ und $(a_n)_{n\in\mathbb N} (b_n)_{n\in\mathbb N} = (c_n)_{n\in\mathbb N}$ mit $c_n = \sum_{i+j = n} a_i b_j = a_0b_n + \dots + a_nb_0$ setzt, sowie Null $(0,0,\dots)$ und Eins $(1,0,0,\dots)$. Für $X = (0,1,0,0,\dots)$ und $f \in R^{(\mathbb N)}$ mit $f = (a_0,a_1,\dots,a_n,0,0,\dots)$ ist $Xf = (0,a_0,a_1,\dots,a_n,0,0,\dots) = fX$ und ($*$) $f = \sum_{i=0}^n(a_i,0,0,\dots)X^i$. Identifiziert man jedes $a \in R$ mit $(a,0,0,\dots) \in R^{(\mathbb N)}$, so wird ($*$) zu $f = \sum_{i=0}^n a_i X^i$, d.h. $f$ ist ein {\em Polynom} in $X$ mit den Koeffizienten $a_0,\dots,a_n \in R$. Deshalb heißt $R^{(\mathbb N)}$ der {\em Polynomring} über $R$, kurz $R[X]$. Mit obiger Identifizierung ist $R$ ein Unterring von $R[X]$. Die Elemente von $R$ heißen {\em konstante Polynome}. \end{definition} \begin{definition} Ist $f = \sum_{i=0}^n a_i X^i \in R[X]$ mit $a_n \neq 0$, so heißt $a_n$ der {\em Leitkoeffizient} und $n$ der {\em Grad} $\deg(f)$ von $f$. Wir setzen $\deg(0) = -1$ (oft sieht man auch $\deg(0) = -\infty$). Für $f \in R[X]$ gilt: $f \in R \Leftrightarrow \deg(f) \leq 0$. \end{definition} \begin{observation} Für $f,g \in R[X]$ mit $f,g \neq 0$ gilt: \begin{enumerate}[a)] \item $\deg(f+g) \leq \max\{\deg(f),\deg(g)\}$ \item $\deg(fg) \leq \deg(f) + \deg(g)$ \end{enumerate} \end{observation} \begin{definition} Für $f = \sum_{i=0}^n a_i X^i \in R[X]$ und $t \in R$ setzt man $f(t) = \sum_{i=0}^na_it^i$. Die {\em Auswertungsabbildung} $\varepsilon_t \colon R[X] \to R, f \mapsto f(t)$ ist ein surjektiver Ringhomomorphismus, wenn $t$ im Zentrum von $R$ liegt (also insbesondere wenn $R$ kommutativ ist). Ist $f(t) = 0$, d.h. $f \in \ker(\varepsilon_t)$, so heißt $t$ {\em Nullstelle} von $f$. \end{definition} \begin{definition} Ein Ring $R$ heißt {\em Integritätsring}, wenn $R$ kommutativ ist, $1 \neq 0$ in $R$ und für alle $a, b \in R$ gilt: $a \neq 0 \wedge b \neq 0 \Rightarrow ab \neq 0$, d.h. $ab = 0 \Rightarrow a=0 \vee b = 0$. \end{definition} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \item $\mathbb Z$ ist ein Integritätsring \item Jeder Körper ist ein Integritätsring \item Für $n \geq 1$ gilt: $\mathbb Z / \langle n \rangle$ Integritätsring $\Longleftrightarrow$ $n$ Primzahl. \end{enumerate} \end{example} \begin{proof} Sei zuerst $\mathbb Z / \langle n \rangle$ ein Integritätsring. Wegen $\mathbb Z / \langle 1 \rangle = \{0\}$ ist $n \geq 2$. Ferner gilt $n \mid xy \Longleftrightarrow \overline x\,\overline y = 0 \underset{\text{Int.Ring}}{\Longleftrightarrow} \overline x = 0 \vee \overline y = 0 \Longleftrightarrow n \mid xy \underset{\text{Primzahl}}{\Longleftrightarrow} n \mid x \vee n \mid y$, d.h. $\overline x = 0 \vee \overline y = 0$. \end{proof} \begin{remark} Es gilt: $R$ ist genau dann kommutativ, wenn $R[X]$ kommutativ ist und $1 \neq 0$ in $R$ genau dann, wenn $1 \neq 0$ in $R[X]$. \end{remark} \begin{remark} Für jeden Integritätsring $R$ gilt: \begin{enumerate}[a)] \item $R[X]$ ist ein Integritätsring \item $\deg(fg) = \deg(f) + \deg(g)$ für $f,g \in R[X]$ mit $f,g \neq 0$ \item $(R[X])^\times = R^\times$ \end{enumerate} \end{remark} \begin{proof} Es seien $f,g \in R[X]$. Für $f = \sum_{i=0}^n a_iX^i$ und $g = \sum_{j=0}^m b_jX^j$ ist $fg = \sum_{k=0}^{m+n} c_kX^k$ mit $c_k = \sum_{i+j = k} a_i b_j$, speziell $c_{n+m} = a_n b_m$. Ist $a_n \neq 0$ und $b_m \neq 0$, so ist $c_{n+m} \neq 0$. Es folgen a) und b). Noch zu c): Ist $fg = 1$, so $f, g \neq 0$ nach a): $1 \neq 0$ in $R[X]$. Es folgt mit b): $0 \leq \deg(f) + \deg(g) = \deg(fg) = \deg(1) = 0$, also $\deg(f) = 0 = \deg(g)$, also $f,g \in R$, sogar $fg = 1$. \end{proof} \begin{definition} Ein Polynom mit Leitkoeffizient $1$ heißt {\em normiert} oder {\em unitär}. \end{definition} \begin{theorem} Es sei $R$ ein kommutativer Ring und $g \in R[X]$ normiert. \begin{enumerate}[a)] \item Zu jedem $f \in R[X]$ gibt es eindeutig bestimmte $q, r \in R[X]$, so dass $f = qg + r$ und $\deg(r) < \deg(g)$ (enthält den Fall $r = 0$) \item Zu jedem $f \in R[X]$ und zu jedem $a \in R$ gibt es genau ein $q \in R[X]$ mit $f = (X-a)q+f(a)$. Insbesondere gilt (Fall $f(a) = 0$): Genau dann ist $a \in R$ eine Nullstelle von $f \in R[X]$, wenn es ein $q \in R[X]$ gibt mit $f = (X-a)q$. Dieses $q$ ist eindeutig bestimmt. \end{enumerate} \end{theorem} \begin{proof}\ \begin{enumerate}[a)] \item Ist $\deg(f) < \deg(g)$, so setze $q = 0$ und $r = f$ (enthält den Fall $f = 0$). Nun sei $\deg(f) \geq \deg(g)$. Induktion nach $\deg(f) = n$. Mit $m = \deg(g)$ ist $n \geq m \geq 0$. Ist $n = 0$, so ist $m = 0$, also $g = 1$. Setze $q = f$ und $r = 0$. Ist $n \geq 1$ und $a_n$ der Leitkoeffizient von $f$, so hat $f' = f-a_nX^{n-m}g$ einen Grad kleiner $n$. Nach Induktion gibt es $q', r' \in R[X]$ mit $f' = q'g + r'$ und $\deg(r') < \deg(g)$. Dafür ist $f = f' + a_nX^{n-m}g = (q' + a_nX^{n-m})g + r'$ wie verlangt. Noch zur Eindeutigkeit: Da $g \in R[X]$ normiert ist und $qg + r = q_1 g + r_1$ mit $\deg(r) < \deg(g)$ und $\deg(r_1) < \deg(g)$, gilt $q = q_1$, also auch $r = r_1$, denn es gilt$(q-q_1)g = r_1 - r$ und wäre $q \neq q_1$, d.h. $q - q_1 \neq 0$, so wäre $\deg(q-q_1) \geq 0$ und $\deg(g) > \max\{\deg(r),\deg(r_1)\} \geq \deg(r_1-r) = \deg((q-q_1)g) \overset{(*)}{=} \deg(q-q_1) + \deg(g) \geq \deg(g)$, was unmöglich ist. Noch zu $(*)$: $\leq$ gilt immer und $\geq$ gilt hier da $g$ normiert ist. %Sind auch $q_1,r_1 \in R[X]$ mit $f = q_1 g + r_1$ und $\deg(r_1) < \deg(g)$, so ist $(q-q_1)g = r_1-r$, also (Beweis wird vermutlich nächste Woche vervollständigt). %im Fall $q \neq q_1$: $\deg(g) > \deg(r_1-r) = \deg((q-q_1)g) \geq \deg(q-q_1) + \deg(g) \geq \deg(g)$, \item Schreibe $f = q(X-a) + r$ wie in a), also $\deg(r) \leq 0$, d.h. $r \in R$. Also $r = q(a) \cdot 0 + r = f(a)$.\qedhere \end{enumerate} \end{proof} \begin{corollary} Es sei $R$ ein Integritätsring. \begin{enumerate}[a)] \item Jedes $f \in R[X]$ mit $f \neq 0$ und $\deg(f) = n$ hat höchstens $n$ verschiedene Nullstellen \item Für $g \in R[X]$ ist $g = h$ schon dann, wenn $g(a) = h(a)$ für unendlich viele verschiedene $a \in R$. \end{enumerate} \end{corollary} \begin{proof} b) folgt aus a), angewandt auf $f = g-h$. Zu a): Sind $a_1,\dots,a_k$ Nullstellen von $f$, paarweise verschieden, so ist $f = (X-a_1)q_1$ gemäß Satz b), wofür $0 = f(a_2) = (a_2-a_1)q_1(a_2)$, also $q_1(a_2) = 0$ ($R$ ist ein Integritätsring), also wieder $q_1 = (X-a_2)q_2$ etc., schleißlich $f = (X-a_1)\cdots(X-a_k)q_k$, worin $q_k \neq 0$ (da $f \neq 0$), also $n = \deg(f) = k + \deg(q_k) \geq k$. \end{proof} \begin{observation} In b) reicht es, dass $g(a) = h(a)$ für mehr als $\max\{\deg(g),\deg(h)\}$ verschiedene $a$. \end{observation} \begin{theorem} Für jede endliche Gruppe $G$ mit $|G| = n$ sind äquivalent: \begin{enumerate}[i)] \item $G$ ist zyklisch. \item Für jedes $d \mid n$ hat $G$ genau eine Untergruppe der Ordnung $d$. \item Für jedes $d \mid n$ hat $G$ genau $\varphi(d)$ Elemente der Ordnung $d$. \item Für jedes $d \mid n$ hat $G$ genau $d$ Elemente $x$ mit $x^d = e$ \item [iii')] Für jedes $d \mid n$ hat $G$ höchstens $\phi(d)$ Elemente der Ordnung $d$. \item [iv')] Für jedes $d \mid n$ hat $G$ höchstens $d$ Elemente $x$ mit $x^d = e$ \end{enumerate} \end{theorem} \begin{proof} Wir gehen nach folgendem Plan vor: \[ \xymatrix{ i \ar@{=>}[r] & ii \ar@{=>}[d] & iv \ar@{=>}[r] & iv' \ar@{=>}[ld] \\ & iii \ar@{=>}[lu] \ar@{=>}[ru] & iii' \ar@{=>}[l] & } \] \begin{description} \item [i $\Rightarrow$ ii] früher gezeigt. \item [iv $\Rightarrow$ iv'] \% \item [*] Für $d \mid n$ sei $P_d = \{x \in G \colon x^d = e\}$, $Q_d = \{x \in G \colon \ord(x) = d\}$. Damit $Q_d \subseteq P_d$. Ferner sei $\psi_G(d) = |Q_d|$. Wegen $G = P_n$ und $P_n = \bigsqcup_{d \mid n} Q_d$ ist $n = \sum_{d \mid n} \psi_G(d)$. %\item [+] Wenn $\psi_G(d) = \varphi(d)$, dann gilt nach $(*)$ $n = \sum_{d \mid n} \varphi(d)$. \item [ii $\Rightarrow$ iii] Bezeichnet $H_d$ die einzige Untergruppe von $G$ der Ordnung $d$, so ist $Q_d = \{x \in H_d \colon \langle x \rangle = H_d\}$, also $\psi_G(d) = \varphi(d)$. Mit $(*)$ folgt $n = \sum_{d \mid n} \varphi(d)$. $(+)$ \item [iii $\Rightarrow$ i] $d = n$: $\psi_G(n) = \varphi(n) > 0$, also $Q_n \neq \varnothing$. \item [iii $\Rightarrow$ iv] Analog zu $(*)$ bzw. $(+)$ gelten $|P_d| = \sum_{k \mid d}\psi_G(k)$ und $\sum_{k \mid d}\varphi(k) = d$. \item [iv' $\Rightarrow$ iii'] Genauer gilt für $d \mid n$: Aus $\psi_G(d) > 0$, d.h. $Q_d \neq \varnothing$ folgt $\psi_G(d) = \varphi(d)$. Nun sei $\psi_G(d) > 0$; nehme $x \in Q_d$; setze $U = \langle x \rangle$. Wegen $|U|= d$ ist $U \subseteq P_d$; mit $|P_d| \leq d$ sogar $U = P_d$, also $Q_d \subseteq U$, d.h. $Q_d = Q_d \cap U$ und damit $\psi_G(d) = |Q_d \cap U| = \psi_U(d)$. Da $U$ zklisch ist, ist $\psi_U(d) = \varphi(d)$ wie oben gezeigt. \item [iii' $\Rightarrow$ iii] $n \overset{(*)}{=} \sum_{d \mid n} \psi_G(d) \overset{iii'}{\leq} \sum_{d \mid n} \varphi(d) \overset{(+)}{=}n \overset{iii'}{\Longrightarrow}$ in jedem $\psi_G(d) \leq \varphi(d)$ gilt "`$=$"'. \qedhere \end{description} \end{proof} \begin{lemma} Es sei $G$ eine Gruppe mit $|G| = n \geq 1$. Ist $|\{x \in G \colon x^d = e\}| \leq d$ für jedes $d \geq 1$ mit $d \mid n$, dann ist $G$ zyklisch. \end{lemma} \begin{proof} Folgt aus dem vorhergehenden Lemma. \end{proof} \begin{corollary} Jede endliche Untergruppe von $R^\times$ ist zyklisch, falls $R$ ein Integritätsring ist. Speziell: Für jeden endlichen Körper $K$ ist $K^\times$ zyklisch. \end{corollary} \begin{proof} Folgt aus obigem Lemma, denn: Betrachte die Untergruppe $G \subseteq R^\times$ mit $R$ Integritätsring. Es gilt $|G| = n \geq 1$. Ist $d \geq 1$ mit $d \mid n$, so ist $\{x \in G \colon x^d = 1\} \subseteq \{x \in R \colon f(x) = 0 \}$ für $f = X^d - 1$. Nun hat die rechte Menge nach dem ersten Korollar höchstens $d$ Elemente. \end{proof} \begin{remark} Jeder endliche Integritätsring ist schon ein Körper. \end{remark} \begin{proof} Sei $R$ ein Integritätsring, d.h. für alle $a \in R \setminus \{0\}$ ist die Abbildung $\mu_a \colon R \to R, b \mapsto ab$ injektiv, denn $ab = ab' \Leftrightarrow a(b-b') = 0 \Rightarrow b-b' = 0 \Leftrightarrow b = b'$. Ist $R$ endlich, so ist $\mu_a$ surjektiv, speziell gibt es $b \in R$ mit $\mu_a(b) = 1$, d.h. $ab = 1$, also $a \in R^\times$. Es folgt: $R$ ist ein Körper. \end{proof} \begin{definition} Ein {\em euklidischer Ring} ist ein Paar $(R, \delta)$ aus einem Integritätsring $R$ und einer Abbildung $\delta \colon R \setminus \{0\} \to \mathbb N$, so dass mit $\delta(0) = -1$ gilt: Zu $x,y \in R$ mit $y \neq 0$ gibt es $u,v \in R$ mit $x = uy + v$ und $\delta(v) < \delta(y)$. (enthält den Fall $v = 0$) \end{definition} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \item $(\mathbb Z, | \cdot |)$ ist ein euklidischer Ring. \item Ist $K$ ein Körper, dann ist $(K[X],\deg)$ ein euklidischer Ring, denn sind $f,g \in K[X]$ mit $g \neq 0$ und hat $g$ den Leitkoeffizienten $b \in K$, dann ist $b \neq 0$, also $b \in K^\times$, und $b^{-1}g$ ist unitär. Also $f = q (b^{-1}g) + r = (b^{-1}q)g + r$ mit $\deg(r) < \deg(b^{-1}g) = \deg(g)$. \end{enumerate} \end{example} \begin{definition} Es sei $R$ ein beliebiger Ring. Ein {\em R-Modul} ${}_RM$ ist eine (additive) abelsche Gruppe $M$ mit einer Abbildung $R \times M \to M, (r,x) \mapsto rx$, so dass für alle $r,s \in R$ und $x,y \in M$ gilt \[r(sx) = (rs)x \qquad 1x = x \qquad r(x+y) = rx + ry \qquad (r+s)x = rx + sx\] Ist $M'$ ein $R$-Modul, so heißt eine Abbildung $f \colon M \to M'$ ein {\em Modulhomomorphismus}, wenn für $r \in R$ und $x,y \in M$ gilt: \[f(x+y) = f(x) + f(y) \quad f(rx) = rf(x)\] Ein {\em Untermodul} eines $R$-Moduls $M$ ist eine Untergruppe $U$ von $(M,+,0)$ mit $rx \in U$ für alle $r \in R$ und $x \in U$. Für jedes $x \in M$ ist $Rx = \{rx \colon r \in R\}$ ein Untermodul von $M$. Für Untermoduln $U, V$ ist $U + V = \{x + y \colon x \in U, y \in V\}$ ein Untermodul. $U+V$ ist der kleinste Untermodul, der $U$ und $V$ umfasst. Speziell ist $Rx_1 + \dots + R_xn = \{r_1x_1 + \dots + r_nx_n \colon r_1, \dots, r_n \in R\}$ ein Untermodul von $M$ für $x_1,\dots,x_n \in M$. $\{0\}$ und $M$ sind Untermoduln von $M$, die {\em trivialen Untermoduln}. \end{definition} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \item Ist $R$ ein Körper, so sind die $R$-Moduln genau die $R$-Vektorräume, die Untermoduln sind genau die Untervektorräume und die Modulhomomorphismen sind genau die $R$-linearen Abbildungen. \item Jeder Ring $R$ wird durch $R \times R \to R, (r,x) \mapsto rx$ zu einem $R$-Modul. Seine Untermoduln heißen {\em Linksideale} von $R$. \item Jede abelsche Gruppe $G$ wird durch $\mathbb Z \times G \to G, (z,x) \mapsto zx$ zu einem $\mathbb Z$-Modul. Die Untermoduln sind genau die Untergruppen von $(G,+,0)$. \item Für jede Teilmenge $S$ eines $R$-Moduls $M$ ist die Menge $(S) = \{\sum_{i=1}^n r_ix_i \colon n \geq 1; r_1,\dots,r_n \in R, x_1,\dots,x_n \in S\}$ aller {\em Linearkombinationen} von Elementen aus $S$ ein Untermodul von $M$, der {\em von $S$ erzeugte Untermodul}. Ist $S \neq \varnothing$, so ist $(S) = \bigcap \{U \subseteq M \colon U\;\text{Untermodul}, S \subseteq U\}$ der kleinste Untermodul von $M$, der $S$ umfasst (Beweise wie für Gruppen). Speziell gilt $(x) = Rx$ und $(x_1,\dots,x_n) = Rx_1 + \dots + Rx_n$, $U+V = (U \cup V)$, allgemeiner $\sum_{i \in I}U_i = (\bigcup_{i\in I}U_i)$. \item Es sei $U$ ein Untermodul des $R$-Moduls $M$. Die Faktorgruppe $M/U$ wird durch $R \times M/U \to M/U, (r, \overline x) \mapsto \overline {rx}$ zu einem $R$-Modul, dem {\em Faktormodul} von $M$ modulo $U$. Das ist wohldefiniert, denn $\overline x = \overline y \Leftrightarrow x-y \in U \Rightarrow rx - ry \in U \Leftrightarrow \overline {rx} = \overline {ry}$. Die kanonische Abbildung $M \to M/U, x \mapsto \overline x$ ist ein Modulepimorphismus mit den analogen Eigenschaften wie bei Gruppen. Insbesondere gilt für jeden Modulhomomorphismus $f \colon M \to M'$, dass $M / \ker(f) \cong \im(f)$. Die Untermoduln von $M/U$ sind genau die $V/U$ mit $V$ Untermodul von $M$ mit $V \supseteq U$, wofür $(M/U)/(V/U) \cong M/V$. Für Untermoduln $U,W$ von $M$ gilt $(U+W)/U \cong W/(U\cap W)$. \end{enumerate} \end{example} \subsection{Kettenbedingungen} \begin{definition} Sei $R$ ein Ring. Ein $R$-Modul $M$ heißt {\em zyklisch}, wenn $M = (x)$ für ein $x \in M$, bzw. {\em endlich erzeugt}, wenn $M = (x_1,\dots,x_n)$ für geeignete $x_1,\dots,x_n \in M$. Im Allgemeinen sind die Untermoduln eines zyklischen Moduls nicht alle zyklisch. \end{definition} \begin{definition} Zyklische Ideale heißen auch {\em Hauptideale}. Sind alle Ideale eines Integritätsrings $R$ Hauptideale, so nennt man den $R$ einen {\em Hauptidealring (HIR)}. \end{definition} \begin{example} ${}_RR = (1)$ ist zyklisch für einen beliebigen Ring $R$, aber in $R = \mathbb Z[X]$ ist das Ideal $I = (2,X)$ nicht zyklisch, denn wäre $I = (f)$, d.h. $2 = g_1f$, $X = g_2f$, $f = 2h_1 + Xh_2$, so wäre $\deg(f) = 0$, $f = \pm 1$, $f(0) = 2 h_1(0)$, was unmöglich ist, da $f \in \{\pm 1\}$. Also ist $\mathbb Z[X]$ kein Hauptidealring. Jedoch ist $\mathbb Z$ ein Hauptidealring und $K[X]$ ist ein Hauptidealring, falls $K$ ein Körper ist, zum Beispiel $K = \mathbb Q$. \end{example} \begin{remark} Ist $(R,\delta)$ ein euklidischer Ring, so ist $R$ ein Hauptidealring. \end{remark} \begin{proof} Es sei $I$ ein Ideal von $R$ mit $I \neq \{0\}$. Es existiert $n_0 = \min \{\delta(a) \colon a \in I \setminus \{0\}\}$ und dazu $a_0 \in I \setminus \{0\}$ mit $\delta(a_0) = n_0$. Dafür ist $I = (a_0)$, denn "`$\supseteq$"' ist trivial und für "`$\subseteq$"': Es sei $x \in I$. Es gibt $y,z \in R$ mit $x = ya_0 + z$ und $\delta(z) < \delta(a_0) = n_0$, also $z = 0$, d.h. $x = ya_0 \in (a_0)$, oder $z \neq 0$, dann aber $z = x-ya_0 \in I$, was unmöglich ist. \end{proof} \begin{implication} $\mathbb Z$ und $K[X]$ mit $K$ Körper sind Hauptidealringe. Hingegen ist $\mathbb Z[X]$ kein Hauptidealring, da z.B. $(2,X)$ nicht zyklisch ist. \end{implication} \begin{definition} Es sei $R$ ein Ring. Ein $R$-Modul $M$ heißt {\em noethersch}, wenn jeder Untermodul von $M$ endlich erzeugt ist. Insbesondere ist $M$ selbst endlich erzeugt. Der Ring $R$ heißt {\em linksnoethersch}, wenn ${}_RR$ ein noetherscher $R$-Modul ist. Ist $R$ kommutativ, heißt $R$ auch {\em noethersch}. \end{definition} \begin{theorem} Es sei $R$ ein Ring. Für jeden $R$-Modul $M$ sind äquivalent: \begin{enumerate}[i)] \item $M$ ist noethersch. \item Jede Folge $U_0 \subseteq U_1 \subseteq U_2 \subseteq \dots$ von Untermoduln von $M$ wird {\em stationär}, d.h. es gibt $N \in \mathbb N$ mit $U_N = U_{N+1} = U_{N+2} = \dots$ \item Jede nichtleere Menge $\mathfrak U$ von Untermoduln von $M$ hat ein {\em maximales Element}, das ist ein $U \in \mathfrak U$ derart, dass für alle $V \in \mathfrak U$ gilt: aus $U \subseteq V$ folgt $U = V$. \end{enumerate} \end{theorem} \begin{proof} Wir verwenden: \begin{itemize} \item[ii')] Es gibt keine Folge $U_0 \subsetneq U_1 \subsetneq U_2 \subsetneq \dots$ von Untermoduln von $M$. \item[iii')] Hat eine Menge $\mathfrak U$ von Untermoduln von $M$ kein maximales Element, d.h. $\forall U \in \mathfrak U \exists V \in \mathfrak U \colon U \subsetneq V$, so ist $\mathfrak U = \varnothing$. \end{itemize} Klar ist ii) $\Leftrightarrow$ ii') und iii) $\Leftrightarrow$ iii'). \begin{description} \item[i $\Rightarrow$ ii] Der Untermodul (!) $U = \bigcup_{n\in\mathbb N}U_n$ ist nach i endlich erzeugt, etwa $U\! = (x_1,\dots,x_k)$. Mit $x_i \in U_{n_i}$ ($1 \leq i \leq k$) und $N = \max_{1 \leq i \leq k}n_i$ gilt $U \subseteq U_N$, d.h. $U_N = U_{N+1} = \dots$ \item[ii' $\Rightarrow$ iii'] Wäre $\mathfrak U \neq \varnothing$, etwa $U_0 \in \mathfrak U$, so gäbe es ein $U_1 \in \mathfrak U$ mit $U_0 \subsetneq U_1$. Zu $U_1 \in \mathfrak U$ gäbe es ein $U_2 \in \mathfrak U$ mit $U_1 \subsetneq U_2$ und so weiter. Wir erhielten eine Folge $U_0 \subsetneq U_1 \subsetneq U_2 \subsetneq \dots$, was nach ii') unmöglich ist. \item[iii $\Rightarrow$ i] Es sei $U$ ein Untermodul von $M$. Betrachte $\mathfrak U = \{V \subseteq U \colon \text{$V \subseteq M$ e.e. UM}\}$ (die endlich erzeugten Untermoduln). Wegen $\{0\} \in \mathfrak U$ hat $\mathfrak U$ nach iii) ein maximales Element $V_0$. In $V_0 \subseteq U$ gilt "`$=$"', denn ist $x \in U$, so ist $V_0 \subseteq V_0 + (x) \in \mathfrak U$, also $V_0 = V_0 + (x)$, d.h. $x \in V_0$. Also ist $U = V_0$ endlich erzeugt und somit $M$ noethersch.\qedhere \end{description} \end{proof} \begin{lemma} Es sei $U$ ein Untermodul des $R$-Moduls $M$. \begin{enumerate}[a)] \item Aus $M = (x_1,\dots,x_k)$ folgt $M/U = (\overline {x_1},\dots,\overline {x_k})$. \item Aus $U = (y_1,\dots,y_m)$ und $M/U = (\overline {z_1}, \dots, \overline {z_n})$ folgt $M = (y_1,\dots,y_m,z_1,\dots,z_n)$. \end{enumerate} \end{lemma} \begin{proof} a) \% b) $x \in M \Rightarrow \overline x = \sum_{i=1}^n r_i \overline{z_i} = \sum \overline {r_iz_i} = \overline {\sum r_i z_i} \Leftrightarrow x - \sum r_iz_i \in U \Rightarrow x - \sum_{i=1}^n r_iz_i = \sum_{j=1}^m s_jy_j \Leftrightarrow x = \sum_{i=1}^n r_iz_i + \sum_{j=1}^m s_jy_j$. \end{proof} \begin{theorem} Für Untermoduln $A,B$ eines $R$-Moduls $M$ gilt: \begin{enumerate}[a)] \item $M$ noethersch $\Longleftrightarrow$ $A$ noethersch und $M/A$ noethersch \item $A$ und $B$ noethersch $\Longrightarrow$ $A+B$ noethersch \end{enumerate} \end{theorem} \begin{proof} b) folgt aus a), denn sei $B$ noethersch und $(A+B)/B \cong A/(A \cap B)$ noethersch als Faktormodul des noetherschen Moduls $A$, dann folgt mit a), dass $A+B$ noethersch. zu a): "`$\Rightarrow$"' $A$ ist noethersch, denn jeder Untermodul von $A$ ist Untermodul von $M$. $M/A$ ist noethersch, denn jeder Untermodul von $M/A$ ist von der Form $U/A$ für einen Untermodul $U$ von $M$ mit $U \supseteq A$ (verwende Lemma a). "`$\Leftarrow$"': Ist $U$ ein Untermodul von $M$, so ist $U \cap A$ endlich erzeugt ($A$ ist noethersch) und $U/(U \cap A) \cong (U+A)/A$ endlich erzeugt ($M/A$ noethersch), also $U$ endlich erzeugt (Lemma b). \end{proof} \begin{implication} ${}_RR$ noethersch und ${}_RM$ endlich erzeugt $\Longrightarrow$ ${}_RM$ noethersch. \end{implication} \begin{proof} Es sei $M = Rx_1 + \dots + Rx_n$. Für $1 \leq i \leq n$ ist $f \colon R \to Rx_i, r \mapsto rx_i$ ein Modulepimorphismus, also $R/\ker(f) \cong Rx_i$ und damit $Rx_i$ noethersch ($R$ noethersch $\overset{\text{Satz a)}}{\Longrightarrow}$ $R/\ker(f)$ noethersch). Es folgt $M = Rx_1 + \dots + Rx_n$ noethersch (Satz b, Induktion nach $n$). \end{proof} \begin{theorem} Für jeden Ring $R$ und jedes $k \geq 1$ sind äquivalent: \begin{enumerate}[i)] \item Jedes Linksideal von $R$ wird von $k$ Elementen erzeugt. \item Wird ein $R$-Modul $M$ von $m$ Elementen erzeugt, so wird jeder Untermodul $U$ von $M$ von $km$ Elementen erzeugt. \end{enumerate} \end{theorem} \begin{proof} \begin{description} \item[ii $\Rightarrow$ i] $M = R \Rightarrow m = 1 \Rightarrow km = k$. \item[i $\Rightarrow$ ii] Induktion nach $m$. $m = 1$: $M = Rx$, also $M \cong R/\ker(f)$ mit $f \colon R \to Rx, r \mapsto rx$ (verwende Lemma a). $m > 1$: Ist $M = (x_1,\dots,x_m)$, so setze $V = (x_1,\dots,x_{m-1})$. Dann $M/V = (\overline {x_m})$. Nach Fall $m = 1$ wird $U/(U \cap V) \cong (U+V)/V$ als Untermodul von $M/V$ von $k \cdot 1 = k$ Elementen erzeugt. Nach Induktionsvoraussetzung wird $U \cap V \subseteq V$ von $k(m-1)$ Elementen erzeugt. mit Lemma b) wird $U$ von $k+k(m-1) = km$ Elementen erzeugt \qedhere \end{description} \end{proof} \begin{example} Ist $R$ ein Hauptidealring, dann $k = 1$, also $km = m$. Ist $R = \mathbb Z$: $G$ ist eine abelsche Gruppe, durch $m$ Elemente erzeugt $\Rightarrow$ jede Untergruppe von $G$ wird durch $m$ Elemente erzeugt. \end{example} \begin{theorem}[Hilbertscher Basissatz] Es sei $R$ ein kommutativer Ring. Ist $R$ noethersch, so ist $R[X]$ noethersch. \end{theorem} \begin{proof} Für $f \in \sum_{i=0}^n a_i X^i \in R[X]$ bezeichnen wir mit $l(f)$ den Leitkoeffizienten $a_n$ von $f$ ($a_n \neq 0$). Es sei $J$ ein Ideal von $R[X]$. Für $n \geq 0$ ist $I_n = \{l(f) \colon f \in J \wedge \deg(f) \leq n\}$ ein Ideal von $R$ (!). Es gilt $J \cap R = I_0 \subseteq I_1 \subseteq I_2 \subseteq \dots$, speziell ist $I = \bigcup_{n\geq 0}I_n$ ein Ideal von $R$ (!). Nach Voraussetzung ist $I$ endlich erzeugt und jedes $I_n$ ist endlich erzeugt. Nehme $F \subseteq J$ mit $F$ endlich und $I = (\{l(f) \colon f \in F\})$. Setze $N = \max\{\deg(f) \colon f \in F\}$. Für $0 \leq n \leq N-1$ nehme $F_n \subseteq J$ mit $F_n$ endlich und $I_n = (\{l(f) \colon f \in F_n\})$, sowie $\deg(f) \leq n$ für alle $f \in F_n$. Wir zeigen im folgenden: $J = \big(F \cup \bigcup_{n=0}^{N-1}F_n\big)$. Darin ist "`$\supseteq$"' klar wegen $F \subseteq J$, $F_n \subseteq J$. Zu "`$\subseteq$"' Für $h \in J$ zeigen wir $h \in \big(F \cup \bigcup_{n=0}^{N-1}F_n\big)$ durch Induktion nach $n = \deg(h)$. Für $n \geq N$: $l(h) = \sum_{f \in F}r_f l(f)$, also $\deg\big(h - \sum_{f \in F}r_fX^{n-\deg(f)}f\big) < n$. Für $0 \leq n \leq N-1$: $l(h) = \sum_{f \in F_n}r_fl(f)$, also $\deg\big(h - \sum_{f \in F_n}r_f X^{n-\deg(f)}f\big) < n$. Für $n < 0$: $h = 0$. \end{proof} \begin{definition} Es sei $R$ ein kommutativer Ring. Für $n \in \mathbb N$ definiert man rekursiv den Polynomring $R[X_1,\dots,X_n]$ in $n$ Unbestimmten $X_1,\dots,X_n$ wie folgt: Für $n=0$: $R[\,,\,] = R$ und für $n > 0$: $R[X_1,\dots,X_{n-1}][X]$, $X_n = X$. Zum Beispiel $R[X_1,X_2] = R[X_1][X_2]$. \end{definition} \begin{corollary} Ist $R$ kommutativ und noethersch, dann ist $R[X_1,\dots,X_n]$ kommutativ und noethersch. ($n \in \mathbb N$). Speziell: Ist $K$ ein Körper, dann ist $K[X_1,\dots,X_n]$ noethersch. \end{corollary} \begin{definition} Eine Relation $\leq$ zwischen den Elementen einer Menge $\Omega$ heißt {\em partielle Ordnung}, wenn für alle $\alpha,\beta,\gamma \in \Omega$ gilt: \begin{enumerate}[1)] \item $\alpha \leq \alpha$ (Reflexivität) \item $\alpha \leq \beta \wedge \beta \leq \gamma \Longrightarrow \alpha \leq \gamma$ (Transitivität) \item $\alpha \leq \beta \wedge \beta \leq \alpha \Longrightarrow \alpha = \beta$ (Antisymmetrie) \end{enumerate} Eine partielle Ordnung heißt {\em totale Ordnung}, wenn zusätzlich gilt: \begin{enumerate}[1)] \setcounter{enumi}{3} \item Für $\alpha,\beta \in \Omega$ ist $\alpha \leq \beta$ oder $\beta \leq \alpha$. \end{enumerate} \end{definition} \begin{example} Auf $\Omega \subseteq \mathcal P(S)$ ist $\subseteq$ eine partielle Ordnung ($S$ Menge). \end{example} \begin{definition} Sei $(\Omega,\leq)$ eine partiell geordnete Menge. Eine {\em Kette} in $\Omega$ ist eine total geordnete Teilmenge $T \subseteq \Omega$ mit $T \neq \varnothing$. Man nennt $\Omega$ {\em induktiv geordnet}, wenn $\Omega \neq \varnothing$ und jede Kette $T$ in $\Omega$ eine {\em obere Schranke} in $\Omega$ hat, das ist ein $y \in \Omega$ mit $x \leq y$ für alle $x \in T$. Ein $x \in \Omega$ heißt {\em maximales Element} von $\Omega$, wenn für alle $y \in \Omega$ aus $x \leq y$ schon $x = y$ folgt. Ein {\em größtes Element} von $\Omega$ ist ein $z \in \Omega$ mit $x \leq z$ für alle $x \in \Omega$. Jedes größte Element ist maximal, aber im allgemeinen nicht umgekehrt, zum Beispiel hat $\mathcal P(\{1,2\})\setminus \{1,2\}$ mit $\subseteq$ zwei maximale Elemente, nämlich $\{1\},\{2\}$, aber kein größtes Element. \end{definition} \begin{zorn} Jede induktiv geordnete Menge $\Omega$ hat ein maximales Element. Dies ist ein Äquivalent des Auswahlaxioms der Mengenlehre. \end{zorn} \begin{definition} Revision: Eine Gruppe $G$ heißt {\em $p$-Gruppe}, wenn es zu jedem $x \in G$ ein $k \geq 1$ gibt mit $\ord(x) = p^k$. Dabei ist $p$ eine Primzahl. \end{definition} \begin{theoremzl} Jede $p$-Untergruppe $H$ einer beliebigen Gruppe $G$ liegt in einer maximalen $p$-Untergruppe von $G$. \end{theoremzl} \begin{proof} $\Omega = \{U \subseteq G \colon U\;\text{$p$-Untergruppe von $G$ mit $U \supseteq H$}\}$ mit $\subseteq$ ist induktiv geordnet, denn wegen $H \in \Omega$ ist $\Omega \neq \varnothing$, und für jede Kette $T$ in $\Omega$ gehört $V = \bigcup T$ zu $\Omega$ (!), dieses $V$ ist natürlich eine obere Schranke von $T$. Zu (!): a) $V$ ist eine Untergruppe von $G$, denn: wegen $T \neq \varnothing$, etwa $U \in T$, ist $e \in U$ und damit $e \in V$. Für $x,y \in V$, etwa $x \in U \in T$, $y \in W \in T$, so sind $U,W$ vergleichbar (da $T$ Kette), etwa $U \subseteq W$, also $x,y \in W$ und damit $xy \in W$, also $xy \in V$. Für $x \in V$, etwa $x \in U \in T$, ist $x^{-1} \in U$, also $x^{-1} \in V$. b) $V$ ist eine $p$-Gruppe: für $x \in V$, etwa $x \in U \in T$, ist $U \in \Omega$, also $U$ eine $p$-Gruppe und damit $\ord(x) = p^k$ für ein $k \geq 1$. c) $V \supseteq H$, denn mit $T \neq \varnothing$, etwa $U \in T$, ist $V \supseteq U \supseteq H$. Nach dem Zornschen Lemma hat $\Omega$ ein maximales Element, dies ist eine maximale $p$-Untergruppe von $G$, die $H$ umfasst. \end{proof} \begin{definition} Es sei $M$ ein $R$-Modul. Eine Teilmenge $S$ von $M$ heißt {\em linear unabhängig}, wenn für paarweise verschiedene $s_1,\dots,s_n \in S$ gilt: Sind $r_1,\dots,r_n \in R$ mit $\sum_{i=1}^n r_is_i = 0$, so gilt $r_1 = r_2 = \dots = r_n = 0$, dabei $n \in \mathbb N$. Zum Beispiel ist $\varnothing$ linear unabhängig, da nur $n = 0$ möglich ist. Eine {\em Basis} von $M$ ist ein linear unabhängiges $S \subseteq M$ mit $(S) = M$. Hat $M$ eine Basis, so heißt $M$ ein {\em freier $R$-Modul}. \end{definition} \begin{example} Es sei $R$ ein Ring $\neq \{0\}$. \begin{enumerate}[1)] \item $M = R^n$ ist ein freier $R$-Modul mit Basis $\{e_1,\dots,e_n\}$ mit $e_i = (0,\dots,0,1,0,\dots,0)$. \item $R[X]$ ist ein freier $R$-Modul mit Basis $\{1,X,X^2,X^3,\dots\}$. \item Ist $R$ kommutativ, $g \in R[X]$ unitär und $\deg(g) = n \geq 0$, dann ist $R[X]/(g)$ ein freier $R$-Modul mit Basis $\{\overline 1, \overline X, \overline X^2,\dots, \overline X^{n-1}\}$. \end{enumerate} \end{example} \begin{theoremzl} Jede linear unabhängige Teilmenge $S$ eines $R$-Moduls $M$ liegt in einer maximalen linear unabhängigen Teilmenge von $M$. \end{theoremzl} \begin{proof} $\Omega = \{U \subseteq M \colon U\,\text{linear unabhängig}, U \supseteq S\}$ mit $\subseteq$ ist induktiv geordnet, denn wegen $S \in \Omega$ ist $\Omega \neq \varnothing$, und für jede Kette $T$ in $\Omega$ gehört $\bigcup T$ zu $\Omega$ (!) und ist obere Schranke von $T$. Gemäß ZL hat $\Omega$ ein maximales Element $U_0$, das heißt eine maximale linear unabhängige Teilmenge von $M$ mit $U_0 \supseteq S$. Noch zu (!): $\bigcup T$ ist linear unabhängig, denn ist $\sum_{i=1}^n r_ix_i = 0$ mit $r_1,\dots,r_n \in R$ und $x_1,\dots,x_n \in \bigcup T$ paarweise verschieden, also $x_i \in U_i \in T$ für $1 \leq i \leq n$, so gibt es $i_0 \in \{1,\dots,n\}$ mit $U_i \subseteq U_{i_0}$ für $1 \leq i \leq n$, also $x_1,\dots,x_n \in U_{i_0}$, woraus $r_1 = r_2 = \dots = r_n$ folgt, da $U_{i_0}$ linear unabhängig ist. Und es gilt $\bigcup T \supseteq S$ [wie bei $p$-Untergruppen, Satz vorher]. \end{proof} \begin{corollaryzl} Sei $K$ ein Körper. Jeder $K$-Vektorraum hat eine Basis. \end{corollaryzl} \begin{proof} Nach Satz hat $V$ eine maximale linear unabhängige Teilmenge $T$ (mit $T \supseteq \varnothing$). Dafür gilt $(T) = V$, denn: Wäre $(T) \neq V$, etwa $x \in V \setminus (T)$, so wäre $T \sqcup \{x\}$ linear unabhängig [aus $\sum_{i=1}^n r_ix_i + rx = 0$ mit $r_1,\dots,r_n,r \in K$ und $x_1,\dots,x_n \in T$ folgt $r = 0$, denn für $r \neq 0$ wäre $x = -r^{-1}\sum_{i=1}^nr_ix_i \in (T)$, was unmöglich ist, und dann $\sum_{i=1}^n r_ix_i = 0$, also $r_1,\dots,r_n = 0$], aber $T$ ist eine maximale linear unabhängige Teilmenge, also $T = T \sqcup \{x\}$, was wegen $x \not\in T$ unmöglich ist. \end{proof} \begin{definition} Ein {\em maximaler Untermodul} eines $R$-Moduls $M$ ist ein Untermodul $U$ von $M$ mit $U \neq M$, so dass für alle Untermoduln $V$ von $M$ mit $V \neq M$ gilt: aus $U \subseteq V$ folgt $U = V$. \end{definition} \begin{theoremzl} Ist der $R$-Modul $M$ endlich erzeugt, so liegt jeder Untermodul $H$ von $M$ mit mit $H \neq M$ in einem maximalen Untermodul von $M$. \end{theoremzl} \begin{proof} $\Omega = \{U \subseteq M \colon U\,\text{Untermodul},H \subseteq U \neq M\}$ mit $\subseteq$ ist induktiv geordnet, denn wegen $H \in \Omega$ ist $\Omega \neq \varnothing$, und für jede Kette $T$ in $\Omega$ gehört $\bigcup T$ zu $\Omega$ (!) und ist obere Schranke von $T$. Gemäß ZL hat $\Omega$ ein maximales Element $U_0$, das ist ein maximaler Untermodul von $M$ mit $U_0 \supseteq H$. Noch zu (!): Da $T$ eine Kette ist, gilt wie für die $p$-Untergruppen (vorvoriger Satz): $\bigcup T$ ist ein Untermodul mit $\bigcup T \supseteq H$. Zu zeigen bleibt: $\bigcup T \neq M$. Dazu sei $M = (x_1,\dots,x_n)$. Wäre $\bigcup T = M$, das heißt $x_1,\dots,x_n \in \bigcup T$, etwa $x_i \in U_i \in T$ für $1 \leq i \leq n$, so gäbe es --- da $T$ eine Kette ist --- ein $i_0 \in \{1,\dots,n\}$ mit $U_i \subseteq U_{i_0}$ für $1 \leq i \leq n$, also $x_1,\dots,x_n \in U_{i_0}$ und damit $U_{i_0} = M$, was wegen $U_{i_0} \in \Omega$ unmöglich ist. \end{proof} \begin{remark} ZL ist unnötig, wenn ${}_RM$ noethersch ist, zum Beispiel wenn $M$ endlich erzeugt und ${}_RR$ noethersch ist. \end{remark} \begin{definition} Sei $R$ ein kommutativer Ring. Einen maximalen Untermodul von $R$ nennt man auch {\em maximales Ideal} von $R$, das ist ein Ideal $I$ von $R$ mit $I \neq R$, so dass für alle Ideale $J$ von $R$ gilt: aus $I \subsetneq J$ folgt $J = R$. \end{definition} \begin{corollaryzl} Jedes Ideal $\neq R$ eines kommutativen Ringes $R$ liegt in einem maximalen Ideal von $R$. [$R$ ist endlich erzeugt, etwa $R = (1)$] Speziell: Jeder kommutative Ring $R$ mit $1 \neq 0$ hat ein maximales Ideal. [nach Korollar für Ideal $(0)$ und $1 \neq 0 \Leftrightarrow (0) \neq R$] \end{corollaryzl} \begin{remark} Falls $R$ noethersch ist, so ist ZL nicht erforderlich. \end{remark} \begin{definition} Ein Ideal $P$ eines kommutativen Rings $R$ heißt {\em Primideal}, wenn $P \neq R$ ist und wenn für alle $a,b \in R$ gilt: aus $ab \in P$ folgt $a \in P$ oder $b \in P$. \end{definition} \begin{theorem} Es sei $I$ ein Ideal des kommutativen Rings $R$. \begin{enumerate}[a)] \item $I$ ist ein maximales Ideal von $R$ genau dann, wenn $R/I$ ein Körper ist. \item $I$ ist ein Primideal von $R$ genau dann, wenn $R/I$ ein Integritätsring ist. \end{enumerate} \end{theorem} \begin{proof} $I \neq R \Leftrightarrow 1 \not\in I \Leftrightarrow \overline 1 \neq \overline 0$ in $R/I$. \begin{enumerate}[a)] \item \begin{description} \item["`$\Rightarrow$"'] Ist $r \in R$ mit $\overline r \neq \overline 0$ in $R/I$, d.h. $r \not\in I$, so ist $I \subsetneq I + (r)$, also nach Voraussetzung $I + (r) = R$, d.h. $1 = x + rs$ mit $x \in I$, $s \in R$, wofür $\overline 1 = \overline x + \overline {rs} = \overline 0 + \overline {rs} = \overline r\,\overline s$ in $R/I$, also $\overline r \in (R/I)^\times$. \item["`$\Leftarrow$"'] Ist $J$ ein Ideal von $R$ mit $I \subsetneq J$, etwa $y \in J \setminus I$, so ist $\overline y \neq \overline 0$ in $R/I$, also nach Voraussetzung $\overline y \in (R/I)^\times$, etwa $\overline 1 = \overline y\,\overline z$ für einen $z \in R$, wofür $1 - yz \in I \subseteq J$, also $1 \in J$, d.h. $J = R$. \end{description} \item $\forall a,b \in R \colon (ab \in I \Rightarrow a \in I \vee b \in I)$ ist äquivalent zu $\forall a,b \in R (\overline a\,\overline b = 0 \Rightarrow \overline a = 0 \vee \overline b = 0)$ in $R/I$. \qedhere \end{enumerate} \end{proof} \begin{corollary} Jedes maximale Ideal ist ein Primideal. \end{corollary} \begin{remark} Ein kommutativer Ring ist genau dann ein Integritätsring, wenn $(0)$ ein Primideal ist. \end{remark} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \item Die Primideale von $\mathbb Z$ sind $(0)$ und alle $(p)$ mit $p$ Primzahl. \item Für jeden kommutativen Ring $R$ und $r \in R$ ist $(X-r)$ genau dann ein Primideal bzw. ein maximales Ideal von $R[X]$, wenn $R$ ein Integritätsring bzw. ein Körper ist. \end{enumerate} \end{example} \begin{proof}\ \begin{enumerate}[1)] \item $\mathbb Z$ Integritätsring $\Longrightarrow$ $(0)$ Primideal. Ist $p$ eine Primzahl und $(p) \subsetneq (n)$ mit $n \geq 1$, so ist $n \mid p$, also $n = 1$, d.h. $(n) = \mathbb Z$, oder $n = p$, was unmöglich ist. Es ergibt sich sogar: $(p)$ ist ein maximales Ideal. \item Die Auswertungsabbildung $\varepsilon_r \colon R[X] \to R, f \mapsto f(r)$ ist ein surjektiver Ringhomomorphismus mit $\ker(\varepsilon_r) = (X-r)$ [Division mit Rest], also $R[X]/(X-r) \cong R$. Andersherum: Ist $(n)$ ein Primideal $\neq (0)$, so ist $n$ eine Primzahl, denn: o.B.d.A. ist $n \geq 2$. Aus $k \mid n$ mit $k \geq 1$, also $kl = n$ folgt --- da $(n)$ ein Primideal ist ---, dass $k \in (n)$ oder $l \in (n)$. Fall $k \in (n)$: Hier ist $k = k'n$, also $k'l = 1$, d.h. $k' = l = 1$, also $k = n$. Fall $l \in (n)$: Hier ist $l = l'n$, also $kl' = 1$, d.h. $k = l' = 1$, speziell $k = 1$. \qedhere \end{enumerate} \end{proof} \begin{remark} Es seien $P,Q$ Primideale und $I$ ein beliebiges Ideal des kommutativen Rings $R$. Sind $Q$, $I$ Hauptideale und gilt $P \subsetneq Q \subsetneq I$, so ist $I = R$. \end{remark} \begin{proof} Mit $Q=(a)$, $I=(b)$ ist $a \in I$, d.h. $a = bx$ und $b \not\in Q$, also $x \in Q$, d.h. $x = ay$. Es folgt $a(1-by) = 0 \in P$, und mit $a \not\in P$ ist $1-by \in P \subseteq I$, woraus $1 \in I$ folgt, da $b \in I$. \end{proof} \begin{implication} In einem Hauptidealring ist jedes Primideal ungleich $0$ bereits ein maximales Ideal. \end{implication} \begin{proof} Ist $(0) \subsetneq Q \subsetneq I$ mit $Q$ Primideal, so ist $I=R$ nach Bemerkung, also $Q$ maximales Ideal. \end{proof} \begin{implication} Ist $R$ ein Integritätsring, so ist kein Ideal $I$ von $R[X]$ mit $(X) \subsetneq I \subsetneq R[X]$ ein Hauptideal. \end{implication} \begin{proof} $(0)$ und nach Beispiel 2 ist auch $(X)$ ein Primideal. Wende die Bemerkung an auf $(0) \subsetneq (X) \subsetneq I \subsetneq R[X]$. \end{proof} \begin{definition} Sind $M$, $N$ $R$-Moduln, $R$ ein Ring, so wird $M \times N = \{(x,y) \colon x \in M, y \in N\}$ zu einem $R$-Modul, wenn man $(x,y) + (x',y') = (x+x',y+y')$ und $r(x,y) = (rx,ry)$ definiert, sowie $0 = (0,0)$ setzt. Man nennt dies das {\em direkte Produkt von Moduln}. \end{definition} \subsubsection{Exkurs: Noethersche Induktion} \begin{definition} Es sei $\Gamma$ eine Menge von Untermoduln eines $R$-Moduls $M$, wobei $R$ ein Ring ist. Eine Teilmenge $A$ von $\Gamma$ heißt {\em hereditär} (oft auch {\em progressiv}), wenn für jedes $U \in \Gamma$ gilt: Ist $V \in A$ für jedes $V \in \Gamma$ mit $U \subsetneq V$, so ist $U \in A$. \end{definition} \begin{theorem} Für jede Menge $\Gamma$ wie oben sind äquivalent: \begin{enumerate}[i)] \item {\em Aufsteigende Kettenbedingung} für $\Gamma$: Jede aufsteigende Folge $U_0 \subseteq U_1 \subseteq U_2 \subseteq \dots$ von Elementen von $\Gamma$ wird stationär. \item Jedes $B \subseteq \Gamma$ mit $B \neq \varnothing$ hat ein maximales Element. \item {\em Noethersche Induktion (NI)} für $\Gamma$: Für jedes hereditäre $A \subseteq \Gamma$ ist $A = \Gamma$. \end{enumerate} \end{theorem} \begin{proof} \begin{description} \item [i) $\Leftrightarrow$ ii)] wie für $\Gamma = \{\text{alle Untermoduln von $M$}\}$. \item [ii) $\Leftrightarrow$ iii)] Für $\Gamma = A \sqcup B$ gilt: $A = \Gamma \Leftrightarrow B = \varnothing$. Dann ist $A$ hereditär genau dann, wenn $B$ kein maximales Element hat. Verwende ii'): Hat $B \subseteq \Gamma$ kein maximales Element, so ist $B = \varnothing$.\qedhere \end{description} \end{proof} \begin{corollary} In einem {\em noetherschen} $R$-Modul $M$ gilt $NI$ für {\em jede} Menge $\Gamma$ von Untermoduln von $M$. \end{corollary} \subsection{Faktorielle Ringe} \begin{definition} Zu jedem Integritätsring $R$ konstruiert man den {\em Quotientenkörper} $Q(R) = K$ wie folgt: Mit $S = R \setminus \{0\}$ wird auf $R \times S$ durch $(x,s) \sim (y,t) \Leftrightarrow xt = ys$ eine Äquivalenzrelation definiert (!). Schreibt man $\frac{x}{s}$ für die Äquivalenzklasse von $(x,s)$ bezüglich $\sim$, und $K$ für die Menge $(R \times S)/{\sim}$ aller Äquivalenzklassen von $\sim$, so sind \begin{align*} + &\colon K \times K \to K, \frac{x}{s} + \frac{y}{t} = \frac{xt+ys}{st}\\ \bullet\, &\colon K \times K \to K, \frac{x}{s} \bullet \frac{y}{t} = \frac{xy}{st} \end{align*} wohldefiniert (!) und machen $K$ zu einem kommutativen Ring mit Eins $\frac{1}{1}$ und Null $\frac{0}{1}$. Wegen $1 \neq 0$ in $R$ ist $1 \neq 0$ in $K$, d.h. $\frac{1}{1} \neq \frac{0}{1}$ [$(1,1) \not\sim (0,1)$, weil $1 \cdot 1 \neq 0 \cdot 1$, wegen $1 \neq 0$ in $R$.] Es ist $\frac{x}{s} = \frac{y}{t} \Leftrightarrow xt = ys$, speziell $\frac{x}{s} = 0 \Leftrightarrow x = 0$. Für $\frac{x}{s} \in K$ mit $\frac{x}{s} \neq 0$, d.h. $x \neq 0$, d.h. $x \in S$ ist $\frac{x}{s} \cdot \frac{s}{x} = 1$, also $\frac{x}{s} \in K^\times$ mit $\big(\frac{x}{s}\big)^{-1} = \frac{s}{x}$. Insgesamt: $K$ ist ein Körper. Ferner ist $R \to K, x \mapsto \frac{x}{1}$ ein injektiver Ringhomomorphismus. Identifiziert man jedes $x \in R$ mit $\frac{x}{1} \in K$, so wird $R$ zu einem Unterring von $K$. \end{definition} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \item $Q(\mathbb Z) = \mathbb Q$ \item Für jeden Körper $k$ heißt $k(X) = Q(k[X])$ der {\em Körper der rationalen Funktionen} in der {\em Variablen} $X$ mit {\em Koeffizienten} aus $k$. \end{enumerate} \end{example} \begin{definition} Wieder sei $R$ ein Integritätsring. Man sagt, dass $x \in R$ ein {\em Teiler} von $y \in R$ (oder $y$ ein {\em Vielfaches} von $x$) ist, in Zeichen $x \mid y$, wenn es ein $z \in R$ gibt mit $xz = y$. Gilt $x \mid y$ und $y \mid x$, d.h. es gibt $z \in R^\times$ mit $xz = y$, so heißen $x$ und $y$ {\em assoziiert}, in Zeichen $x \sim y$. Es gilt: $x \mid y \Leftrightarrow (x) \supseteq (y)$ und $x \sim y \Leftrightarrow (x) = (y)$. Ein $x \in R$ mit $x \neq 0$ und $x \not\in R^\times$ heißt \begin{itemize} \item {\em Primelement} von $R$, wenn für alle $a,b \in R$ aus $x \mid ab$ folgt $x \mid a$ oder $x \mid b$. \item {\em irreduzibel} in $R$, wenn für alle $a,b \in R$ aus $x = ab$ folgt $a \in R^\times$ oder $b \in R^\times$ (also $x \sim b$ bzw. $x \sim a$). \end{itemize} \end{definition} \begin{remark} Jedes Primelement ist irreduzibel. \end{remark} \begin{proof} $x \in R$, $0 \neq x \not\in R^\times$, $x$ Primelement, $x = ab$, so ist $x \mid ab$, also $x \mid a$ oder $x \mid b$, d.h. $xc = a$ bzw. $xd = b$, also $x = xcb$ bzw. $x = xda$ und damit $1 = cb$ bzw. $1 = da$, d.h. $b \in R^\times$ bzw. $a \in R^\times$. \end{proof} \begin{remark} Für jedes $x \in R$ gilt \begin{enumerate}[a)] \item $x$ Primelement $\Leftrightarrow$ $(x) \neq (0)$ $\wedge$ $(x)$ ist ein Primideal. \item $x$ irreduzibel $\Longleftrightarrow$ $(x) \neq (0)$ und $(x)$ ist maximal unter den Hauptidealen $\neq R$, d.h. $(x) \neq R$ und für $a \in R$ gilt, dass aus $(x) \subsetneq (a)$ folgt $(a) = R$. \end{enumerate} \end{remark} \begin{implication} Ist $R$ ein Hauptidealring, so ist jedes irreduzible Element von $R$ schon ein Primelement. [Nach Bemerkung b) ist $(x)$ schon ein maximales Ideal] \end{implication} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \setcounter{enumi}{-1} \item Die Primelemente von $\mathbb Z$ sind genau die Primzahlen $p$ und deren Negative $-p$. \item Für jeden Körper $k$ ist $R = \{\sum_{i=0}^n a_iX^i \in k[X] \colon a_1 = 0\}$ ein Unterring von $k[X]$. Speziell ist $R$ ein Integritätsring und $R^\times = k^\times$. Wegen $\deg(f) \neq 1$ für alle $f \in R$ sind $X^2, X^3$ in $R$ zwar irreduzibel, jedoch keine Primelemente. [zu $X^2,X^3$ irreduzibel: aus $fg = X^2$ bzw. $=X^3$ folgt $\deg(f) + \deg(g) = 2$ bzw. $=3$. Zu $X^2,X^3$ Primelement: $X^2 \mid X^3X^3$ mit $X^2 \nmid X^3$. $X^3 \mid X^2X^4$ mit $X^3 \nmid X^2$, $X^3 \nmid X^4$]. Insbesondere ist $R$ kein Hauptidealring. \item $R = \{x + \sqrt{-5}y \in \mathbb C \colon x,y \in \mathbb Z \}$ ist ein Unterring von $\mathbb C$, speziell ist $R$ ein Integritätsring. Für die "`{\em Norm}"' $N \colon R \to \mathbb N, x + \sqrt{-5}y \mapsto x^2 + 5y^2$ gilt $N(uv) = N(u)N(v)$ und $N(1) = 1$. Genauer gilt: $N(z) = |z|^2$ für $z \in R$. Für $z \in R$ folgt: $z \in R^\times \Leftrightarrow N(z) = 1 \Leftrightarrow z = \pm 1$. Mit $N(z) \not\in \{2,3\}$ für alle $z \in R$ folgt, dass $2,3,1 \pm \sqrt{-5} \in R$ mit den Normen $4, 9, 6$ in $R$ zwar irreduzibel, jedoch keine Primelemente sind: $2 \cdot 3 = 6 = (1 + \sqrt{-5})(1-\sqrt{-5})$. Dieser Ring wird auch mit $\mathbb Z[-5]$ bezeichnet. \end{enumerate} \end{example} \begin{remark} Es sei $R$ ein Integritätsring, $x,y \in R \setminus (\{0\} \cup R^\times)$ mit $x \sim y$: \begin{enumerate}[a)] \item $x \left\{\begin{matrix}\text{irreduzibel} \\ \text{Primelement}\end{matrix}\right\} \Longleftrightarrow y \left\{\begin{matrix}\text{irreduzibel} \\ \text{Primelement}\end{matrix}\right\}$ \item $x$ ist Produkt von $\left\{\begin{matrix}\text{irreduz. Elem.} \\ \text{Primelementen}\end{matrix}\right\}$ $\Longleftrightarrow$ $y$ ist Produkt von $\left\{\begin{matrix}\text{irreduz. Elem.} \\ \text{Primelementen}\end{matrix}\right\}$. \end{enumerate} \end{remark} \setcounter{lemma*}{0} \begin{lemma*} Genügt ein Integritätsring $R$ der aufsteigenden Kettenbedingung für Hauptideale, so ist jedes $x \in R \setminus ( \{0\} \cup R^\times)$ Produkt von irreduziblen Elementen. \end{lemma*} \begin{proof} Mit noetherscher Induktion (NI) für $\Gamma = \{(x) \colon x \in R \setminus (\{0\} \cup R^\times)\}$. Zu zeigen: $A = \Gamma$ für $A = \{(x) \in \Gamma \colon x\;\text{Produkt von irreduziblen Elementen}\}$. Gemäß NI reicht es zu zeigen, dass $A$ hereditär ist. Dazu sei $(x) \in \Gamma$, so dass $J \in A$ für alle $J \in \Gamma$ mit $J \supsetneq (x)$. Zu zeigen: $(x) \in A$. Fall 1: $x$ ist irreduzibel. Dann $(x) \in A$. Fall 2: $x$ ist reduzibel, d.h. $x = ab$ mit $a,b \in R \setminus R^\times$, sogar $a,b \neq 0$. Dann: $(x) \subsetneq (a)$ und $(x) \subsetneq (b)$, da $a,b \not\in R^\times$, also $(a),(b) \in A$ (Induktion) und damit $(x) = (ab) \in A$. \end{proof} \begin{implication} In einem noetherschen Integritätsring $R$ ist jedes $x \in R \setminus (\{0\} \cup R^\times)$ Produkt von irreduziblen Elementen. \end{implication} \begin{remark} Ist $R$ ein Integritätsring, $p \in R \setminus R^\times$ und $q \in R$ irreduzibel, so folgt $p \sim q$ schon aus $p \mid q$. [$pr = q \overset{q\;\text{irred.}}{\Longrightarrow}$ $r \in R^\times$ oder $p \in R^\times$] \end{remark} \begin{lemma*} Es sei $R$ ein Integritätsring und $x \in R$. Hat $x$ zwei Primfaktorzerlegungen $x = p_1 \cdots p_n$ und $x = q_1 \cdots q_m$ (d.h. $p_i,q_j$ Primelemente), so ist $n = m$ und es gibt $\sigma \in S_n$ mit $p_{\sigma(i)} \sim q_i$ für $1 \leq i \leq n$. \end{lemma*} \begin{proof} Induktion nach $n$. $n=1$: aus $p_1 = x = q_1 \cdots q_m$ folgt $m = 1$, $p_1 = q_1$ [$p_1$ irreduzibel]. $n > 1$: aus $p_n \mid q_1 \cdots q_m$ folgt etwa $p_n \mid q_m$, also $p_n \sim q_m$ nach Bemerkung, d.h. $rp_n = q_m$ mit $r \in R^\times$, und damit $p_1 \cdots p_{n-1} = q_1 \cdots (q_{m-1}r)$ also nach Induktion $n-1 = m-1$ und es gibt $\sigma' \in S_{n-1}$ mit $p_{\sigma'(i)} \sim q_i$ für $1 \leq i \leq n-1$. Es folgt $n = m$. Man setze $\sigma'$ fort zu $\sigma \in S_n$ mit $\sigma(n) = n$. \end{proof} \begin{example} In $R = \{\sum_{i=0}^n a_iX^i \colon a_1 = 0\} \subseteq k[X]$ mit $k$ Körper gilt $X^6 = X^2 \cdot X^2 \cdot X^2$, $X^6 = X^3 \cdot X^3$ mit $X^2$, $X^3$ irreduzibel. Eine Zerlegung in {\em irreduzible} Faktoren ist also im allgemeinen nicht eindeutig. \end{example} \begin{lemma*} Es sei $R$ ein Integritätsring und $x \in R$. Ist $x = p_1^{k_1} \cdots p_n^{k_n}$ mit $k_1, \cdots, k_n \geq 1$ und paarweise nicht assoziierten Primelementen $p_1,\dots,p_n$, so hat jeder Teiler $y$ von $x$ die Form $y = u \cdot p_1^{b_1} \cdots p_n^{b_n}$ mit $u \in R^\times$, $0 \leq b_i \leq k_i$. \end{lemma*} \begin{proof} Es sei $ry = x$. Man hat $r = r'p_1^{a_1}$, $y = y' p_1^{b_1}$ mit $a_1 + b_1 = k_1$. Induktion nach $n$. $n=1$: $r'y'p_1^{k_1} = ry = x = p_1^{k_1} \Rightarrow r'y' = 1$, speziell $y' \in R^\times$. $n > 1$: $r'y'p_1^{k_1} = ry = x = p_1^{k_1} \cdots p_n^{k_n} \Rightarrow r'y' = p_2^{k_2} \cdots p_n^{k_n} \Rightarrow y' = up_2^{b_2} \cdots p_n^{b_n}$ mit $u \in R^\times$, $0 \leq b_i \leq k_i \Rightarrow y = u p_1^{b_1}p_2^{b_2} \cdots p_n^{b_n}$. \end{proof} \begin{implication} Es sei $R$ ein Integritätsring und $x \in R \setminus (\{0\} \cup R^\times)$. Hat $x$ eine Primfaktorzerlegung, so gibt es nur endlich viele Ideale $(y) \subseteq R$ mit $(x) \subseteq (y)$, d.h. $y \mid x$. Speziell wird jede Folge $(x) \subseteq (x_1) \subseteq (x_2) \subseteq \dots$ stationär. \end{implication} \begin{lemma*} Es sei $R$ ein Integritätsring. Haben $x,y \in R \setminus (\{0\} \cup R^\times)$ beide eine Primfaktorzerlegung, so ist $(x) \cap (y)$ ein Hauptideal. Genauer gilt: Ist $x = p_1^{k_1} \cdots p_n^{k_n}$, $y = p_1^{l_1} \cdots p_n^{l_n}$ mit $k_1, l_i \geq 0$ und $n \geq 1$, sowie $p_1,\cdots,p_n$ paarweise nicht assoziierte Primelemente, so gilt $(x) \cap (y) \overset{(*)}{=} (z)$ mit $z = p_1^{m_1} \cdots p_n^{m_n}$ wobei $m_i = \max\{k_i,l_i\}$. \end{lemma*} \begin{proof}[Beweis von $(*)$] "`$\supseteq$"' \% "`$\subseteq$"': Es sei $a \in (x) \cap (y)$, d.h. $a = rx$ und $a = sy$. Aus $rp_1^{k_1}\cdots p_n^{k_n} = a = sp_1^{l_1} \cdots p_n^{l_n}$ folgt $a = r_1 p_1^{m_1} p_2^{k_2} \cdots p_n^{k_n}$ für geeignetes $r_1 \in R$. [Fall $k_1 \geq l_1$, d.h. $m_1 = k_1$: Setze $r_1 = r$. Fall $k_1 < l_1$, d.h. $m_1 = l_1$: Durch Kürzen von $p_1^{k_1}$ erhält man $p_1^{l_1-k_1} \mid rp_2^{k_2} \cdots p_n^{k_n}$, also $p_1^{l_1 - k_1} \mid r$, d.h. $r_1p_1^{l_1-k_1} = r$ für ein $r_1 \in R$] Ebenso erhält man $a = r_2 p_1^{m_1}p_2^{m_2}p_3^{k_3} \cdots p_n^{k_n}$ usw., bis man bei $a = r_n z$ angelangt ist. \end{proof} \begin{definition} Ein Integritätsring $R$ heißt {\em faktoriell}, wenn jedes $x \in R \setminus (\{0\} \cup R^\times)$ eine Primfaktorzerlegung hat. \end{definition} \begin{theorem} Für jeden Integritätsring $R$ sind äquivalent: \begin{enumerate}[i)] \item $R$ ist faktoriell. \item Jedes $x \in R \setminus (\{0\} \cup R^\times)$ ist Produkt von irreduziblen Elementen und jedes irreduzible Element von $R$ ist schon ein Primelement. \item $R$ genügt der aufsteigenden Kettenbedingung für Hauptideale, und der Durchschnitt zweier Hauptideale ist wieder ein Hauptideal. \end{enumerate} \end{theorem} \begin{proof} i) $\Leftrightarrow$ ii) \% i) $\Rightarrow$ iii) Lemma 4 und Folgerung zu Lemma 3. iii) $\Rightarrow$ ii): "`Produkt"' mit Lemma 1. Noch zu "`irreduzibel $\Rightarrow$ prim"': Es sei $x \in R$ irreduzibel und $x \mid ab$. Zu zeigen: $x \mid a \,\vee\, x \mid b$. Nach Voraussetzung ist $(x) \cap (a) = (c)$, also $xa = rc$, da $xa \in (x) \cap (a)$, und $sx = c = ta$, woraus folgt $xa = rsx$ und $xa = rta$, d.h. $a = rs$ und $x = rt$, da $a \neq 0$. Wegen $x$ irreduzibel ist $r \in R^\times$ oder $t \in R^\times$. Fall $r \in R^\times$: $xa \sim c$, also $(x) \cap (a) = (xa)$: wegen $x \mid ab$ ist $ab \in (x) \cap (a) = (xa)$, also $xa \mid ab$, d.h. $x \mid b$. Fall $t \in R^\times$: $x \sim r$, d.h. $r \mid a \Rightarrow x \mid a$. \end{proof} \begin{corollary} Für jeden noetherschen Integritätsring $R$ sind äquivalent: \begin{enumerate}[i)] \item $R$ ist faktoriell. \item Jedes irreduzible Element von $R$ ist schon ein Primelement. \item Der Durchschnitt zweier Hauptideale von $R$ ist wieder ein Hauptideal. \end{enumerate} Speziell ist jeder Hauptidealring ein faktorieller Ring, z.B. $k[X]$ ($k$ Körper) \end{corollary} \begin{proof} Da $R$ noethersch ist, genügt er der aufsteigenden Kettenbedingung (für Hauptideale), weshalb jedes $x \in R \setminus (\{0\} \cup R^\times)$ Produkt von irreduziblen Elementen ist (siehe Lemma 1). Verwende Satz. \end{proof} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \item Noethersch (!!), aber nicht faktoriell sind $k[X^2,X^3] = \{\sum_{i=0}^n a_i X^i \in k[X] \colon a_1 = 0 \} \subseteq k[X]$, $k$ Körper, und $\mathbb Z[\sqrt{-5}] = \{x + \sqrt{-5}y \in \mathbb C \colon x,y \in \mathbb Z \} \subseteq \mathbb C$. Beide sind Integritätsringe. \item $\mathbb Z[X]$ ist faktoriell (!!), aber kein Hauptidealring. \end{enumerate} Wir werden (!!) jeweils später sehen (vielleicht in der Übung). \end{example} \begin{remark} Mit "`$\mathbb Z$ ist faktoriell"' haben wir den Hauptsatz der elementaren Zahlentheorie gezeigt. \end{remark} \begin{more precise} Hat ein Element $x$ ein Integritätsrings eine {\em Primfaktorzerlegung}, d.h. $x = q_1 \cdots q_m$ für Primelemente $q_1,\dots,q_m$ und $m \geq 1$, so kann man erreichen, dass $x = u p_1^{k_1} \cdots p_n^{k_n}$ mit $u \in R^\times$, $n \geq 1$, alle $k_i \geq 1$ und paarweise nicht assoziierten Primelementen $p_1,\dots,p_n$. \end{more precise} \begin{proof} Induktion nach $m$, Übung. \end{proof} \begin{example} In $\mathbb Z$ ist $-4 = (-1)2^2 = (-1)(-2)^2$. \end{example} \begin{definition} Sei $R$ ein Integritätsring. Man nennt $v \in R$ (bzw. $d \in R$) ein {\em kleinstes gemeinsames Vielfaches} (bzw. einen {\em größten gemeinsamen Teiler\,}), kurz {\em kgV} (bzw. {\em ggT\,}) von $a_1, \dots, a_n \in R$, wenn $a_i \mid v$ und aus $a_i \mid v'$ für alle $i$ folgt, dass $v \mid v'$ (bzw. $d \mid a_i$ für alle $i$ und aus $d' \mid a_i$ für alle $i$ folgt $d' \mid d$. \end{definition} \begin{observation}\ \begin{enumerate}[a)] \item Ist $v$ ein kgV (bzw. $d$ ein ggT) von $a_1,\dots,a_n$, so ist $w$ (bzw. $e$) genau dann auch ein kgV (bzw. ein ggT) von $a_1,\dots,a_n$, wenn $v \sim w$ (bzw. $d \sim e$) ist. \item $x \mid y \Longrightarrow$ $y$ ist ein kgV, $x$ ist ein ggT (von $x,y$). Speziell: $0$ ist ein kgV und $x$ ein ggT von $0,x$. \end{enumerate} \end{observation} \begin{definition} Man nennt $a_1,\dots,a_n \in R$ {\em teilerfremd}, wenn $1$ ein ggT von $a_1,\dots,a_n$ ist, d.h. jede Einheit ist ein ggT von $a_1,\dots,a_n$. \end{definition} \begin{remark*} Ist $d$ ein ggT von $a_1,\dots,a_n$ und $r \mid a_i$ für alle $i$ mit $r \neq 0$, so ist $\frac{d}{r}$ ein ggT von $\frac{a_1}{r},\dots,\frac{a_n}{r}$. [Mit $ra_i' = a_i$ für alle $i$ und $rd' = d$ gilt: $\forall i (x \mid a_i') \Leftrightarrow \forall i (rx \mid a_i) \Leftrightarrow rx \mid d \Leftrightarrow x \mid d'$.] Spezialfall $d = r$: Ist $d$ ein ggT von $a_1,\dots,a_n$, ein $a_i \neq 0$, d.h. $d \neq 0$, so sind $\frac{a_1}{d},\dots,\frac{a_n}{d}$ teilerfremd. \end{remark*} \begin{remark*}\ \begin{enumerate}[a)] \item Genau dann ist $v \in R$ ein kgV von $a_1,\dots,a_n \in R$, wenn $(v) = (a_1) \cap \dots \cap (a_n)$. \item Ist $(d) = (a_1,\dots,a_n)$, so ist $d$ ein ggT von $a_1,\dots,a_n$. \item Ist $(a_1,\dots,a_n)$ ein Hauptideal, so ist $(d) = (a_1,\dots,a_n)$ genau dann, wenn $d$ ein ggT von $a_1,\dots,a_n$ ist. \end{enumerate} Speziell: Ist $R$ ein Hauptidealring, so haben $a_1,\dots,a_n \in R$ stets ein kgV und einen ggT. \end{remark*} \begin{example} In $\mathbb Z[X]$ sind $2,X$ teilerfremd, aber $(2,X) \neq (1)$. In b) gilt die Umkehrung also im Allgemeinen nicht. \end{example} \begin{lemma} Haben $a,b \neq 0$ ein kgV $v$, so haben sie auch einen ggT $d$ mit $dv = ab$. \end{lemma} \begin{proof} Sei $v$ ein kgV. Wegen $a,b \mid ab$ ist $v \mid ab$, etwa $dv = ab$ für (genau) ein $d$, welches ein ggT von $a,b$ ist, denn: Wegen $a \mid v$ und $b \mid v$, sowie $dv = ab$ gilt $da \mid ab$ und $db \mid ab$, d.h. $d \mid b$ und $d \mid a$. Aus $d' \mid a$ und $d' \mid b$, etwa $rd' = a$ und $sd' = b$ folgt $sa = rb =: v'$, wofür $a \mid v'$ und $b \mid v'$, also $v \mid v'$, etwa $vt = v'$, also $rd'tb = atb = dvt = dv' = drb$ und damit $d't = d$, also $d' \mid d$. \end{proof} \begin{theorem} Es sei $R$ ein faktorieller Ring. \begin{enumerate}[a)] \item Alle $a_1,\dots,a_n \in R$ haben ein kgV und einen ggT. \item Ist $d \in R$ ein ggT von $a_1,\dots,a_n \in R$ und $r \in R$, so ist $rd$ ein ggT von $ra_1,\dots,ra_n$. \item Sind $x,a \in R$ teilerfremd und $x \mid ab$, so ist $x \mid b$. \item Sind $x,y \in R$ teilerfremd und $x \mid a$ und $y \mid a$, so ist $xy \mid a$. \item Für $a,b \in R \setminus \{0\}$ mit $a = up_1^{k_1} \cdots p_n^{k_n}$, $b = wp_1^{l_1}\cdots p_n^{l_n}$, $u,w \in R^\times$, $n \geq 1$, alle $k_i,l_i \geq 0$ und $p_1,\dots,p_n$ paarweise nicht assoziierte Primelemente ist $d = p_1^{\nu_1} \cdots p_n^{\nu_n}$ ein ggT von $a,b$ und $v = p_1^{\mu_1}\cdots p_n^{\mu_n}$ ein kgV von $a,b$, falls $\nu_i = \min\{k_i,l_i\}$ und $\mu_i = \max \{k_i,l_i\}$ für alle $i$. \end{enumerate} \end{theorem} \begin{proof}\ \begin{enumerate}[a)] \item Gemäß vorigem Satz ist $(a_1) \cap \dots \cap (a_n) = (v)$ für ein $v \in R$, was nach Bemerkung 2a) ein kgV ist. Zur Existenz eines ggT: Induktion nach $n$. $n=2$: Lemma. $n > 2$: Nach Induktion gibt es einen ggT $d'$ von $a_1,\dots,a_{n-1}$. Nach Lemma gibt es einen ggT $d$ von $d', a_n$. Dieses $d$ ist ein ggT von $a_1,\dots,a_n$. \item O.B.d.A. $r,d \neq 0$. Nach a) gibt es einen ggT $e$ von $ra_1,\dots,ra_n$. Wir zeigen $rd \sim e$: Aus $rd \mid ra_i$ für alle $i$ folgt $rd \mid e$, etwa $rds = e$; aus $e \mid ra_i$, also $ds \mid a_i$ für alle $i$ folgt $ds \mid d$, etwa $dst = d$, d.h. $st = 1$, also $s \in R^\times$, also $rd \sim e$. \item $1$ ist ein ggT von $x,a$ $\overset{b)}{\Longrightarrow}$ $b$ ist ein ggT von $bx,ab$ $\overset{x \mid ab}{\Longrightarrow}$ $x \mid b$. \item $1$ ist ein ggT von $x,y$ $\overset{b)}{\Longrightarrow}$ $a$ ist ein ggT von $ax, ay$ und $x \mid a \,\wedge\, y \mid a \Rightarrow xy \mid ay \,\wedge\, xy \mid ax$, also $xy \mid a$. \item Nach Lemma 4 zum vorigen Satz ist $(a) \cap (b) = (v)$, d.h. gemäß Bemerkung 2a): $v$ ist ein kgV von $a,b$. Nach obigem Lemma ist $\frac{ab}{v}$ ein ggT von $a,b$. Wir zeigen, dass $\frac{ab}{v} \sim d$. Reicht zu zeigen: $k_i + l_i = \nu_i + \mu_i$ für alle $i$, denn dann $ab \sim vd$. Aber allgemein gilt: $k + l = \min \{k,l\} + \max \{k,l\}$ für $k,l \in \mathbb Z$.\qedhere \end{enumerate} \end{proof} \begin{corollary} Es sei $R$ ein faktorieller Ring und $K = Q(R)$ sein Quotientenkörper. \begin{enumerate}[a)] \item Zu jedem $x \in K$ gibt es teilerfremde $p,q \in R$ mit $q \neq 0$ und $x = \frac{p}{q}$. \item Ist $x \in K$ Nullstelle eines unitären $f \in R[X]$ mit $\deg(f) \geq 1$, so ist $x \in R$. \end{enumerate} \end{corollary} \begin{proof}\ \begin{enumerate}[a)] \item Es sei $d$ ein ggT von $r,s$ mit $x = \frac{r}{s}$, sowie $dp = r$, $dq = s$. Nach Bemerkung 1 sind $p,q$ teilerfremd, $x = \frac{p}{q}$. \item Nach a) ist $x = \frac{p}{q}$ mit $p,q$ teilerfremd, $q \neq 0$. Es sei $f = X^n + \sum_{i=0}^{n-1} r_iX^i$ mit $r_i \in R$. Aus $f(x) = 0$ folgt $p^n + r_{n-1}p^{n-1}q + \cdots + r_1pq^{n-1} + r_0pq^n = 0$, d.h. $p^n = -q (r_{n-1}p^{n-1} + \dots + r_1pq^{n-2} + r_0q^{n-1})$. Jeder Primteiler von $q$ teilt also $p$, also hat $q$ keinen Primteiler, d.h. $q \in R^\times$, also $x = p q^{-1} \in R$. \qedhere \end{enumerate} \end{proof} \subsection{Irreduzible Polynome} \begin{convention} $R$ bezeichne im Folgenden stets einen Integritätsring. \end{convention} \begin{example} Ist $k$ ein Körper, $f \in k[X]$ irreduzibel, so ist $f$ ein Primelement, sogar $(f)$ ein maximales Ideal, d.h $K = k[X]/(f)$ ein Körper. Ist zudem $\deg(f) = n$, so ist $\overline 1, \overline X, \dots, \overline X^{n-1}$ eine Basis von $K$ als $k$-Vektorraum. Ist ferner $k = \mathbb Z / (p)$ mit einer Primzahl $p$, so ist $|K| = |k|^n = p^n$. Später: Zu jedem $n \geq 1$ gibt es ein irreduzibles $f \in k[X]$ mit $\deg(f) = n$, je zwei Körper mit $p^n$ Elementen sind isomorph. \end{example} \begin{observation} Sei $R$ ein Integritätsring. Für $a,b \in R$ hat $aX + b \in R[X]$ genau dann eine Nullstelle in $R$, wenn $a \mid b$, zum Beispiel dann, wenn $a \in R^\times$. Die Nullstelle ist eindeutig bestimmt und gleich $-\frac{b}{a}$. In $\mathbb Z[X]$ hat $2X+4$ die Nullstelle -2, aber $2 \not\in \mathbb Z^\times$. \end{observation} \begin{remark} Sei $R$ ein Integritätsring, $f \in R[X]$ normiert, $\deg(f) \in \{2,3\}$. Genau dann ist $f$ (ir)reduzibel, wenn $f$ (k)eine Nullstelle in $R$ hat. \end{remark} \begin{proof} Wir zeigen: $f$ ist reduzibel genau dann, wenn $f$ eine Nullstelle hat. "`$\Rightarrow$"' $f = gh$ mit $g,h \not\in R^\times \Rightarrow \deg(f) = \deg(g) + \deg(h)$ mit $\deg(g), \deg(h) \geq 1 \Rightarrow \deg(g) = 1$ oder $\deg(h) = 1 \Rightarrow$ $g$ oder $h$ hat eine Nullstelle [die Leitkoeffizienten von $g,h$ sind Einheiten, da $f$ normiert ist]. "`$\Leftarrow$"' $f(r) = 0, r \in R \Rightarrow f = (X-r)f'$ mit $X-r \not\in R[X]^\times = R^\times$ und $\deg(f') \in \{1,2\}$, also $f' \not\in R[X]^\times$. \end{proof} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \setcounter{enumi}{-1} \item $X^4 + 4 \in \mathbb Z[X]$ hat keine Nullstelle, ist aber reduzibel, da z.B. $X^4+4 = (X^2 - 2X + 2)(X^2 + 2X + 2)$. \item $X^2 - 2$ ist irreduzibel in $\mathbb Q[X]$, aber reduzibel in $\mathbb R[X]$ \item $X^2 + 1$ ist irreduzibel in $\mathbb R[X]$, aber reduzibel in $\mathbb C[X]$ \item Ist $A$ ein Integritätsring und $n \geq 1$ ungerade, so ist $f = X^2 - Y^n \in A[X,Y]$ irreduzibel. Dazu sei $R = A[Y]$, also $f \in R[X]$. Dann $\deg_X(f) = 2$ und $f$ hat keine Nullstelle in $R$, denn: aus $f(g) = 0$, d.h. $g^2 = Y^n$, $g \in R$ folgt $2\deg(g) = n$, also $n$ gerade, was ausgeschlossen ist. \end{enumerate} \end{example} \begin{definition} Man nennt $f \in R[X]$ {\em primitiv}, wenn $f \neq 0$ und die Koeffizienten von $f$ teilerfremd sind, d.h. jeder ihrer gemeinsamen Teiler ist eine Einheit. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn ein Koeffizient 1 ist, etwa wenn $f$ unitär ist. \end{definition} \begin{remark} Jedes nicht konstante irreduzible $f \in R[X]$ ist primitiv. [Teilt $r \in R$ alle Koeffizienten von $f$, so ist $r$ ein Teiler von $f$] \end{remark} \begin{theorem}[Reduktionskriterium] Sei $R$ ein Integritätsring, $f \in R[X]$ nichtkonstant und primitiv mit $f = \sum_{i=0}^n a_iX^i$. Gibt es ein Primideal $P$, so dass $a_n \not\in P$ und ist die Reduktion $\overline f$ von $f \mod P$ irreduzibel ist in $(R/P)[X]$, so ist $f$ irreduzibel in $R[X]$. \end{theorem} \begin{proof} Wegen $f$ nicht konstant ist $f$ weder Null noch eine Einheit. Aus $f = gh$ in $R[X]$ folgt $\overline f = \overline g \, \overline h$ in $(R/P)[X]$. Da $\overline f$ irreduzibel ist, etwa $\overline g \in (R/P)[X]^\times$, insbesondere $\deg(\overline g) = 0$, also $\deg(f) \geq \deg(h) \geq \deg(\overline h) + \deg(\overline g) = \deg(\overline f) = \deg(f)$, also $\deg(h) = \deg(f)$, d.h. $\deg(g) = 0$, also $g \in R^\times$, da $f$ primitiv ist. \end{proof} \begin{example} $f = X^5 - X^2 + 1$ ist irreduzibel in $\mathbb Z[X]$. Dazu: Reduktion modulo $(2)$. In $\mathbb Z/(2)$ hat $\overline f = X^5 + X^2 +1$ keine Nullstelle. Als echte Teiler von $f$ kommen also nur die Polynome von Grad 2 oder 3 in Frage, die selber keine Nullstelle haben. Das sind $X^2 + X + 1$, $X^3 + X^2 + 1$, $X^3 + X + 1$, aber daraus kann man $f$ nicht bilden: $(X^2+X+1)(X^3+X^2+1) \neq f \neq (X^2+X+1)(X^3+X+1)$. \end{example} \begin{lemma} Es sei $R$ ein Integritätsring, $f \in R[X]$. Aus $f \mid rX^n$ mit $r \in R \setminus \{0\}$, $n \geq 1$ folgt $f = sX^m$ mit $s \mid r$, $m \leq n$. [$fg = rX^n \Rightarrow f = f'X^a, g= g'X^b$ mit $a+b = n$ $\Rightarrow f'g' = r \Rightarrow f',g' \in R$] \end{lemma} \begin{theorem}[Kriterium von Eisenstein] Es sei $R$ ein Integritätsring, $f = \sum_{i=0}^n a_iX^i \in R[X]$ nichtkonstant und primitiv. Hat $R$ ein Primelement $p$ mit $p \nmid a_n, p \mid a_{n-1}, p \mid a_{n-2}, \dots, p \mid a_1, p \mid a_0, p^2 \nmid a_0$, so ist $f$ in $R[X]$ irreduzibel. \end{theorem} \begin{proof} Wieder ist $f$ weder Null noch eine Einheit. Aus $f = gh$ folgt $\overline f = \overline g \, \overline h$ in $(R/(p))[X]$. Nach Voraussetzung ist $\overline f = \overline {a_n}X^n$ mit $\overline {a_n} \neq 0$. Gemäß Lemma ist $\overline g = \overline r X^k$, $\overline h = \overline s X^l$, $k + l = n$. Wegen $p^2 \nmid a_0$ ist $k = 0$ oder $l = 0$ [aus $k,l \geq 1$ folgt $\overline g(0) = 0 = \overline h(0)$, d.h. $p \mid g(0)$, $p \mid h(0)$, also $p^2 \mid g(0) h(0) = f(0) = a_0$, ausgeschlossen], etwa $k = 0$, d.h. $\deg(\overline g) = 0$, woraus man wie beim Beweis des Reduktionskriteriums auf $g \in R^\times$ schließen kann. \end{proof} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \item Hat $a$ einen Primfaktor $p$ mit $p^2 \nmid a$, so ist $X^n - a$ irreduzibel in $\mathbb Z[X]$ für alle $n \geq 1$. Z.B. ist $X^2 - p$ irreduzibel in $\mathbb Z[X]$ für Primzahlen $p$. \item Für jede Primzahl $p$ ist $f = X^{p-1} + X^{p-2} + \dots + X + 1$ irreduzibel in $\mathbb Z[X]$. [Man hat den Ringautomorphismus $\sigma \colon \mathbb Z[X] \to \mathbb Z[X]$ mit $\sigma(g) = g(X+1)$, $\sigma^{-1}(h) = h(X-1)$. Reicht zu zeigen: $\sigma(f)$ ist irreduzibel in $\mathbb Z[X]$. Dazu: $X \cdot \sigma(f) = \sigma(X-1) \cdot \sigma(f) = \sigma((X-1)f) = \sigma(X^p - 1) = (X+1)^p - 1$ und $(X+1)^p = X^p + \binom{p}{1}X^{p-1} + \dots + \binom{p}{p-1}X+1$, also $\sigma(f) = X^{p-1} + pX^{p-2} + \binom{p}{2}X^{p-3} + \dots + \binom{p}{p-2}X + p$. Also erfüllt $\sigma(f)$die Voraussetzungen des Kriteriums von Eisenstein, denn für $1 \leq i \leq p-1$ gilt $p \mid \binom{p}{i}$, da $p! = i! (p-i)! \binom{p}{i}$ und $p \mid p!$, aber $i!(p-i)! \not\in (p)$] \item $n \geq 4$ gerade $\Rightarrow X^{n-1} + X^{n-2} + \dots + X + 1 \in \mathbb Z[X]$ ist reduzibel. \end{enumerate} \end{example} \begin{observation} Sei $R$ faktoriell. Für $a,b \in R \setminus \{0\}$ gilt $a \mid b$ genau dann, wenn jeder Primfaktor (mit Vielfachheit) von $a$ auch Teiler von $b$ ist. Speziell ($b = 1$): $a \in R^\times$ genau dann, wenn $a$ keine Primfaktoren hat. Ferner sind $a_1,\dots,a_n \in R \setminus \{0\}$ teilerfremd, wenn sie keine gemeinsamen Primfaktoren haben. \end{observation} \begin{definition} Es sei $R$ ein kommutativer Ring. Für jedes Ideal $I$ von $R$ ist der Ringhomomorphismus $R[X] \to (R/I)[X], f \mapsto \overline f$ (mit $\overline f = \sum_{i=0}^n \overline {a_i}X^i$ für $f = \sum_{i=0}^n a_iX^i$) surjektiv und hat den Kern $\{\sum_{i=0}^n a_i X^i \colon n \geq 0, a_0,\dots,a_n \in I\}$. Speziell ist diese Menge ein Ideal, das von $I$ in $R[X]$ erzeugte Ideal, kurz $IR[X]$. Es gilt $R[X]/IR[X] \cong (R/I)[X]$. \end{definition} \begin{remark} $I$ Primideal von $R$ $\Leftrightarrow$ $IR[X]$ Primideal von $R[X]$. [$R/I$ Integritätsring $\Leftrightarrow$ $(R/I)[X]$ Integritätsring]. Speziell gilt für $R$ Integritätsring und $r \in R$: $r$ Primelement von $R$ $\Leftrightarrow$ $r$ Primelement von $R[X]$. Übrigens gilt auch: $r$ irreduzibel in $R$ $\Leftrightarrow$ $r$ irreduzibel in $R[X]$. \end{remark} \begin{lemma}[Gauß] Für jeden faktoriellen Ring $R$ gilt: Sind $f,g \in R[X]$ beide primitiv, so ist auch $f \cdot g$ primitiv. \end{lemma} \begin{proof} Primitiv heißt, dass die Koeffizienten keinen gemeinsamen Primfaktor haben. Ist also $p$ ein Primfaktor aller Koeffizienten von $f \cdot g$, d.h. $f \cdot g \in (p)R[X]$, also $f \in (p)R[X]$ oder $g \in (p)R[X]$, d.h. $p$ teilt alle Koeffizienten von $f$ bzw. von $g$. \end{proof} \begin{convention} Im folgenden sei $R$ immer ein faktorieller Ring. \end{convention} \begin{lemma} Sei $R$ faktoriell, $K = Q(R)$. Zu jedem $h \in K[X] \setminus \{0\}$ gibt es $u \in K^\times$ mit $uh \in R[X]$ primitiv. \end{lemma} \begin{proof} $h = \sum_{i=0}^n \frac{r_i}{s}X^i$; $r_n,s \in R \setminus \{0\}$; $d$ ein ggT von $r_0,\dots,r_n$; $d \neq 0$; $dr_i' = r_i$ ($1 \leq i \leq n$) $\Rightarrow$ $h' = \sum_{i=0}^n r_i'X^i \in R[X]$ primitiv, $dh' = sh$, also $h' = uh$ mit $u = s/d \in K^\times$.] \end{proof} \begin{lemma} Sei $R$ faktoriell, $K = Q(R)$. Ist $f \in R[X]$ primitiv und $h \in K[X]$ mit $f \cdot h \in R[X]$, so ist schon $h \in R[X]$. \end{lemma} \begin{proof} O.B.d.A. $h \neq 0$. Nehme $u \in K^\times$ wie im vorigen Lemma mit $h' = uh \in R[X]$ primitiv. Schreibe $u = a/b$. Es gilt $a \mid b$ in $R$ (!), etwa $ac = b$ mit $c \in R$, wofür $u = 1/c$, also $h = \frac{1}{u}h' = ch' \in R[X]$. Noch zu (!): Nach dem Lemma von Gauß ist $fh' \in R[X]$ primitiv. Ist $p$ Primfaktor von $a$, so teilt $p$ alle Koeffizienten von $afh = bfh'$, also $p \mid b$. \end{proof} \begin{implication} Ist $R$ faktoriell, $K = Q(R)$ und $f \in R[X] \setminus R$ primitiv, so gilt: $f$ irreduzibel in $R[X]$ $\Leftrightarrow$ $f$ irreduzibel in $K[X]$. \end{implication} \begin{proof} $\Leftarrow$ gilt ohnehin. Aus $f \not\in R$ folgt $f \not\in \{0\} \cup R^\times$. Nun sei $f = gh \in K[X]$. Nehme wie vorletzten Lemma ein $u \in K^\times$ mit $h' = uh$ primitiv, $\in R[X]$. In $f = (\frac{1}{u}g)h'$ ist $\frac{1}{u}g \in R[X]$ gemäß Lemma, also nach Voraussetzung $\frac{1}{u}g \in R^\times$ oder $h' \in R^\times$ und damit $g \in K^\times$ oder $h \in K^\times$. \end{proof} \begin{remark} Sei $R$ ein Integritätsring. Genügt $R$ der aufsteigenden Kettenbedingung für Hauptideale, so tut dies auch $R[X]$. \end{remark} \begin{proof} Aus $(f_0) \subseteq (f_1) \subseteq \dots $ in $R[X]$ mit o.B.d.A. $f_0 \neq 0$ folgt $\deg(f_0) \geq \deg(f_1) \geq \dots$, also gibt es $n \in \mathbb N$ mit $\deg(f_n) = \deg(f_{n+1}) = \dots$. Für $k \geq n$ ist damit $f_k = r_k f_{k+1}$ sogar mit $r_k \in R$, also $c_k = r_k c_{k+1}$ in $R$ für die Leitkoeffizienten $c_k$ der $f_k$, woraus folgt $(c_n) \subseteq (c_{n+1}) \subseteq \dots$ und damit nach Voraussetzung $(c_m) = (c_{m+1}) = \dots$ für ein $m \geq n$, wofür $c_k \sim c_{k+1}$, d.h. $r_k \in R^\times$ für $k \geq m$, also auch $(f_m) = (f_{m+1}) = \dots$ \end{proof} \begin{theorem}[Gauß] Ist $R$ faktoriell, so ist auch $R[X]$ faktoriell. \end{theorem} \begin{proof} Nach Bemerkung ist jedes $f \in R[X] \setminus (\{0\} \cup R^\times)$ Produkt von irreduziblen Elementen (siehe Lemma am Anfang des Abschnitts über faktorielle Ringe). Noch zu zeigen: Jedes irreduzible $f \in R[X]$ ist schon Primelement. Fall 1: $f$ konstant, d.h. $f = r$, $r \in R$. Ist $r$ irreduzibel in $R[X]$, so ist $r$ irreduzibel in $R$, also nach Voraussetzung $r$ Primelement von $R$ und damit $r$ Primelement von $R[X]$. [$(r)$ Primideal von $R$ $\Rightarrow$ $(r)$ Primideal von $R[X]$.] Fall 2: $f$ nicht konstant. Nach Folgerung ist $f$ irreduzibel in $K[X]$ mit $K = Q(R)$. Aus $f \mid gh$ in $R[X]$, also $f \mid gh$ auch in $K[X]$, folgt, da $f$ sogar Primelement des Hauptidealrings $K[X]$ ist, dass $f \mid g$ oder $f \mid h$ in $K[X]$, womit nach Lemma auch $f \mid g$ oder $f \mid h$ in $R[X]$. Beachte, dass $f$ primitiv ist. [Etwa $f \mid g$ in $K[X]$, $fg' = g$, $g' \in K[X]$, $g \in R[X] \underset{\text{Lemma}}{\Longrightarrow} g' \in R[X]$.] \end{proof} \begin{example} $\mathbb Z[X]$ ist faktoriell, aber kein Hauptidealring. \end{example} \begin{corollary} $R$ faktoriell $\Longrightarrow$ $R[X_1,\dots,X_n]$ faktoriell, $n \geq 1$. Speziell: $k$ Körper $\Longrightarrow$ $k[X_1,\dots,X_n]$ faktoriell, $n \geq 1$. Aber: $R$ faktoriell, $n \geq 2$ $\Longrightarrow$ $R[X_1,\dots,X_n]$ kein Hauptidealring. \end{corollary} \begin{proof} Die ersten beiden Aussagen sind klar. O.b.d.A. $n = 2$, $R[X,Y] = R[X_1,X_2]$. Da $(X)$, $(Y)$ Primideale sind [etwa $R[X,Y]/(Y) \cong R[X]$], sind $X,Y$ Primelemente mit $X \neq Y$, insbesondere sind $X,Y$ teilerfremd (!). Wäre $(X,Y)$ ein Hauptideal, so wäre $(X,Y) = (1)$, d.h. $1 = fX + gY$, also $1 = 0$, was ausgeschlossen ist. \end{proof} \begin{remark} Es gilt auch die Umkehrung des Satzes von Gauß. (Übung) Aber $K = Q(R)$, $R$ Integritätsring, dann ist $K[X]$ ein Hauptidealring, aber z.B. $R = \mathbb Z[X]$ kein Hauptidealring. \end{remark} \subsection{Ganze und algebraische Elemente} \begin{definition} Es sei $R \subseteq A$ eine {\em Ringerweiterung}, wenn $A$ ein kommutativer Ring und $R$ ein Unterring ist. Für jedes $S \subseteq A$ heißt $R[S] = \{f(a_1,\dots,a_n) \colon a_1, \dots a_n \in S, f \in R[X_1,\dots,X_n], n \in \mathbb N\}$ die {\em Ringadjunktion} von $S$ an $R$. \end{definition} \begin{remark} Es gilt $R[S] = \bigcap \{B \in A \colon \text{$B$ Unterring von $A$ mit $R \cup S \subseteq B$}\}$, d.h. $R[S]$ ist der kleinste Unterring von $A$, der $R \cup S$ umfasst. Speziell ist $R[S]$ ein Ring, der natürlich kommutativ ist. Ist $S = \{a_1,\dots,a_n\}$, so schreibt man $R[a_1,\dots,a_n]$ anstelle $R[S]$ und $R[a_1,\dots,a_n] = \{f(a_1,\dots,a_n) \colon f \in R[X_1,\dots,X_n]\}$. Speziell $R[a] = \{f(a) \colon f \in R[X]\}$, d.h. $R[a] = \{\sum_{i=0}^m r_i a^i \colon r_0, \dots, r_m \in R, m \in \mathbb N\}$. Für den Einsetzungshomomorphismus $\varepsilon \colon R[X_1,\dots,X_n] \to A, X_i \mapsto a_i$ gilt $\im(\varepsilon) = R[a_1,\dots,a_n]$, also $R[X_1,\dots,X_n] / \ker(\varepsilon) \cong R[a_1,\dots,a_n]$. Speziell: $R$ noethersch $\Rightarrow$ $R[a_1,\dots,a_n]$ noethersch (Hilbertscher Basissatz). \end{remark} \begin{example}\ \begin{enumerate}[a)] \item $\mathbb Z[\sqrt d]$ in $\mathbb Z \subseteq \mathbb C$ mit $d \in \mathbb Z$ (z.B. $\mathbb Z[\sqrt{-5}]$) ist noethersch. $\mathbb Z[\sqrt d] \overset{(!)}{=} \{x + \sqrt d y \colon x,y \in \mathbb Z\}$. \item $R[X^2,X^3]$ in $R \subseteq R[X]$ ist noethersch. \end{enumerate} \end{example} \begin{definition} Eine Ringerweiterung $R \subseteq A$ heißt {\em endlich}, oder kurz $A$ endlich über $R$, wenn $A$ als $R$-Modul endlich erzeugt ist, d.h. es gibt $a_1,\dots,a_n \in A$ mit $Ra_1 + \dots + Ra_n = A$. \end{definition} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \item $\mathbb Z[\sqrt d]$ ist endlich über $\mathbb Z$, da $\mathbb Z[\sqrt d] = \mathbb Z \cdot 1 + \mathbb Z \cdot \sqrt d$ \item $R[X^2, X^3]$ ist nicht endlich über $R \neq \{0\}$. \item $\mathbb C = \mathbb R \cdot 1 + \mathbb R \cdot \sqrt{-1}$ ist endlich über $\mathbb R$. \item $\mathbb Z \subseteq \mathbb Q$ ist nicht endlich. Allgemeiner: Für jeden Integritätsring $R$ ist $K = Q(R)$ nur dann endlich über $R$, wenn $R$ ein Körper, d.h. $R = K$ ist. \item Es sei $R$ ein kommutativer Ring, $f \in R[X]$, $f$ normiert, $n = \deg(f) \geq 1$, sowie $A = R[X] / (f)$. Der Ringhomomorphismus $R \hookrightarrow R[X] \overset{\text{kan.}}{\to} A$ ist injektiv. [ist $r \in R$ mit $\overline r = 0$ in $A$, d.h. $r = fg$ in $R[X]$, so muss $g = 0$ sein wegen $\deg(f) \geq 1$, also $r = 0$ in $R$.] Man kann $R$ also als Unterring von $A$ auffassen: Identifiziere $r \in R$ mit $\overline r \in A$. Für $x = \overline X$ gilt $A = R[x]$ und $f(x) = 0$. [mit $f = \sum_{i=0}^n r_iX^i$ ist $f(x) = \sum_{i=0}^n r_ix^i = \sum_{i=0}^n \overline{r_i}\,\overline X^i = \overline{\sum_{i=0}^n r_iX^i} = \overline f = 0$ in $A$.] Ferner ist $A$ endlich über $R$, sogar als $R$-Modul frei mit der Basis $1,x,x^2,x^3, \dots, x^{n-1}$. \end{enumerate} \end{example} \begin{example} Beispiele zu Beispiel 5: \begin{enumerate}[1)] \item $\mathbb Z[\sqrt d] \cong \mathbb Z[X] / (X^2 - d)$ \item $\mathbb C \cong \mathbb R[X] / (X^2 + 1)$ \end{enumerate} \end{example} \begin{remark}[Transitivität der Endlichkeit] Sind $R \subseteq B$ und $B \subseteq A$ endliche Ringerweiterungen, so ist auch $R \subseteq A$ endlich. Genauer: $\sum_{j=1}^m Rb_j = B \wedge \sum_{i=1}^n Ba_i = A \Rightarrow \sum_{i,j = 1}^{n,m} R(a_ib_j) = A$. [$a = \sum_{i=1}^n c_i b_i$; $c_i = \sum_{j=1}^m r_{ij} b_j$ ($1 \leq i \leq n$) $\Rightarrow$ $a = \sum r_{ij}a_ib_j$]. \end{remark} \begin{lemma} Es sei $R$ ein kommutativer Ring. Zu jedem normierten $f \in R[X]$ mit $n=\deg(f) \geq 1$ gibt es eine endliche Ringerweiterung $R\subseteq A$ und $a_1,...,a_n \in A$ mit $f=(X-a_1)\cdots (X-a_n)$ in $A[X]$. \end{lemma} \begin{proof} Induktion nach $n$. $n = 1$: $f = X - r$, $R = A$, $r = a_1$. $n \geq 2$: Nach Beispiel 5 gibt es eine endliche Ringerweiterung $R \subseteq A_1$ und $a_1 \in A_1$ mit $f(a_1) = 0$ in $A_1$, d.h. $f = (X - a_1) f_1$ in $A_1[X]$, wofür $\deg(F) = n-1 \geq 1$. Nach Induktionsvoraussetzung gibt es eine endliche Ringerweiterung $A_1 \subseteq A$ und $a_2,\dots,a_n \in A$ mit $f = (X-a_1) \cdots (X - a_n)$. Dann ist $R \subseteq A$ endlich nach Bemerkung. \end{proof} \begin{definition} Es sei $R \subseteq A$ eine Ringerweiterung. Ein $a \in A$ heißt {\em ganz} über $R$, wenn es ein normiertes $f \in R[X]$ gibt mit $f(a) = 0$ in $A$, d.h. es gibt eine Ganzheitsgleichung $a^n + \sum_{i=0}^{n-1} r_i a^i = 0$ für $a$ mit $r_0,\dots,r_{n-1} \in R$. Ist jedes $a \in A$ ganz über $R$, so heißt $R \subseteq A$ eine {\em ganze Ringerweiterung}, oder kurz $A$ {\em ganz} über $R$. \end{definition} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \item $R$ ist ganz über $R$. [$f = X - r$] \item Ist $a \in A$ {\em nilpotent} (d.h. $a^n = 0$ für ein $n \in \mathbb N$) oder idempotent (d.h. $a^2 = a$), so ist $a$ ganz über $R$ [$f = X^n$ bzw. $f = X^2 - X$]. \item $\mathbb Z[\sqrt d]$ ist ganz über $\mathbb Z$. [für $a = x + \sqrt d y$ mit $x,y \in \mathbb Z$ ist $f(a) = 0$ für $f = X^2 - 2x - X + x^2 - dy^2$. Beachte $f \in \mathbb Z[X]$.] \item In $R \subseteq R[X]$ ist $X$ nur dann ganz über $R$, wenn $R = \{0\}$ ist. [$f \in R[X]$ normiert, $0 = f(X) = f$ $\Rightarrow$ $0 = 1$ in $R$] \end{enumerate} \end{example} \begin{theorem} Jede endliche Ringerweiterung ist ganz. \end{theorem} \begin{proof} Es sei $R \subseteq A$ eine endliche Ringerweiterung, $A = Ra_1 + \dots + Ra_n$, sowie $a \in A$. Für $1 \leq i \leq n$ gibt es $r_{i1},\dots,r_{in} \in R$ mit $aa_i = \sum_{j=1}^n r_{ij} a_j$. Mit $N = (r_{ij}) \in R^{n \times n}$ ist also $a(a_1 \cdots a_n)^T = N(a_1 \cdots a_n)^T$, d.h. $M(a_1 \cdots a_n)^T = 0$ für $M = a I_n - N \in A^{n \times n}$. Für das charakteristische Polynom $\chi_N \in R[X]$ von $N$ ist also $\det M = \chi_N(a)$ und $\chi_N$ unitär. Es genügt zu zeigen: $\det M = 0$. Für die Komplementärmatrix $\tilde M$ von $M$ ist $\tilde M M = \det(M) \cdot I_n$, also $0 = \tilde M M (a_1 \cdots a_n)^T = \det (M) (a_1 \cdots a_n)^T$, d.h. $\det(M)a_i = 0$ ($1 \leq i \leq n$). Mit $1 = \sum_{i=1}^n s_i a_i$ folgt $\det M = 0$. \end{proof} \begin{convention} Im folgenden sei $R \subseteq A$ stets eine Ringerweiterung. \end{convention} \begin{corollary*} Für jedes $a \in A$ sind äquivalent: \begin{enumerate}[i)] \item $a$ ist ganz über $R$. \item Es gibt ein $m \geq 1$ mit $R[a] \overset{(*)}{=} R + Ra + \dots + Ra^{m-1}$. \item $R[a]$ ist endlich über $R$. \end{enumerate} \end{corollary*} \begin{proof}\ \begin{description} \item[ii $\Rightarrow$ iii] \% \item[iii $\Rightarrow$ i] Satz. \item[i $\Rightarrow$ ii] Ist $a^m + \sum_{i=0}^{m-1} r_i a^i = 0$ mit $r_0,\dots,r_{m-1} \in R$, so ist $m$ wie verlangt in ii), denn: in $(*)$ ist "`$\supseteq$"' klar, und mit $a^m = - \sum_{i=0}^{m-1} r_i a^i$ liegen auch $a^{m+1} = aa^m$, $a^{m+2} = a^2a^m$ usw. in $R + Ra + \dots Ra^{m-1}$. \qedhere \end{description} \end{proof} \begin{corollary*} Es sind äquivalent \begin{enumerate}[i)] \item $A$ ist endlich über $R$. \item Es gibt ganze $b_1, \dots, b_m \in A$ mit $A = Rb_1 + \dots + Rb_m$. \item Es gibt ganze $a_1, \dots, a_n \in A$ mit $A = R[a_1, \dots, a_n]$. \qedhere \end{enumerate} \end{corollary*} \begin{proof} \begin{description} \item[i $\Rightarrow$ ii] Satz. \item[ii $\Rightarrow$ iii] man verwende $Rb_1 + \dots + Rb_m \subseteq R[b_1,\dots,b_m] \subseteq A$; dann: $n = m$, $a_1 = b_1$ für alle $i \leq n$. \item[iii $\Rightarrow$ i] Induktion nach $n$. $n = 1$: Korollar 1. $n \geq 2$: nach Induktion ist $B = R[a_1,\dots,a_n]$ endlich über $R$. Da $a_n$ ganz über $R$ ist, also auch über $B$, ist $A = B[a_n]$ endlich über $B$ (Korollar 1). Es folgt $A$ endlich über $R$. (Bemerkung).\qedhere \end{description} \end{proof} \begin{remark} Speziell gilt für $a_1, \dots, a_n \in A$: $R[a_1,\dots,a_n]$ endlich über $R$ $\Leftrightarrow$ $R[a_1,\dots,a_n]$ ganz über $R$. \end{remark} \begin{definition} Man nennt $\overline R = \{a \in A \colon \text{$a$ ganz über $R$}\}$ den {\em ganzen Abschluß} von $R$ in $A$. Es gilt $R \subseteq \overline R \subseteq A$. Im Falle $R = \overline R$ heißt $R$ {\em ganz abgeschlossen} in $A$. \end{definition} \begin{example} $R$ faktoriell $\Rightarrow$ $R$ ganz abgeschlossen in $K = Q(R)$. \end{example} \begin{corollary*}\ \begin{enumerate}[a)] \item $\overline R$ ist Unterring von $A$. \item $\overline R$ ist ganz abgeschlossen in $A$, d.h. $\overline {\overline R} = \overline R$, mit anderen Worten: Ist $a \in A$ ganz über $\overline R$ so ist $a$ ganz über $R$. \end{enumerate} \end{corollary*} \begin{proof}\ \begin{enumerate}[a)] \item Sind $x,y \in \overline R$, so ist $R[x,y]$ endlich über $R$ (Korollar 2), also $R[x,y] \subseteq \overline R$ (Satz), speziell $x \pm y, x \cdot y \in \overline R$. \item Es sei $a^n + \sum_{i=0}^{n-1} b_ia^i = 0$, $b_i \in \overline R$. Für $B = R[b_0,\dots,b_{n-1}]$ gilt $a \in \overline B$, also ist $B[a]$ endlich über $B$ (Korollar 1), sowie $B$ endlich über $R$ (Korollar 2). Es folgt: $B[a]$ ist endlich über $R$ (Bemerkung), also $B[a] \subseteq \overline R$ (Satz), speziell $a \in \overline R$. \qedhere \end{enumerate} \end{proof} \begin{corollary*}[Transitivität der Ganzheit] Sind $R \subseteq B$ und $B \subseteq A$ ganze Ringerweiterungen, so ist auch $A$ ganz über $R$. \end{corollary*} \begin{proof} \[\left.\begin{matrix}A \subseteq \overline B \\ B \subseteq \overline R \Rightarrow \overline B \subseteq \overline{\overline R}\end{matrix}\right\} \Rightarrow A \subseteq \overline{\overline R} = \overline R \qedhere\] \end{proof} \begin{definition} Eine {\em Körpererweiterung} ist eine Ringerweiterung $k \subseteq K$, in der $k, K$ beide Körper sind. Ist eine Körpererweiterung $k \subseteq K$ endlich, d.h. $\dim_k(K) < \infty$, so heißt $[K : k] = \dim_k(K)$ der {\em Grad} von $k \subseteq K$. Statt $k \subseteq K$ schreibt man auch $K / k$, d.h. "`$K$ über $k$"'. \end{definition} \begin{remark} Es seien $k, L, K$ Körper mit $k \subseteq L \subseteq K$. Genau dann ist $K / k$ endlich wenn $K / L$ und $L / k$ beide endlich sind, dann gilt: $[K : k] = [K : L] \cdot [L : k]$. \end{remark} \begin{proof} "`$\Leftarrow$"' schon für Ringe bewiesen. "`$\Rightarrow$"' \%. Noch zu den Graden: Aus $kb_1 \oplus \dots \oplus kb_m = L$ und $La_1 \oplus \dots \oplus La_n = K$ folgt wie früher $\sum_{i,j} k(a_ib_j) = K$, und die $a_i b_j$ ($1 \leq i \leq n$, $1 \leq j \leq m$) sind linear unabhängig, denn: $0 = \sum_{i,j} \underset{\in k}{\lambda_{ij}}(a_ib_j) = \sum_i(\sum_j \lambda_{ij} b_j) a_i$ $\Rightarrow$ $\sum_{j} \lambda_{ij} b_j = 0$ ($1 \leq i \leq n$) $\Rightarrow$ $\lambda_{ij} = 0$ ($1 \leq i \leq n$, $1 \leq j \leq n$) \end{proof} \begin{implication} Hat eine Körpererweiterung $K / k$ Primzahlgrad, so gibt es keinen Körper $L$ mit $k \subsetneq L \subsetneq K$. \end{implication} \begin{example} $\mathbb R \subseteq \mathbb C$, $[\mathbb C : \mathbb R] = 2$. \end{example} \begin{lemma}[Kronecker] Es sei $k$ ein Körper. Zu jedem $f \in k[X]$ mit $n = \deg(f) \geq 1$ (speziell $f \neq 0$) gibt es eine endliche Körpererweiterung $K / k$ mit $[K : k] \leq n!$ und dazu $a_1, \dots, a_n \in K$ mit $f = c \cdot (X - a_1) \cdots (X-a_n)$ für ein $c \in k$. \end{lemma} \begin{proof} Induktion nach $n$. $n = 1$: wie für Ringe gilt $f = \underset{\neq 0}cX + b = c(X - \underset{=a_1}{(-b / c)})$, $K = k$. $n \geq 2$: Da $k[X]$ ein Hauptidealring ist, gibt es ein Primelement $g \in k[X]$ mit $g \mid f$, wofür $1 \leq \deg(g) \leq n$, und $(g)$ ist maximales Ideal von $k[X]$, d.h. $K_1 = k[X] / (g)$ ist ein Körper. O.B.d.A. ist $g$ unitär. Der Ringhomomorphismus $k \hookrightarrow k[X] \underset{\text{kan.}}{\to} K_1$ ist injektiv. [$k$ Körper], also kann man $k$ als Unterkörper von $K_1$ auffassen mit $[K_1 : k] = \deg(g) \leq n$. Wie im Beispiel ist $a_1 = \overline X$ Nullstelle von $g$ in $K_1$, also auch $f(a_1) = 0$, d.h. $f = (X-a_1)\cdot f_1$ für ein $f_1 \in K_1[X]$ mit $1 \leq \deg(f_1) \leq n - 1$. Nach Induktion gibt es eine Körpererweiterung $K / K_1$ mit $[K : K_1] \leq (n-1)!$ und $f_1 = c \cdot (X - a_2) \cdots (X-a_n)$ mit $a_2, \dots, a_n \in K$ und $c \in k$. Nach Bemerkung ist $[K : k] = [K : K_1] \cdot [K_1 : k] \leq n!$. \end{proof} \begin{definition} Es sei $k \subseteq K$ eine Körpererweiterung. Man nennt $a \in K$ {\em algebraisch} über $k$, wenn es ein $f \in k[X]$ gibt mit $f \neq 0$ und $f(a) = 0$; sonst heißt $a$ {\em transzendent} über $k$. Sind alle $a \in K$ algebraisch über $k$, so heißt die Körpererweiterung $k \subseteq K$ {\em algebraisch} oder kurz $K$ {\em algebraisch} über $k$. \end{definition} \begin{observation} $a \in K$ (bzw. $K$) algebraisch über $k$. $\Longleftrightarrow$ $a$ (bzw. $K$) ist ganz über $k$. \end{observation} \begin{theorem} Jede endliche Körpererweiterung ist algebraisch \end{theorem} \begin{proof} Mit dem entsprechenden Satz über Ringerweiterungen, oder direkt: Es sei $n = [K : k]$. Für $a \in K$ sind $1, a, a^2, \dots, a^n$ $k$-linear abhängig, d.h. es gibt $\lambda_0,\dots,\lambda_n \in k$ mit $\sum_{i=0}^n \lambda_ia^i = 0$ und $\lambda_i \neq 0$ für ein $i$. Für $f = \sum_{i=0}^n \lambda_i X^i \in k[X]$ ist $f \neq 0$ und $f(a) = 0$. \end{proof} \begin{definition} $\overline k = \{a \in K \colon \text{$a$ algebraisch über $k$}\}$ den {\em algebraischen Abschluss} von $k$ in $K$. Wie früher ist $\overline k$ ein Unterring von $K$, sogar ein Körper: Für $a \in \overline k$ mit $a \neq 0$ nehme man $r_0,\dots,r_n \in k$ mit $\sum_{i=0}^n r_i a^i = 0$ und $r_i \neq 0$ für ein $i$. Dafür ist $0 = \frac{1}{a^n}\sum_{i=0}^n r_i a^i = \sum_{i=0}^n r_i \big(\frac{1}{a}\big)^{n-i}$, also $\frac{1}{a} \in \overline k$. \end{definition} \begin{definition} Für $S \subseteq K$ gilt $k[S] \subseteq K$. Die {\em Körperadjunktion} von $S \subseteq K$ an $k$ ist $k(S) = \{a \in K \colon \text{es gibt $x,y \in k[S]$ mit $y \neq 0$ und $a = \frac{x}{y}$}\}$. Es gilt $k[S] \subseteq k(S) \subseteq K$ und $k(S)$ ist ein Körper. Genauer: $k(S) = \bigcap\{L \subseteq K \colon \text{$L$ Unterkörper von $K$}, k \cup S \subseteq L\}$, d.h. $k(S)$ ist der kleinste Unterkörper von $K$, der $k \cup S$ umfasst. Für $S = \{a_1,\dots,a_n\}$ schreibt man $k(a_1,\dots,a_n)$ anstelle $k(S)$. Es gilt \[k(a_1,\dots,a_n) = \left\{\frac{f(a_1,\dots,a_n)}{g(a_1,\dots,a_n)} \colon f,g \in k[X_1,\dots,X_n], g(a_1,\dots,a_n) \neq 0\right\}\] \end{definition} \begin{lemma} Es sei $k \subseteq K$ eine Körpererweiterung. Sind $a_1,\dots,a_n \in K$ algebraisch über $k$, so ist $k[a_1,\dots,a_n] = k(a_1,\dots,a_n)$. \end{lemma} \begin{proof} Für $B = k[a_1,\dots,a_n]$ ist zu zeigen: $B$ ist ein Körper. Als Unterring von $K$ ist $B$ ein Integriätsring. Nach Korollar 2 ist $B$ endlich über $k$, d.h. $\dim_k(B) < \infty$. Für $b \in B \setminus \{0\}$ ist $\mu_b \colon B \to B, x \mapsto xb$ $k$-linear [sogar $B$-linear] und injektiv [$B$ Integritätsring, $b \neq 0$], also biektiv. Speziell ist $1 \in \im(\mu_b)$, d.h. $b \in B^\times$. \end{proof} \begin{remark} Beachte jedoch, dass z.B. $k[X] \subsetneq k(X)$. \end{remark} \begin{theorem}[Definition und Eigenschaften des Minimalpolynoms] Es sei $k \subseteq K$ eine Körpererweiterung. Ist $a \in K$ algebraisch über $k$, so gibt es genau ein irreduzibles und normiertes $f \in k[X]$ mit $f(a) = 0$, das {\em Minimalpolynom} von $a$ über $k$. Weiterhin gilt für jedes $g \in k[X]$: $g(a) = 0 \Leftrightarrow f \mid g$. Und mit $n = \deg(f)$ ist $1, a, a^2, \dots, a^{n-1}$ eine $k$-Basis von $k(a)$. \end{theorem} \begin{proof} Für $\varepsilon_a \colon k[X] \to K, g \mapsto g(a)$ ist $\ker(\varepsilon_a) \neq \{0\}$ [$a$ ist algebraisch über $k$], also $\ker(\varepsilon_a) = (f)$ für ein normiertes $f \in k[X]$, und $\im(\varepsilon_a) = k[a] = k(a)$ ist ein Körper, also $(f)$ ein maximales Ideal von $k[X]$ [verwende $k[X] / \ker(\varepsilon_a) \cong \im(\varepsilon_a)$], also ist $f$ irreduzibel. Für $g \in k[X]$ gilt: $g(a) = 0 \Leftrightarrow f \mid g$. Ist $f' \in k[X]$ irreduzibel und normiert mit $f'(a) = 0$, d.h. $f' = fh$ für ein $h \in k[X]$, so ist $h \in k^\times$ [$f'$ irreduzibel], sogar $h = 1$ [$f',f$ normiert], d.h. $f' = f$. Aus $k[X] / (f) = k1 \oplus kX \oplus \dots \oplus kX^{n-1}$ folgt längs $k[X]/(f) \cong k(a)$, dass $k(a) = k1 \oplus ka \oplus \dots \oplus ka^{n-1}$. Beachte $\varepsilon_a(X) = a$. \end{proof} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \item Für $n \geq 1$ und eine Primzahl $p$ ist $X^n - p$ das Minimalpolynom von $\sqrt[n]{p} \in \mathbb R$ über $\mathbb Q$, speziell ist $[\mathbb Q(\!\sqrt[n]{p}) : \mathbb Q] = n$. Damit ist der algebraische Abschluss $\overline {\mathbb Q}$ von $\mathbb Q$ in $\mathbb C$ nicht endlich über $\mathbb Q$. Natürlich ist $\overline {\mathbb Q}$ algebraisch über $\mathbb Q$. \item Für Primzahlen $p,q$ mit $p \neq q$ ist $f = X^4 - 2(p + q)X^2 + (p-q)^2$ das Minimalpolynom von $a = \sqrt p + \sqrt q$ über $\mathbb Q$. Denn $a^2 = p + q + 2 \sqrt{pq}$ $\Rightarrow$ $(a^2 - (p+q))^2 = 4pq$ $\Rightarrow$ $a$ ist Nullstelle von $(X^2 - (p+q))^2 - 4pq = X^4 - 2(p+q)X^2 + (p+q)^2 - 4pq = f$. Speziell gilt $[\mathbb Q(a) : \mathbb Q] \leq 4$. Wegen $q = (a - \sqrt p)^2 = a^2 + p - 2a\sqrt{p}$ und $a \neq 0$ ist $\mathbb Q(\sqrt p) \subseteq \mathbb Q(a)$, jedoch ist $a \not\in \mathbb Q(\sqrt p)$ (!), d.h. $\mathbb Q(\sqrt p) \subsetneq \mathbb Q(a)$, woraus mit $[\mathbb Q(\sqrt p) : \mathbb Q] = 2$ folgt: $[\mathbb Q(a) : \mathbb Q] = 4$ [Gradgründe]. Für das Minimalpolynom $f_0$ von $a$ über $\mathbb Q$ ist $\deg(f_0) = 4$, sowie $f_0 \mid f$, also $f_0 = f$ [$f$ ist unitär, $\deg(f) = 4$]. Noch zu (!): Wäre $a \in \mathbb Q(\sqrt p)$, so wäre $a = r + s \sqrt p$ mit $r,s \in \mathbb Q$, also $\sqrt q = r + (s-1)\sqrt p$, worin $s \neq 1$ [sonst $\sqrt q \in \mathbb Q$] und $r \neq 0$ [sonst $\sqrt{pq} = (s-1)p \in \mathbb Q$, was wegen $p \neq q$ unmöglich ist], sowie $q = \underbrace{r^2 + (s-1)^2p}_{\in \mathbb Q} + 2\underbrace{r(s-1)}_{\neq 0}\sqrt p$, also $\sqrt p \in \mathbb Q$, was unmöglich ist. \[\xymatrix{ & \mathbb Q(\sqrt p + \sqrt q) \ar@{-}[rd]_2 & \\ \mathbb Q(\sqrt p) \ar@{-}[ru]_2 & & \mathbb Q(\sqrt q) \ar@{-}[ld]^2 \\ & \mathbb Q \ar@{-}[lu]^2 & }\] \item Für jede Primzahl $p$ ist $f = X^{p-1} + X^{p-2} + \dots + X + 1$ das Minimalpolynom von $a = e^{2\pi i /p} \in \mathbb C$ über $\mathbb Q$, denn $f$ ist irreduzibel und $(a-1)f(a) = a^p - 1 = 0 \Rightarrow f(a) = 0$ und $f$ ist normiert. Im Fall $p = 3$ ist $a = e^{2\pi i / 3}$, $f = X^2 + X + 1$: \[\begin{xy} <2cm,0cm>: (-1.25,0);(1.25,0)**@{.};(0,-1.25);(0,1.25)**@{.}; (0,0)*{\bullet}*\cir(1,1){};(0,0); (1,0)**@{-}?>*@{>}+<1mm,0mm>*!L\txt{1}, (-0.5,\halfrootthree)**@{-}?>*@{>}-<2.0mm,0mm>*!R\txt{$e^{2i\pi/3}$}, (-0.5,-\halfrootthree)**@{-}?>*@{>}-<2.5mm,0mm>*!R\txt{$e^{4i\pi/3}$}, (-0.5,\halfrootthree);(-1,0)**@{--}?>*@{>}; (-0.5,-\halfrootthree);(-1,0)**@{--}?>*@{>} \end{xy}\] \end{enumerate} \end{example} \begin{remark} Es sei $k \subseteq K$ eine Körpererweiterung, $f \in k[X]$ normiert und $a \in K$ mit $f(a) = 0$. Dann ist $f$ das Minimalpolynom von $a$ über $k$ genau dann, wenn $\deg(f) = [k(a) : k]$ ist. In diesem Falle ist $f$ irreduzibel. Zum Beispiel ist für $a \in K \setminus k$ jedes $f \in k[X]$ mit $\deg(f) = 2$ und $f(a) = 0$ schon das Minimalpolynom von $a$ über $k$. \end{remark} \begin{lemma} Es sei $R$ ein Integritätsring mit Quotientenkörper $K$, $K \subseteq L$ eine Körpererweiterung, $a \in L$. Genau dann ist $a$ ganz über $R$, wenn $a$ algebraisch über $K$ ist und die Koeffizienten des Minimalpolynoms von $a$ über $K$ alle ganz über $R$ sind. \end{lemma} \begin{proof} O.B.d.A. ist $a$ algebraisch über $K$. Es sei $f$ das Minimalpolynom von $a$ über $K$, und $\overline R^L$ der algebraische Abschluss von $R$ in $L$. \begin{description} \item["`$\Leftarrow$"'] $f \in \overline R^L[X] \Rightarrow$ $a$ ist ganz über $\overline R^L$ $\Rightarrow$ $a$ ist ganz über $R$. \item["`$\Rightarrow$"'] Nehme $g \in R[X]$ normiert mit $g(a) = 0$. Es gibt eine Körpererweiterung $L \subseteq M$ und $b_1,\dots,b_m \in M$ mit $f = (X - b_1) \cdots (X-b_m)$. Wegen $f \mid g$ ist $g(b_i) = 0$, also $b_i \in \overline R^M$ (= algebraischer Abschluss von $R$ in $M$) für alle $i$. Es folgt $f \in \overline R^M[X]$ [Die Koeffizienten von $f$ sind Polynome in $b_1,\dots,b_m$] und damit $f \in \overline R^L[X]$, da $f \in K[X] \subseteq L[X]$ und $\overline R^M \cap L = \overline R^L$ (!). \qedhere \end{description} \vspace{-1em} \[\xymatrix@=15pt{ \overline R^M \POS[];[0,1]**@{}?*\txt{$\subseteq$} & M & \\ \overline R^L \POS[];[0,1]**@{}?*\txt{$\subseteq$},[-1,0]**@{}?/1pt/*[left]\txt{$\subseteq$} & L \POS[];[0,1]**@{}?*\txt{$\ni$},[-1,0]**@{}?/1pt/*[left]\txt{$\subseteq$} & a \\ R \POS[];[0,1]**@{}?*\txt{$\subseteq$},[-1,0]**@{}?/1pt/*[left]\txt{$\subseteq$} & K \POS[];[0,1]**@{}?*\txt{$=$},[-1,0]**@{}?/1pt/*[left]\txt{$\subseteq$} & Q(R) }\] \end{proof} \begin{theorem} Ist $d \in \mathbb Z \setminus \{0,1\}$ {\em quadratfrei}, d.h. $p^2 \nmid d$ für alle Primzahlen $p$, so gilt für den algebraischen Abschlus $\overline {\mathbb Z}$ von $\mathbb Z$ in $\mathbb Q(\sqrt d)$ (dabei gilt $m \equiv n \bmod k \Leftrightarrow k \mid m-n$): \[\overline {\mathbb Z} = \begin{cases} \mathbb Z[\sqrt d] & \text{falls $d \not\equiv 1 \pmod 4$} \\ \mathbb Z[\frac{1 + \sqrt d}{2}] & \text{falls $d \equiv 1 \pmod 4$} \end{cases}\] \end{theorem} \begin{proof} Da $X^2 - d$ nach Voraussetzung keine Nullstelle in $\mathbb Z$ hat, ist $X^2 - d$ in $\mathbb Z[X]$, also auch in $\mathbb Q[X]$ irreduzibel und damit das Minimalpolynom von $\sqrt d$ über $\mathbb Q$. Speziell: $[\mathbb Q(\sqrt d) : \mathbb Q] = 2$, $\mathbb Q(\sqrt d) = \mathbb Q \cdot 1 \oplus \mathbb Q(\sqrt d)$. Fall $d \not\equiv 1 \bmod 4$: "`$\supseteq$"' $\mathbb Z[\sqrt d]$ ist endich über $\mathbb Z$, also ganz über $\mathbb Z$. "`$\subseteq$"' Es sei $a \in \overline {\mathbb Z}$, $a = x + y\sqrt d$ mit $x,y \in \mathbb Q$. Ist $y = 0$, so ist $a = x \in \mathbb Q$, also $a \in \overline {\mathbb Z} \cap \mathbb Q = \mathbb Z$. Ist $y \neq 0$, speziell $a \not\in \mathbb Q$, so ist $f = X^2 - 2xX + (x^2 - dy^2)$ nach Bemerkung das Minimalpolynom von $a$ über $\mathbb Q$, da $f(a) = 0$. Gemäß Lemma ist $2x \in \mathbb Z$ und $x^2 - dy^2 \in \mathbb Z$, also $4x^2 \in \mathbb Z$ und $4 d y^2 \in \mathbb Z$. Da $d$ quadratfrei ist, ist auch $2y \in \mathbb Z$ [$2y = \frac{r}{3}$, $r, s \in \mathbb Z \Rightarrow (4dy^2)s^2 = dr^2$, d.h. $zs^2 = dr^2$ für $z = 4dy^2 \in \mathbb Z \Rightarrow$ aus $p \mid s$ folgt $p \mid r$, $p$ prim $\Rightarrow$ $ s \mid r$]. Mit $u = 2x \in \mathbb Z$, $v = 2y \in \mathbb Z$ ist $u^2 - dv^2 = 4\underbrace{(x^2 - dy^2)}_{\in \mathbb Z}$, d.h. $u^2 \equiv dv^2 \bmod 4$. Fall 1: $v$ gerade $\Rightarrow$ $u$ gerade $\Rightarrow$ $x, \in \mathbb Z$. Fall 2: $v$ ungerade $\Rightarrow$ $v^2 \equiv 1 \bmod 4$ $\Rightarrow$ $u^2 \equiv d \bmod 4$ $\Rightarrow$ $ u$ ungerade $\Rightarrow$ $u^2 \equiv 1 \bmod 4$ $\Rightarrow$ $d \equiv 1 \bmod 4$, was ausgeschlossen ist. Der Fall $d \equiv 1 \bmod 4$ ist ähnlich zu beweisen. \end{proof} \section{Körper} \subsection{Galoiserweiterungen} \begin{definition} Für jeden Ring $R$ ist $\rho \colon \mathbb Z \to R, z \mapsto z \cdot 1$ ein Ringhomomorphismus, also $\ker(\rho) = (n)$ für genau ein $n \geq 0$. Dieses $n$ nennt man die {\em Charakteristik} von $R$, kurz $\ch(R) = n$. Für jeden Unterring $R'$ von $R$ ist $\im (\rho) \subseteq R'$, also $\rho = i \circ \rho'$ für $i \colon R' \hookrightarrow R$, $\rho' \colon \mathbb Z \to R', z \mapsto z \cdot 1$, d.h. folgendes Diagramm kommutiert: \[\xymatrix{ \mathbb Z \ar[r]_{\rho}\ar[rd]_{\rho'} & R \\ & R' \ar[u]_{i} }\] Es folgt $\ker (\rho) = \ker (\rho')$ und damit $\ch(R) = \ch(R')$. Ist $R$ ein Integritätsring, so ist auch $\im(\rho) \cong \mathbb Z / \ker(\rho)$ ein Integritätsring, d.h. $\ker (\rho) = (\ch(R))$ ist ein Primideal, d.h. $\ch(R) = 0$ oder $\ch(R) = p$ für eine Primzahl $p$. \end{definition} \begin{definition} Für jeden Körper $K$ definieren wir den {\em Primkörper} $K_0$ von $K$ durch $K_0 = \im(\rho)$, falls $\ch(K) = p$ mit einer Primzahl $p$ bzw. $K_0 = \im (\tilde \rho)$, falls $\ch(K) = 0$, wobei $\tilde \rho \colon \mathbb Q \to K, \frac{r}{s} \mapsto \frac{\rho(r)}{\rho(s)}$ der {\em von $\rho$ induzierte Ringhomomorphismus} sei, welcher injektiv ist. [hier: $\rho$ injektiv]. \end{definition} \begin{remark} In jedem Fall ist $K_0$ ein Körper, genauer gilt \[K_0 \cong \begin{cases}\mathbb Q & \text{falls $\ch(K) = 0$} \\ \mathbb Z / (p) & \text{falls $\ch(K) = p$} \end{cases}\] Es gilt sogar $K_o \overset{(!)}{=} \bigcap \{L \subseteq K \colon \text{$L$ Unterkörper von $K$}\}$. Speziell ist $K_0$ der kleinste Unterkörper von $K$. Noch zu $(!)$: "`$\subseteq$"' Für alle $L$ wie oben ist $\im(\rho) \subseteq L$. Fall $\ch(K) = p$: $K_0 = \im (\rho)$. Fall $\ch(K) = 0$: Sogar $\im(\tilde \rho) \subseteq L$ für alle $L$ wie oben [für $\frac{r}{s} \in \mathbb Q$ sind $\rho(r), \rho(s) \in L$, also $\frac{\rho(r)}{\rho(s)} \in L$, da $L$ ein Körper ist]. Es ist $K_0 = \im (\tilde \rho)$. \end{remark} \begin{remark}\ \begin{enumerate}[a)] \item Ist $K$ ein eindlicher Körper, so ist $\ch(K) = p$ und $|K| = p^n$ für eine Primzahl $p$. \item Ist $R$ ein kommutativer Ring mit $\ch(R) = p$ für eine Primzahl $p$, so ist $F \colon R \to R, x \mapsto x^p$ ein Ringhomomorphismus, der sogenannte {\em Frobeniushomomorphismus} von $R$. \end{enumerate} \end{remark} \begin{proof}\ \begin{enumerate}[a)] \item Wegen $K_0 \subseteq K$ ist $K_0 \not\cong \mathbb Q$, also $K_0 \cong \mathbb Z / (p)$ für eine Primzahl $p$. Ferner $n = [K : K_0] < \infty$ und $K \cong K_0^n$, also $|K| = p^n$. \item Für $0 < k < p$ ist $p \mid \begin{smallpmatrix}p \\ k\end{smallpmatrix}$, d.h. $\begin{smallpmatrix}p \\ k\end{smallpmatrix} = 0$ in $\mathbb Z / (p)$ und damit auch in $R$, da ja $\mathbb Z / (p) \underset{\rho}{\to} R$ ein Ringhomomorphismus ist. Es folgt \[F(x+y) = (x+y)^p = x^p + \underbrace{\sum_{k=1}^{p-1} \begin{smallpmatrix}p \\ k\end{smallpmatrix} x^k y^{p-k}}_0 + y^p = x^p + y^p = F(x) + F(y)\] Ohnehin gilt $F(1) = 1^p = 1$, $F(xy) = (xy)^p = x^py^p = F(x)F(y)$. \qedhere \end{enumerate} \end{proof} \begin{definition} Es sei $K$ ein Körper. Man nennt \[\aut(K) = \{\sigma \colon K \to K \colon \text{$\sigma$ bijektiver Ringhomomorphismus}\}\] die {\em Automorphismengruppe} von $K$. Für jeden Unterkörper $k$ von $K$ ist $\gal(K/k) = \{\sigma \in \aut(K) \colon \sigma|_k = \id_k\}$ eine Untergruppe von $\aut(K)$, die {\em Galoisgruppe} von $K$ über $k$. \end{definition} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \setcounter{enumi}{-1} \item $\gal(K/K) = \{\id_K\}$ und $\gal(K/K_0) = \aut(K)$ [für $z \in \mathbb Z$ und $\sigma \in \aut(K)$ ist $\sigma(z \cdot 1) = \sigma(1 + \dots + 1) = \sigma(1) + \dots + \sigma(1) = z \sigma(1) = z \cdot 1$ bzw, wenn $\ch(K) = 0$, dann $K_0 = \{\frac{r1}{s1} \colon \frac{r}{s} \in \mathbb Q\}$ und $\sigma(\frac{r1}{s1}) = \frac{\sigma(r1)}{\sigma(s1)} = \frac{r1}{s1}$] \item Es sei $d \in \mathbb Z \setminus \{0,1\}$ quadratfrei, $K = \mathbb Q(\sqrt d)$. Mit $K = \mathbb Q 1 \oplus \mathbb Q \sqrt d$ sei $\tau \colon K \to K$ mit $\tau(x + y\sqrt d) = x - y\sqrt d$. Nun ist $\tau \in \aut(K)$, und für jedes $\sigma \in \aut(K)$ ist $\sigma(\sqrt d)^2 = \sigma({\sqrt d}^2) = \sigma(d) = d$, d.h. $\sigma(\sqrt d) = \pm \sqrt d$, d.h. $\sigma = \id_K$ oder $\sigma = \tau$. Es folgt $\aut(K) = \{\id, \tau\}$. \item Es sei $p$ eine Primzahl, $K = \mathbb Q(\sqrt[3]{p})$ mit $a = \sqrt[3]{p}$ ist $K = \mathbb Q 1 \oplus \mathbb Q a \oplus \mathbb Qa^2$. Für jedes $\sigma \in \aut(K)$ ist $\sigma(a)^3 = \sigma(a^3) = \sigma(p) = p$, also $\sigma(a) = a$, da $\sigma(a) \in \mathbb R$ und damit $\sigma(a^2) = \sigma(a)^2 = a^2$, also $\sigma = \id$ und $\aut(\mathbb Q(\sqrt[3]{p})) = \{\id\}$. \item Es seien $p \neq q$ Primzahlen, $K = \mathbb Q(a)$ mit $a = \sqrt p + \sqrt q$. Wegen $a^2 = p + q + 2 \sqrt {pq}$, $a^3 = (p + 3q)\sqrt p + (3p + q) \sqrt q$ ist auch $K = \mathbb Q 1 \oplus \mathbb Q \sqrt p \oplus \mathbb Q \sqrt q \oplus \mathbb Q \sqrt{pq}$. Für $\sigma \in \aut(K)$ ist wie oben $\sigma(\sqrt p) = \pm \sqrt p$, $\sigma(\sqrt q) = \pm \sqrt q$ und damit $\sigma(\sqrt{pq}) = \pm \sqrt{pq}$. Als Elemente von $\aut(K)$ kommen also nur die folgenden $\mathbb Q$-linearen Isomorphismen $\sigma_1,\sigma_2,\sigma_3,\sigma_4 \colon K \to K$ in Frage: \begin{center} \begin{tabular}{l|rrrr} & 1 & $ \sqrt p$ & $ \sqrt q$ & $ \sqrt{pq}$ \\ \hline $\sigma_1$ & 1 & $ \sqrt p$ & $ \sqrt q$ & $ \sqrt{pq}$ \\ $\sigma_2$ & 1 & $-\sqrt p$ & $ \sqrt q$ & $-\sqrt{pq}$ \\ $\sigma_3$ & 1 & $ \sqrt p$ & $-\sqrt q$ & $-\sqrt{pq}$ \\ $\sigma_4$ & 1 & $-\sqrt p$ & $-\sqrt q$ & $ \sqrt{pq}$ \end{tabular} \end{center} Nun sind $\sigma_1,\sigma_2,\sigma_3,\sigma_4$ alle Ringhomomorphismen (!) und damit $\aut(K) = \{\sigma_1 = \id,\sigma_2,\sigma_3,\sigma_4\}$. Also ist $\aut(K) \cong \mathbb Z/(4)$ oder $\aut(K) \cong V$ mit der Kleinschen Vierergruppe $V$. Wegen $\sigma_i^2 = \id$ für $i = 1,\dots,4$ ist $\aut(K) \not\cong \mathbb Z/(4)$, also $\aut(K) \cong V$. \end{enumerate} \end{example} \begin{lemma}[Dedekind] Es seien $K,K'$ Körper, $n \geq 1$. Für paarweise verschiedene Ringhomomorphismen $\varphi_1,\dots,\varphi_n \colon K \to K'$ gilt: \begin{enumerate}[a)] \item Für $y_1,\dots,y_n \in K'$ gilt: Ist $\sum_{i=1}^n y_i \varphi_i(x) = 0$ für alle $x \in K$, so ist $y_1 = y_2 = \dots = y_n = 0$. \item $L = \{x \in K \colon \varphi_1(x) = \dots = \varphi_n(x)\}$ ist ein Unterkörper von $K$ mit $[K : L] \geq n$. Das gilt auch für $[K:L] \not< \infty$. \end{enumerate} \end{lemma} \begin{proof}\ \begin{enumerate}[a)] \item Induktion nach $n$. $n = 1$: Aus $0 = y_1\varphi_1(1) = y_1 1 = y_1$ "`folgt"' $y_1 = 0$. $n \geq 2$: Für $y \in K'$ und $\varphi \colon K \to K'$ sei $y \varphi \colon K \to K', x \mapsto y \varphi(x)$ (damit wird $(K')^K$ zu einem $K'$-Vektorraum). Speziell gilt: $\sum y_i \varphi_i = 0 \Leftrightarrow \forall x\in K (\sum y_i \varphi_i(x) = 0)$. Annahme: $\exists i (y_i \neq 0)$. O.B.d.A. $i = 1$, $y_1 = -1$, d.h. $\varphi_1 = \sum_{i=2}^n y_i \varphi_i$. Es folgt: $\sum_{i=2}^n y_i \varphi_i(a) \varphi_i(x) = \sum_{i=2}^n y_i \varphi_i(ax) = \varphi_1(ax) = \varphi_1(a)\varphi_1(x) = \varphi_1(a)\sum_{i=2}^n y_i \varphi_i(x)$ für alle $a,x \in K$, also $\sum_{i=2}^n \underbrace{y_i (\varphi_i(a) - \varphi_1(a))}_{\in K'}\varphi_i = 0$ für alle $a \in K$. Nach Induktion ist $y_i(\varphi_i(a) - \varphi_1(a)) = 0$ für alle $a \in K$ und $i \geq 2$. Für jedes $i \geq 2$ gibt es $a \in K$ mit $\varphi_i(a) \neq \varphi_1(a)$, womit $y_i = 0$ folgt, also $y_1 \varphi_1 = 0$ und damit ($n = 1$): $y_1 = 0$, also Widerspruch. \item $L = \{x \in K \colon \varphi_1(x) = \dots = \varphi_n(x)\}$ ist ein Unterkörper von $K$. (!) Noch zu zeigen: $[L : K] \geq n$. Dafür ist zu zeigen, dass aus $K = \sum_{j=1}^r La_j$ folgt, dass $r \geq n$. Dazu: Für $M = (\varphi_i(a_j))^T_{i,j} \in (K')^{r \times n}$ ist $\mu \colon (K')^n \to (K')^r, s \mapsto Ms$ $K'$-linear. Es reicht zu zeigen: $\mu$ ist injektiv. Dazu sei $s = (y_1,\dots,y_n)^T \in (K')^n$ mit $Ms = 0$. Für jedes $x \in K$ mit $x = \sum_{j=1}^r \lambda_j a_j$ ($\lambda_j \in L$) folgt \[\sum_{i=1}^n y_i \varphi_i(x) = \sum_{i,j} y_i \underbrace{\varphi_i(\lambda_j)}_{\varphi_1(\lambda_j)} \varphi_i(a_j) = \sum_j \varphi_1(\lambda_j)\underbrace{\sum_i \varphi_i(a_j)y_i}_{(M_s)_j = 0} = 0\] Nach a) ist $y_1 = y_2 = \dots = y_n = 0$, d.h. $s = 0$.\qedhere \end{enumerate} \end{proof} \begin{implication} Für jede {\em endliche} Körpererweiterung $k \subseteq K$ ist $|\gal(K/k)| \leq [K : k]$. Insbesondere ist $\gal(K/k)$ eine {\em endliche} Untergruppe von $\aut(K)$. \end{implication} \begin{proof} Für $n \geq 1$ paarweise verschiedene $\sigma_1, \dots, \sigma_n \in \gal(K/k)$ ist $k \subseteq L \subseteq K$ für $L = \{x \in K \colon \varphi_1(x) = \dots = \varphi_n(x)\}$ und nach Lemma b) ist $L$ ein Körper mit $[K:L] \geq n$, also $[k : k] = [K:L]\cdot [L:k] \geq n$. \end{proof} \begin{definition} Eine endliche Körpererweiterung $k \leq K$ heißt {\em galoissch} oder {\em Galoiserweiterung}, wenn in obiger Folgerung "`$=$"' gilt, d.h. $|\gal(K/k)| = [K : k]$. \end{definition} \begin{example} $\mathbb Q(\sqrt d)$ und $\mathbb Q(\sqrt p + \sqrt q)$ sind galoissch über $\mathbb Q$, $\mathbb Q(\sqrt[3] p)$ ist nicht galoissch über $\mathbb Q$. \end{example} \begin{remark} Jeder endliche Körper $K$ ist über seinem Primkörper $K_0$ galoissch. Genauer: Mit $K_0 \cong \mathbb Z / (p)$ ist $|K| = p^n$ für $n = [K : K_0]$. Speziell ist $|K^\times| = p^n -1$, also $a^{p^n-1} = 1$ für alle $a \in K^\times$, d.h. $a^{p^n} = a$ für alle $a \in K$, d.h. $F^n = \id$ für den Frobeniushomomorphismus $F \colon K \to K, x \mapsto x^p$. Es gilt sogar: $\ord(F) = n$, denn ist $F^r = \id$, d.h. $X^{p^r}-X$ hat {\em alle} $a \in K$ als Nullstellen, so ist $p^n \leq p^r$, d.h. $n \leq r$. Es folgt: $\gal(K/K_0) = \aut(K)$ ist gleich $\langle F \rangle$ eine zyklische Gruppe der Ordnung $n = [K : K_0]$. Beachte $|\gal(K/K_0)| \leq n$. Spezialfall $n = 1$: In $\mathbb Z / (p)$ ist $F = \id$, d.h. für alle $x \in \mathbb Z$ ist $x^p \equiv x \bmod p$ (Kleiner Satz von Fermat). \end{remark} \begin{definition} Ist $K$ ein Körper und $G$ eine Untergruppe von $\aut(K)$, so ist $\fix_K(G) = \{x \in K \colon \text{$\sigma(x) = x$ für alle $\sigma \in G$} \}$ ein Körper, der {\em Fixkörper} von $G$ in $K$. Ist $G$ zudem endlich, so hat man $\tr \colon K \to K, x \mapsto \sum_{\sigma \in G} \sigma(x)$, die {\em Spur} von $G$ in $K$ ("`trace"'). Diese ist $\fix_K(G)$-linear. Nach dem Lemma von Dedekind ist $\tr \neq 0$, d.h. $\tr(a) \neq 0$ für ein $a \in K$. \end{definition} \begin{remark} Für jede endliche Untergruppe $G$ von $\aut(K)$ ist $\im(\tr) = \fix_K(G)$. \end{remark} \begin{proof} "`$\subseteq$"': Für $\rho \in G$ ist $\rho G = G$, also für $y = \tr(x) = \sum_{\sigma \in G} \sigma(x)$: \[\rho(y) = \sum_{\sigma \in G} \rho \sigma(x) = \sum_{\pi \in \rho G} \pi(x) = \sum_{\pi \in G} \pi(x) = \tr(x) = y\] "`$\supseteq$"': Nehme $a \in K$ mit $\tr(a) \neq 0$. Dafür $\tr(a) \in \fix_K(G)$ gemäß "`$\subseteq$"'. Für $y \in \fix_K(G)$ ist also $x = y/\tr(a) \in \fix_K(G)$ mit $y = x \tr(a) = \tr(xa) \in \im(\tr)$. \end{proof} \begin{lemma}[Artin] Ist $K$ ein Körper, und $G$ eine endliche Untergruppe von $\aut(K)$, so ist $K$ galoissch über $k = \fix_K(G)$ mit $\gal(K/k) = G$, speziell $[K : k] = |G|$. \end{lemma} \begin{proof} Es sei $G = \{\sigma_1,\dots,\sigma_n\}$, $|G| = n$. Für $[K:k] \leq n$ ist zu zeigen: Sind $a_1,\dots,a_r \in K$ $k$-linear unabhängig, so ist $r \leq n$. Reicht zu zeigen: Die $k$-lineare Abbildung $\mu \colon K^r \to K^n, s \mapsto Ms$ mit $M = (\sigma_i^{-1}(a_j))_{i,j} \in K^{n \times r}$ ist injektiv. Dazu sei $s = (y_1,\dots,y_r)^T \in K^r$ mit $Ms = 0$. Für die Spur $\tr = \sum_{i=1}^n \sigma_i$ von $G$ in $K$ und $x \in K$ ist \[\sum_{j=1}^r \tr(xy_j)a_j = \sum_j \sum_i \sigma_i(xy_j)a_j = \sum_i\sum_j a_j \sigma_i(xy_j) = \sum_i\sigma_i\bigg(x \underbrace{\sum_j \sigma_i^{-1}(a_j)y_j}_{(Ms)_i=0}\bigg) = 0\] also $\tr(xy_j) = 0$ für alle $j$ [$a_1,\dots,a_r$ sind $k$-linear unabhängig und $\tr(xy_j) \in \im(\tr) = \fix_K(G) = k$]. Nehme $a \in K$ mit $\tr(a) \neq 0$. Wäre $y_j \neq 0$ für ein $j$, so wäre $x = a/y_j \in K$ mit $xy_j = a$, also $\tr(xy_j) \neq 0$ für dieses $j$, was unmöglich ist. Damit ist $y_1 = \dots = y_r = 0$, d.h. $s = 0$. Also $[K : k] \leq n$. Mit $G \subseteq \gal(K/k)$ folgt aus $[K : k] \leq n$, dass $n = |G| \leq |\gal(K/k)| \leq [K:k] \leq n$, also $G = \gal(K/k)$ und $|\gal(K/k)| = [K:k]$, speziell ist $K/k$ galoissch. \end{proof} \begin{theorem}[Erste Charakterisierung der Galoiserweiterungen] Für jede Körpererweiterung $k \subseteq K$ sind folgende Aussagen äquivalent: \begin{enumerate}[i)] \item $K/k$ ist galoissch. \item $K/k$ ist endlich und $\fix_K(\gal(K/k)) = k$. \item Es gibt eine endliche Untergruppe $G$ von $\aut(K)$ mit $\fix_K(G) = k$. \end{enumerate} \end{theorem} \begin{remark} $\fix_K(\gal(K/k)) = k$ bedeutet, dass $\forall x \in K \setminus k\;\exists \sigma \in \gal(K/k)\;(\sigma(x) \neq x)$. \end{remark} \begin{proof}\ \begin{description} \item[i $\Rightarrow$ ii] $K/k$ ist endlich. Nach der Folgerung zum Lemma von Dedekind ist $G = \gal(K/k)$ endlich. Nach dem Lemma von Artin ist also $K$ galoissch über $\widetilde k = \fix_K(G)$. In $K \subseteq \widetilde k \subseteq K$ gilt $[K : \widetilde k] = |G| \underset{i}{=} [K:k]$, also $[\widetilde k : k] = 1$, d.h. $k = \widetilde k$. \item[ii $\Rightarrow$ iii] Wie oben ist $G = \gal(K/k)$ endlich. \item[iii $\Rightarrow$ i] Lemma von Artin. \qedhere \end{description} \end{proof} \begin{remark} Für $G$ wie in iii) muss $G = \gal(K/k)$ sein [Lemma von Artin]. \end{remark} \begin{application} Ein Körper $K$ ist genau dann galoissch über seinem Primkörper $K_0$, wenn $K / K_0$ endlich und $\fix_K(\aut(K)) = K_0$ ist. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn $K$ endlich ist, auch für $K = \mathbb Q(\sqrt d)$ und $K = \mathbb Q(\sqrt p + \sqrt q)$, jedoch nicht für $K = \mathbb Q(\sqrt[3]{p})$. \end{application} \begin{corollary} Für jede endliche Körpererweiterung $k \subseteq K$ ist $|\gal(K/k)|$ ein Teiler von $[K : k]$ und $\fix_K(\gal(K/k))$ ist der kleinste Zwischenkörper von $k \subseteq K$, über dem $K$ galoissch ist. \end{corollary} \begin{proof} Mit $G = \gal(K/k)$, $\widetilde k = \fix_K(G)$ ist $G$ endlich (Folgerung zum Lemma von Dedekind), also $K/\widetilde k$ galoissch mit $\gal(K/\widetilde k) = G$ (Lemma von Artin). Speziell: $|G| \mid [K:k]$, genauer: $[K:k] = [K:\widetilde k] \cdot [\widetilde k : k] = |G| \cdot [\widetilde k:k]$. Ist $L$ ein Zwischenkörper mit $K/L$ galoissch, so gilt $\widetilde k \subseteq \fix_K(\gal(K/L)) = L$ [$G \supseteq \gal(K/L)$, $K/L$ galoissch, Satz]. \end{proof} \begin{theorem} Für Körper $k \subseteq L \subseteq K$ gilt: Ist $K/k$ galoissch, so ist auch $K/L$ galoissch. (Für $L/k$ siehe unten!) \end{theorem} \begin{proof} Für $G = \gal(K/k)$, $H = \gal(K/L)$ ist $|H| \leq [K:L]$ (Folgerung zum Lemma von Dedekind). Ist $G/H = \{\sigma_1, \dots, \sigma_r\}$ mit $[G:H] = r$, so sind auch die Ringhomomorphismen $\sigma_i|_L \colon L \to K, x \mapsto \sigma_i(X)$ mit $1 \leq i \leq r$ paarweise verschieden, denn: $\sigma_i|_L = \sigma_j|_L \Leftrightarrow$ $\sigma_j^{-1}\sigma_i \in H \Leftrightarrow \sigma_iH = \sigma_jH$ (beachte $H = \gal(K/L)$!). Für $L_0 = \{x \in L \colon \sigma_1(X) = \cdots = \sigma_r(x)\}$ ist also $[L : L_0] \geq r$ (Lemma von Dedekind), woraus folgt: $|H| \cdot r = |G| = [K:k] = [K:L] \cdot [L:L_0] \cdot [L_0 : k] \geq [K:L] \cdot r$ [Lagrange, $K/k$ galoissch], d.h. $|H| \geq [K:L]$. \end{proof} \begin{theorem}[Hauptsatz der Galoistheorie] Es sei $k \subseteq K$ galoissch, $G = \gal(K/k)$. \begin{enumerate}[a)] \item Mit $\mathcal L = \{L \colon \text{$L$ Zwischenkörper von $K/k$}\}$ und $\mathcal H = \{H \colon \text{$H$ Untergruppe von $G$}\}$ sind die Abbildungen \[\mathcal L \to \mathcal H, L \mapsto \gal(K/L)\qquad \mathcal H \to \mathcal L, H \mapsto \fix_K(H)\] zueinander inverse, ordnungsumkehrende Bijektionen. Hier: $\subseteq$ als partielle Ordnung. \item Für $L \in \mathcal L$ mit $H = \gal(K/L)$: \begin{enumerate}[1)] \item $[K:L] = |H|$ und $[L:k] = [G:H]$. \item $\forall \sigma \in G \colon ( \sigma(L) \subseteq L \Leftrightarrow \sigma \in N_G(H))$. \item $L/k$ galoissch $\Leftrightarrow$ $H \lhd G$. In diesem Fall ist $\gal(L/k) \cong G/H$. \end{enumerate} \end{enumerate} \end{theorem} \begin{proof}\ \begin{enumerate}[a)] \item $L_1 \subseteq L_2 \Rightarrow \gal(K/L_1) \supseteq \gal(K/L_2)$; $H_1 \subseteq H_2 \Rightarrow \fix_K(H_1) \supseteq \fix_K(H_2)$. Gemäß Lemma von Artin ist $\gal(K/\fix_K(H)) = H$ für jedes $H \in \mathcal H$. Für jedes $L \in \mathcal L$ ist $K/L$ galoissch (voriger Satz), also $\fix_K(\gal(K/L)) = L$ (vorvoriger Satz). \item \begin{enumerate}[1)] \item Wegen $K/L$ galoissch ist $[K:L] = |H|$, also $|H| \cdot [L:k] = [K:k] = |G| = |H| \cdot [G:H]$ [$K/k$ galoissch, Lagrange], d.h. $[L:k] = [G:H]$. \item Für jedes $\sigma \in G$ gilt $\gal(K/\sigma(L)) = \sigma H \sigma^{-1}$, denn: Für jedes $\sigma \in G$ gilt $\rho \in \gal(K/\sigma(L)) \Leftrightarrow \rho\sigma|_L = \sigma|_L \Leftrightarrow \sigma^{-1}\rho\sigma \in H \Leftrightarrow \rho \in \sigma H \sigma^{-1}$. Mit a) folgt für $\sigma \in G$: $\sigma(L) \subseteq L \Leftrightarrow \sigma H \sigma^{-1} \supseteq H \Leftrightarrow \sigma H \sigma^{-1} = H \Leftrightarrow \sigma \in N_G(H)$. Speziell: $\forall \sigma \in G \colon ( \sigma(L) \subseteq L) \Leftrightarrow G = N_G(H) \Leftrightarrow H \lhd G$. \item "`$\Rightarrow$"' Es sei $\gal(L/k) = \{\sigma_1, \dots, \sigma_r\}$ mit $|\gal(L/k)| = r$. Wäre $\sigma(L) \not\subseteq L$ für ein $\sigma \in G$, so wäre $L \hookrightarrow K \overset{\sigma}{\to} K$ von jedem $L \hookrightarrow K \overset{\sigma_i}{\to} K$ verschieden. Für $L_0 = \{x \in L \colon \sigma(x) = \sigma_1(x) = \dots = \sigma_r(x)\}$ wäre dann $[L : L_0] \geq r + 1$ (Lemma von Dedekind), also $[L : k] \geq r + 1$, aber da $L/k$ galoissch nach Voraussetzung ist, ist $[L:k] = r$, was unmöglich ist. "`$\Leftarrow$"' Da $\sigma(L) \subseteq L$ für alle $\sigma \in G$, hat man $\rho \colon G \to \gal(L/k), \sigma \mapsto \sigma|_L$. Dieses $\rho$ ist ein Gruppenhomomorphismus mit $\ker(\rho) = H$. Also ist $G/H \cong \im (\rho) \subseteq \gal(L/k)$. Es folgt \[[L:k] \underset{1)}{=} [G:H] = |\im(\rho)| \leq |\gal(L/k)| \leq [L:k]\] und damit ist $L/k$ galoissch, $\im(\rho) = \gal(L/k)$, also $G/H \cong \gal(L/k)$.\qedhere \end{enumerate} \end{enumerate} \end{proof} \setcounter{corollary*}{0} \begin{corollary*}[Bestimmung des primitiven Elements] Zu jeder Galoiserweiterung $k \subseteq K$ gibt es ein $a \in K$ mit $K = k(a)$. \end{corollary*} \begin{proof} Ist $k$ endlich, so ist auch $K$ endlich, also $K^\times$ zyklisch. Aus $K^\times = \langle a \rangle$ folgt $K = k(a)$. Nun sei $k$ unendlich. Im Hauptsatz ist $\mathcal H$, also auch $\mathcal L$ endlich (dies genügt, zusammen mit $k$ unendlich, für's Folgende). Also: $\{k(a) \colon a \in K\} \subseteq \mathcal L$ hat ein bzgl. "`$\subseteq$"' maximales Element, etwa $k(a_0)$, wofür $K = k(a_0)$, denn: Für $b \in K$ zeige $b \in k(a_0)$ wie folgt. Die Abbildung $k \to \mathcal L, x \mapsto k(a_0 + bx)$ kann nicht injektiv sein. [$k$ ist unendlich, $\mathcal L$ aber endlich], also $k(a_0 + bx) = k(a_0 + by)$ für ein $x \neq y$ aus $k$. Mit $L = k(a_0 + bx)$ ist $L \in \mathcal L$ und $b(x-y) = a_0 + bx - (a_0 + by) \in L$, also $b \in L$ und damit $a_0 \in L$, d.h. $k(a_0) \subseteq L$. Also ist $k(a_0) = L$. Speziell ist $b \in k(a_0)$. \end{proof} \begin{corollary*}[Bestimmung des Minimalpolynoms] Es sei $k \subseteq K$ eine Galoiserweiterung, $[K : k] = n$, $G = \gal(K/k)$. Für das Minimalpolynom $f$ eines beliebigen $a \in K$ über $k$ gilt $f = \prod_{i=1}^s (X-a_i)$, wobei $\{a_1,\dots,a_s\} = \{\sigma(a) \colon \sigma \in G\}$ mit $a_i \neq a_j$ für $i \neq j$. Insbesondere zerfällt $f$ in $K[X]$ in paarweise verschiedene Linearfaktoren. \end{corollary*} \begin{proof} $G$ operiert auf $K$ durch $G \times K \to K, (\sigma,x) \mapsto \sigma(x)$. Aus $S(a) = \{\sigma \in G \colon \sigma(a) = a\} = \gal(K/k(a))$ folgt mit b.1) des Hauptsatzes: $[k(a):k] = [G : S(a)]$, d.h. $\deg(f) = |B(a)| = s$ wegen $B(a) = \{\sigma(a) \colon \sigma \in G\} = \{a_1,\dots,a_s\}$. Wegen $f \in k[X]$ ist $f(\sigma(a)) = \sigma(f(a))$ für jedes $\sigma \in G$. Mit $f(a) = 0$ folgt $f(a_i) = 0$ für alle $i$. Also ist $f = g \cdot \prod_{i=1}^s(X-a_i)$ in $K[X]$, worin $g = 1$ wegen $\deg(f) = s$ und $f$ normiert. \end{proof} \begin{example} $\mathbb Q \subseteq \mathbb Q (\sqrt p + \sqrt q)$ wie in Beispiel 3). Wir wissen $G = \gal(\mathbb Q(\sqrt p + \sqrt q)/\mathbb Q) = \{\id, \sigma_2, \sigma_3, \sigma_4\} \cong V$. $V$ hat die drei nichttrivialen Untergrupppen $H_i = \{\id,\sigma_i\}$ mit $i \in \{2,3,4\}$. Diese entsprechen den Zwischenkörpern $L_2 = \mathbb Q(\sqrt q)$, $L_3 = \mathbb Q(\sqrt p)$, $L_4 = \mathbb Q(\sqrt {pq})$. \[\xymatrix@=15pt{ & V \ar@{-}[ld]_2\ar@{-}[d]_2\ar@{-}[rd]^2 & & & & \mathbb Q \ar@{-}[ld]_2\ar@{-}[d]_2\ar@{-}[rd]^2 & \\ H_2 & H_3 & H_4 & \longleftrightarrow & L_2 & L_3 & L_4 \\ & \{\id\} \ar@{-}[lu]^2\ar@{-}[u]^2\ar@{-}[ru]_2 & & & & \mathbb Q(\sqrt p + \sqrt q) \ar@{-}[lu]^2\ar@{-}[u]^2\ar@{-}[ru]_2& \\ }\] Das Minimalpolynom von $a = \sqrt p + \sqrt q$: \vspace{0.5em} \begin{tabular}{ll} über $\mathbb Q$: & $(X-a)(X-\sigma_2(a))(X-\sigma_3(a))(X-\sigma_4(a)) = $ \\ & $= X^4 - 2(p+q)X^2 + (p-q)^2$ \\[0.5ex] über $L_2 = \mathbb Q(\sqrt q)$: & $(X-a)(X-\sigma_2(a)) = X^2 - 2 \sqrt q X + q - p$ \\[0.5ex] über $L_3 = \mathbb Q(\sqrt p)$: & $(X-a)(X-\sigma_3(a)) = X^2 - 2 \sqrt p X + p - q$ \\[0.5ex] über $L_4 = \mathbb Q(\sqrt {pq})$: & $(X-a)(X-\sigma_4(a)) = X^2 - p + q + 2 \sqrt{pq}$ \\[0.5ex] über $\mathbb Q(\sqrt p + \sqrt q)$: & $X - a = X - (\sqrt p + \sqrt q)$ \end{tabular} \end{example} \begin{corollary*}[Bestimmung des Fixkörpers] Sei $K/k$ eine Galoiserweiterung und sei $H$ eine Untergruppe von $\gal(K/k)$. Sei $K = k(a)$ und $\prod_{\sigma \in H} (X-\sigma(a)) = X^m + c_{m-1}X^{m-1} + \dots + c_0 \in K[X]$. Dann ist $\fix_K(H) = k(c_0,\dots,c_{m-1})$. \end{corollary*} \begin{proof} Aus $K = k(a)$ folgt $\sigma(a) \neq \tau(a)$ für $\sigma \neq \tau \in \gal(K/k)$. Weil $K$ über $L := \fix_K(H)$ galoissch ist mit $\gal(K/L) = H$ ist nach Korollar 2 $g := \prod_{\sigma \in H} (X-\sigma(a))$ das Minimalpolynom von $a$ über $L$. Insbesondere liegen die Koeffizienten $c_0,\dots,c_{m-1}$ von $g$ in $L$, also $L' := k(c_0,\dots,c_{m-1}) \subseteq L$. Andererseits ist $g \in L'[X]$ auch das Minimalpolynom von $a$ über $L'$ [da immer noch normiert, $a$ ist Nullstelle, irreduzibel]. Also $[K:L] = \deg g = [K:L'] \Rightarrow L' = L$. \end{proof} \subsection{Zerfällungskörper} \begin{definition} Sei $K/k$ eine Körpererweiterung und $f \in k[X]$ nichtkonstant. $K$ heißt {\em Zerfällungskörper} von $f$ über $k$, falls $f$ über $K$ in Linearfaktoren zerfällt und $f$ über keinem echten Zwischenkörper $k \subseteq L \subsetneq K$ in Linearfaktoren zerfällt. \end{definition} \begin{example} $\mathbb C$ ist ein Zerfällungskörper von $X^2 + 1$ über $\mathbb R$. \end{example} \begin{remark} Zu jedem nichtkonstanten $f \in k[X]$ existiert ein Zerfällungskörper von $f$ über $k$. \end{remark} \begin{proof} Wählt man nach dem Lemma von Kronecker (Abschnitt 2.5) eine Körpererweiterung $E/k$ mit $f = c (X-a_1)\cdots(X-a_n)$ mit $a_1,\dots,a_n \in E$ und $c \in k$, so leistet $K := k(a_1,\dots,a_n)$ das Gewünschte [denn ist $k \subseteq L \subseteq K$ und $a_1',\dots,a_n' \in L$ mit $f = c(X-a_1')\cdots(X-a_n')$, so ist $a_i \in \{a_1',\dots,a_n'\} \subseteq L$ für alle $i$. Also folgt $K = k(a_1,\dots,a_n) \subseteq L$, also $K = L$.] \end{proof} \begin{remark} $K$ Zerfällungskörper von $f$ über $k$, $n = \deg f \geq 1$. Dann gilt $[K:k] \mid n!$. \end{remark} \begin{proof} Durch Induktion nach $n$. $n=1$: Klar ($1 \mid 1!$). $n > 1$: Wir nehmen an, dass die Aussage für alle Polynome $g$ (über beliebigen Körpern) von Grad kleiner als $n$ gilt. Sei $\alpha$ eine Nullstelle von $f$ in $K \setminus k$ (o.B.d.A., da $1 \mid n!$ $\forall n$). Fall 1: $[k(\alpha) : k] = n$. Schreibe $f = (X-\alpha)g$ mit $g \in k(\alpha)[X]$. Also ist $K$ ein Zerfällungskörper von $g$ über $k(\alpha)$. Nach Induktionsvoraussetzung gilt $[K : k(\alpha)] \mid (n-1)!$, also $[K:k] = [K :k(\alpha)] \cdot [k(\alpha) : k] = [K : k(\alpha)] \cdot n \mid n!$. Fall 2: $[k(\alpha):k] < n$: Sei $g$ das Minimalpolynom von $\alpha$ über $k$. $1 \leq \deg g = [k(\alpha) : k] < n$. Sei $L$ der Zerfällungskörper von $g$ über $k$. Dann $[L:k] \mid (\deg g)!$ nach Induktionsvoraussetzung. Wegen $f(\alpha) = 0$ existiert $h \in k[X]$ mit $f = gh$. $K$ ist der Zerfällungskörper von $h$ über $L$. Mit $\deg h < n$ und der Induktionsvoraussetzung folgt nun $[K:L] \mid (\deg h)!$, also $[K:k] = [K:L]\cdot[L:k] \mid (\deg h)!(\deg g)! \mid n!$. Also $[K:k] \mid n!$. \end{proof} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \item $\mathbb C$ ist Zerfällungskörper von $X^2 + 1$ über $\mathbb R$. \item $f = X^3 - p$ ($p$ Primzahl) hat in $\mathbb C$ die 3 Nullstellen $\sqrt[3]{p} \in \mathbb R$, $\zeta\sqrt[3]{p}$, $\zeta^2 \sqrt[3]{p}$ mit $\zeta = e^{2\pi i/3} = \frac{-1 + \sqrt{-3}}{2}$. Damit ist der Zerfällungskörper von $f$ über $\mathbb Q$ gleich $\mathbb Q(\sqrt[3]{p}, \zeta\sqrt[3]{p}, \zeta^2\sqrt[3]{p}) = \mathbb Q(\sqrt[3]{p}, \zeta)$. Wegen $[\mathbb Q(\sqrt[3]{p} : \mathbb Q] = 3$ [$f$ ist irreduzibel wegen Eisenstein] und $[\mathbb Q(\zeta) : \mathbb Q] = 2$ [$X^2 + X + 1$ ist das Minimalpolynom] ist $[\mathbb Q(\sqrt[3]{p},\zeta) : \mathbb Q] = 2 \cdot 3 = 6$ [2, 3 sind teilerfremd]. \item Sei $K$ der Zerfällungskörper von $f = X^3 - 3X - 1$ über $\mathbb Q$. Dann ist $[K : \mathbb Q] = 3$ [Beweis: Übungsblatt 13]. \end{enumerate} \end{example} \begin{definition} Für einen Ringhomomorphismus $\varphi \colon R \to S$ und $g \in R[X]$, $g = \sum_{i=0}^n r_i X^i$, $r_i \in R$ definiere ${}^\varphi g := \sum_{i=0}^n \varphi(r_i)X^i$. Damit ist $R[X] \to S[X], g \mapsto {}^\varphi g$ ein Ringhomomorphismus (vgl. Reduktion mod $p$) und für Ringhomomorphismen $R \overset{\varphi}{\to} S \overset{\psi}\to T$, $g \in R[X]$ gilt ${}^\psi(^\varphi g) = {}^{(\psi \circ \varphi)}g$. \end{definition} \begin{remark} Insbesondere erhält man für eine Körpererweiterung $K /k$ eine Operation der Gruppe $\gal(K/k)$ auf $K[X]$ und die Fixpunkte dieser Operation sind gerade die Elemente von $k[X]$, sofern $K/k$ galoissch ist (vgl. Übungsblatt 11). \end{remark} \begin{lemma} Sei $\varphi \colon k \to k'$ ein Homomorphismus von Körpern und $K/k$ eine {\em endliche} Körpererweiterung. Dann gibt es eine endliche Körperweiterung $K'/k'$ und einen Körperhomomorphismus $\psi \colon K \to K'$mit $\psi(x) = \varphi(x)$ für alle $x \in k$, d.h. das folgende Diagramm kommutiert: \[\xymatrix{ k \ar[d]_\varphi\lhook\mkern-7mu \ar[r]& K \ar@{-->}[d]_\psi \\ k' \ar[r] & K' }\] \end{lemma} \begin{proof} Sei $K = k(a_1,\dots,a_n)$ und sei $f$ das Minimalpolynom von $a_1$ über $k$. Sei $\alpha \colon k[X] / (f) \to k(a_1), \overline {p} \mapsto p(a_1)$ der Isomorphismus aus Abschnitt 2.5 und sei $g$ ein irreduzibler teiler von ${}^\varphi\!f \in k'[X]$. Dann erhalten wir aus $k[X] \to k'[X]/(g), p \mapsto \overline{{}^\varphi p}$ einen Körperhomomorphismus $k[X]/(f) \to k'[X] / (g) =: E_1$, also mit \[\varphi_1 := \beta \circ \alpha^{-1} \colon k(a_1) \xrightarrow{\alpha^{-1}} k[X]/(f) \xrightarrow{\beta} k'[X]/(g) = E_1\] das kommutative Diagramm \[\xymatrix{ k \ar[d]_\varphi\lhook\mkern-7mu\ar[r] & k(a_1) \ar[d]_{\varphi_1} \\ k' \ar[r]& E_1 }\] Durch Iteration dieses Verfahrens erhalten wir schließlich \[\xymatrix{ k \ar[d]_{\varphi}\lhook\mkern-7mu\ar[r]& k(a_1)\ar[d]_{\varphi_1}\lhook\mkern-7mu\ar[r] & k(a_1,a_2)\ar[d]_{\varphi_2}\lhook\mkern-7mu\ar[r] & \ \dots\ \lhook\mkern-7mu\ar[r]& k(a_1,\dots,a_n) = K \ar[d]_{\psi := \varphi_n}\\ k' \ar[r]& E_1\ar[r] & E_2\ar[r] & \ \dots\ \ar[r] & E_n =: K' }\] was der Aussage zum obigen geforderten Diagramm entspricht. \end{proof} \begin{definition} Ein Körper $k$ heißt \emph{algebraisch abgeschlossen}, falls jedes nicht-konstante $f\in k[X]$ in Linearfaktoren zerfällt. \end{definition} \begin{example} $k=\mathbb C$ ist algebraisch abgeschlossen. \end{example} \begin{remark} Für einen algebraisch abgeschlossenen Körper $k$ gilt für jede algebraische Körpererweiterung $K/k$, dass $K=k$ ist, denn das Minimalpolynom von $a\in K$ über $k$ hat Grad 1, also $a\in k$. \end{remark} \setcounter{corollary*}{0} \begin{corollary*} Sei $\varphi\colon k\to k'$ ein Homomorphismus von Körpern, $k'$ algebraisch abgeschlossen und $K/k$ eine endliche Körpererweiterung. Dann gibt es einen Homomorphismus $\psi\colon K\to k'$ mit $\psi|_k = \varphi$. \end{corollary*} \begin{proof} Im Lemma ist $K' = k'$, also kommutiert \[ \xymatrix{ k \ar[d]_\varphi \lhook\mkern-7mu\ar[r]& K\ar[d]^\psi \\ k'\ar@{=}[r]& K' } \] d.h. $\psi|_k = \varphi$. \end{proof} \begin{remark} Mit $k' = \mathbb C$ folgt, dass jede endliche Körpererweiterung $k$ von $\mathbb Q$ isomorph zu einem Unterkörper von $\mathbb C$ ist. \end{remark} \begin{proof} Wähle $\varphi\colon\mathbb Q\hookrightarrow\mathbb C$ die Inklusion. Dann kommutiert \[ \xymatrix{ \mathbb Q \lhook\mkern-7mu\ar[r] \ar[d]_\varphi & K \ar[ld]^\psi \\ \mathbb C } \] Also ist $K\cong\psi(K)\subseteq\mathbb C$ eine Unterkörper. \end{proof} \begin{remark} Ohne ``algebraisch abgeschlossen'' stimmt Korollar 1 nicht. Zum Beispiel \[ \xymatrix{ \mathbb R \lhook\mkern-7mu\ar[r] \ar@{=}[d] & \mathbb C \ar@{-->}[ld]^{\neg\exists\psi} \\ \mathbb R } \] denn sonst wäre $0 = \psi(i^2 + 1) = \psi(i)^2 + 1 > 0$. \end{remark} \begin{corollary*} Sei $f\in k[X]$ nicht-konstant, $K$ ein Zerfällungskörper von $f$ über $k$ und $\varphi\colon k\xrightarrow{\sim}k'$ ein Körperisomorphismus und sei $K'$ ein Zerfällungskörper von ${}^\varphi f$ über $k'$. Dann gibt es einen Isomorphismus $\psi\colon K\xrightarrow{\sim}K'$ mit $\psi(x) = \varphi(x)$ für alle $x\in k$, d.h. \[ \xymatrix{ k\lhook\mkern-7mu\ar[r]\ar[d]_{\varphi}^{\sim} & K \ar[d]_{\sim}^\psi \\ k'\lhook\mkern-7mu\ar[r] & K' } \] \end{corollary*} \begin{proof} Nach dem Lemma existiert ein kommutatives Diagram \[ \xymatrix{ k\ar[d]_{\varphi}^\sim \lhook\mkern-7mu\ar[r] & K\ar[dd]^\psi \\ k'\ar[d] \\ K'\lhook\mkern-7mu\ar[r] & E\\ } \] mit einer endlichen Körpererweiterung $E/K'$. Es genügt zu zeigen, dass $\psi(K) = K'$. Schreibe $f = c\cdot(X-a_1)\dots(X-a_n)$ mit $c\in k$ und $a_1,\dots,a_n\in K$. Dann ist $K = k(a_1,\dots,a_n)$. Sei nun $b_i = \psi(a_i)\in E$ für $i=1,\dots,n$. Dann ist $\psi(K) = k'(b_1,\dots,b_n)$. Aus ${}^\varphi f={}^\psi f=\varphi(c)(X-b_1)\dots(X-b_n)$ folgt, dass alle $b_i$ Nullstellen von ${}^\varphi f$ sind, also $b_i\in K'$ für alle $i$, also $\psi(K) = k'(b_1,\dots,b_n)\subseteq K'$. Umgekehrt ist $k' = \varphi(k)\subseteq\psi(K)$ und, da ${}^\varphi f$ in Linearfaktoren über $\psi(K)$ zerfällt, $\psi(K)\supseteq K'$. \end{proof} \begin{remark} Speziell folgt mit $\varphi = \id$: Sind $K_1$ und $K_2$ Zerfällungskörper von $f$ über $k$, so sind $K_1$ und $K_2$ isomorph. \end{remark} \begin{theorem}[Beschreibung der endlichen Körper] Sei $p$ eine Primzahl, $n\geq 1$ und $K$ ein Zerfällungskörper von $f = X^{p^n} - X$ über $\mathbb Z/p\mathbb Z =:\mathbb F_p$. Dann gilt: \begin{enumerate}[1)] \item $K$ besitzt $p^n$ Elemente. \item Jeder Körper mit $p^n$ Elementen ist isomorph zu $K$. \item Ist $L$ ein Unterkörper von $K$, $|L| = p^m$, so ist $m\mid n$. \item Umgekehrt gibt es zu jedem Teiler $m$ von $n$ genau einen Unterkörper $L$ von $K$ mit $p^m$ Elementen, nämlich $L = \{x\in K\colon x^{p^m} = x\}$. \end{enumerate} \end{theorem} \begin{proof} Die Nullstellen von $f = X^{p^n} - X$ in $K$ bilden einen Körper, nämlich $\{x\in K\colon f(x) = 0\} = \fix_K(\langle F^n\rangle)$, wobei $F\colon K\to K, x\mapsto x^p$ der Frobeniushomomorphismus ist. Da $K$ Zerfällungskörper von $f$ über $\mathbb F_p$ ist, folgt $K = \{x\in K\colon f(x) = 0\} = \{a_1,\dots,a_d\}$ mit $f = c\cdot (X-a_1)\dots(X-a_d)$, $a_i\in K$, $d = p^n$. Die $a_i$ sind paarweise verschieden, denn wäre $f = (X-a)^2 g$, $g\in K[X]$, so wäre $-1 = p^n X^{p^n} -1 = f' = (X-a) h$ für ein $h\in K[X]$. Es folgt $|K| = d =p^n$. Sei $E$ ein Körper mit $p^n$ Elementen und sei $E_0$ sein Primkörper. Dann ist $E_0\cong\mathbb F_p$ und alle $y\in E$ sind Nullstellen von $f$, denn $E^\times$ ist zyklisch von Ordnung $p^n - 1$. Also ist $E$ ein Zerfällungskörper von $f$ über $E_0\cong\mathbb F_p$. Also folgt mit Korollar 2 $K\cong E$. Nach der Gradformel ist $m = [L :K_0]$ ein Teiler von $n = [K:K_0]$, d.h. $m\mid n$. \[ \xymatrix{ \langle F\rangle\ar@{-}[d]_m &&& K_0 \ar@{-}[d]^m \\ \langle F^m\rangle\ar@{-}[d]_{\frac{n}{m}} &\ar@{<->}[r]&& L\ar@{-}[d]^{\frac{n}{m}} \\ \{e\} &&& K } \] In Abschnitt 3.1 wurde gezeigt, dass $K/K_0$ galoissch ist mit $\gal(K/K_0) = \langle F\rangle\cong\mathbb Z/n\mathbb Z$. Da $\langle F\rangle\cong\mathbb Z/n\mathbb Z$ für $m\mid n$ genau eine Untergruppe von Index $m$ hat, nämlich $\langle F^m\rangle$, gibt es genau einen Zwischenkörper $K_0\subseteq L\subseteq K$ von Grad $m$ über $K_0$, nämlich $L =\fix_K(\langle F^m\rangle) = \{x\in K\colon x^{p^m} = x\}$. \end{proof} \setcounter{corollary*}{0} \begin{corollary*} Sei $K$ ein endlicher Körper der Charakteristik $p$ und sei $F\colon K\to K, x\mapsto x^p$ der Frobeniushomomorphismus. \begin{enumerate}[a)] \item Ist $L$ Unterkörper von $K$ mit $|L| = p^m$, so folgt, dass $K/L$ eine Galoiserweiterung ist mit $\gal(K/L) = \langle F^m\rangle$. \item Sind $L_1,L_2$ Unterkörper von $K$ mit $|L_i| = p^{m_i}$ für $i=1,2$, so gilt $L_1\subseteq L_2\Leftrightarrow m_1|m_2$. \end{enumerate} \end{corollary*} \begin{proof} $L=\fix_K(\langle F^m\rangle)$, also ist $K/L$ galoissch und $\gal(K/L) = \langle F^m\rangle$. In b) folgt ``$\Rightarrow$'' aus 3). Sei umgekehrt $m_1 \mid m_2$. Ist dann $x^{p^{m_1}} = x$, so auch $x^{p^{m_2}} = x$, d.h. mit 4) ist $L_1\subseteq L_2$. \end{proof} \begin{observation} Es sei $p$ eine Primzahl. Zu jedem $n \geq 1$ gibt es bis auf Isomorphie genau einen Körper mit $p^n$ Elementen. Dieser heißt {\em Galoisfeld} der Ordnung $p^n$ und wird mit $\mathbb F_{p^n}$ bezeichnet. Für Primzahlen $p, q$ und $n, m \geq 1$ gibt es genau dann einen Ringhomomorphismus $\mathbb F_{q^m} \to \mathbb F_{p^n}$, wenn $p = q$ und $m \mid n$ ist. In diesem Fall kann man $\mathbb F_{p^m}$ als Unterkörper von $\mathbb F_{p^n}$ auffassen. Damit ist $\mathbb F_{p^n}/\mathbb F_{p^m}$ galoissch mit $[\mathbb F_{p^n} : \mathbb F_{p^m}] = n/m$, $\gal(\mathbb F_{p^n}/\mathbb F_{p^m}) = \langle F^m \rangle$, wobei $F$ der Frobeniushomomorphismus auf $\mathbb F_{p^n}$. \end{observation} \begin{corollary*} Ist $k$ ein endlicher Körper, so gibt es zu jedem $l \geq 1$ ein irreduzibles $f \in k[X]$ mit $\deg f = l$. Speziell ist {\em kein} endlicher Körper algebraisch abgeschlossen. \end{corollary*} \begin{proof} Übung. \phantom{\qedhere} \end{proof} \begin{definition} Eine algebraische Körpererweiterung $k \subseteq K$ heißt {\em normal}, wenn für jedes $a \in K$ das Minimalpolynom $f \in k[X]$ von $a$ über $k$ in $K[X]$ in Linearfaktoren zerfällt. \end{definition} \begin{remark}\ \begin{enumerate}[a)] \item Jede Galoiserweiterung $K/k$ ist normal. \item Ist $k \subseteq K$ eine normale Körpererweiterung und $L$ ein Zwischenkörper, so ist auch $L \subseteq K$ normal. \end{enumerate} \end{remark} \begin{proof}\ \begin{enumerate}[a)] \item Es sei $a \in K$ und $f$ das Minimalpolynom von $a$ über $k$. Nach Korollar 2 zum Hauptsatz ist $f = \prod_{i=1}^s(X-a_i)$ mit $a_1,\dots,a_s$ paarweise verschieden, $\{a_1,\dots,a_s\} = \{\sigma(a) \colon \sigma \in \gal(K/k)\}$. \item Es sei $a \in K$. Für die Minimalpolynome $f$ und $g$ von $a$ über $k$ bzw. über $L$ gilt $g \mid f$ in $L[X]$. Aus $f = \prod_{i=1}^s(X-a_i)$ in $K[X]$ folgt $g = \prod_{i=1}^r(X-a_i)$ mit $r \leq s$. \qedhere \end{enumerate} \end{proof} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \item Jede Körpererweiterung $K/k$ vom Grad 2 ist normal. [Für jedes $a \in K \setminus k$ ist $k(a) = K$, also $\deg(f) = 2$ für das Minimalpolynom $f$ von $a$ über $k$, d.h. in $f = (X-a)h$ mit $h \in K[X]$ hat $h$ Grad 1.] \item $\mathbb Q \subseteq \mathbb Q(\sqrt[3]{p})$ ist nicht normal. [Das Minimalpolynom $X^3 - p$ von $\sqrt[3]{p}$ über $\mathbb Q$ hat $\sqrt[3]{p}$ als einzige reelle Nullstelle, zerfällt nicht in $\mathbb Q(\sqrt[3]{p})$.] \item $\mathbb Q \subseteq \mathbb Q(\sqrt p)$ und $\mathbb Q(\sqrt p) \subseteq \mathbb Q(\sqrt[4]{p})$ sind beide normal [Grad 2], aber $\mathbb Q \subseteq \mathbb Q(\sqrt[4]{p})$ ist nicht normal. [Das Minimalpolynom von $a = \sqrt[4]{p}$ über $\mathbb Q$ ist $X^4 - p = X^4 - a^4 = (X^2 - a^2)(X^2 + a^2) = (X + a)(X-a)(X^2 + a^2)$, aber $X^2 + a^2 = X^2 + \sqrt p$ hat keine reellen Nullstellen, ist also in $\mathbb Q(\sqrt[4]{p})$ irreduzibel.] \end{enumerate} \end{example} \begin{lemma} Es sei $k \subseteq K$ eine Körpererweiterung. Für jedes $f \in k[X] \setminus k$ ist $K$ genau dann ein Zerfällungskörper von $f$ über $k$, wenn es $b_1,\dots,b_m \in K$ gibt, sodass $f = c \cdot \prod_{j=1}^m(X-b_j)$ für ein $c \in k^\times$ und $K = k(b_1,\dots,b_m)$. \end{lemma} \begin{proof} Übung. \phantom{\qedhere} \end{proof} \begin{implication*} Ist $K$ ein Zerfällungskörper von $f \in k[X]$ über $k$, so ist $K$ auch ein Zerfällungskörper von $f$ über jedem Zwischenkörper $L$ von $k \subseteq K$. [Im Lemma kann man $k$ durch $L$ ersetzen.] \end{implication*} \begin{implication*} Es sei $k \subseteq K$ eine Körpererweiterung, $K = k(a_1,\dots,a_n)$, $f \in k[X]$. Zerfällt $f$ in $K[X]$ und sind $a_1,\dots,a_n$ Nullstellen von $f$, so ist $K$ ein Zerfällungskörper von $f$ über $k$. [Mit $b_1,\dots,b_m$ wie im Lemma ist $\{a_1,\dots,a_n\} \subseteq \{b_1,\dots,b_m\}$, also $K = k(b_1,\dots,b_n)$.] \end{implication*} \begin{theorem} Eine Körpererweiterung $k \subseteq K$ ist genau dann endlich und normal, wenn $K$ ein Zerfällungskörper eines $f \in K[X] \setminus k$ ist. \end{theorem} \begin{proof} $\Rightarrow$ Da $K/k$ endlich ist, ist $K = k(a_1,\dots,a_n)$ mit $a_1,\dots,a_n$ algebraisch über $k$. Da $K/k$ normal ist, zerfällt das Minimalpolynom $f_i \in k[X]$ von $a_i$ in $K[X]$ für $1 \leq i \leq n$, also zerfällt auch $f = \prod_{i=1}^s f_i$ in $K[X]$. Nach Folgerung 2 ist $K$ ein Zerfällungskörper von $f$ über $k$. $\Leftarrow$ Es sei $g \in k[X]$ das Minimalpolynom eines beliebigen $a \in K$, und $E$ der Zerfällungskörper von $g$ über $K$ (!). Für jedes $b \in E$ mit $g(b) = 0$ ist $g$ auch das Minimalpolynom von $b$ über $k$. Man hat also bijektive Ringhomomorphismen $\varphi \colon k(a) \underset{\cong}{\to} k[X]/(g) \underset{\cong}{\to}k(b)$, $a \mapsfrom \overline X \mapsto b$. Nach Folgerung 1 ist $K$ ein Zerfällungskörper von $f$ über $k(a)$ und $K(b)$ ein Zerfällungskörper von $f$ über $k(b)$. Man hat also das kommutative Diagramm \[\xymatrix{ k \ar@{=}[d]\ar[r]\lhook\mkern-7mu & k(a) \ar@{-->}[d]_\varphi^\cong\ar[r]\lhook\mkern-7mu & K \ar@{-->}[d]_\psi^\cong \\ k \ar[r]\lhook\mkern-7mu & k(b) \ar[r]\lhook\mkern-7mu & K(b) }\] und weiß dann $[K:k] = [K(b):k]$, weshalb "`$=$"' in $K \subseteq K(b)$, d.h. $b \in K$. \end{proof} \begin{corollary*} Zu jeder endlichen Körpererweiterung $k \subseteq K$ gibt es eine Körpererweiterung $K \subseteq E$, sodass $k \subseteq E$ endlich und normal ist. \end{corollary*} \begin{proof} Es sei $K = k(a_1,\dots,a_n)$ und $f_i$ das Minimalpolynom von $a_i$ über $k$. ($1 \leq i \leq n$), sowie $f = \prod_{i=1}^n f_i$. Jeder Zerfällungskörper $E$ von $f$ über $K$ (!) ist wie verlangt, denn: Nach Lemma ist $E = K(b_1,\dots,b_m)$ mit $f = \prod_{j=1}^m (X-b_j)$ in $E[X]$. Wegen $\{a_1,\dots,a_n\} \subseteq \{b_1,\dots,b_m\}$ ist sogar $E = k(b_1,\dots,b_m)$, d.h. nach Lemma: $E$ ist ein Zerfällungskörper von $f$ über $k$ (!), also $E/k$ endlich, normal (Satz). \end{proof} \begin{corollary*} Ist $K/k$ endlich (und normal), so haben $a,b \in K$ (genau) dann dasselbe Minimalpolynom, wenn $\sigma(a) = b$ ist für ein $\sigma \in \gal(K/k)$. \end{corollary*} \begin{proof}\ \begin{description} \item["`dann"'] Für das Minimalpolynom $g$ von $a$ über $k$ ist $g(b) = g(\sigma(a)) = {}^{\sigma\!} g (\sigma(a)) = \sigma(g(a)) = \sigma(0) = 0$, also $g$ auch das Minimalpolynom von $b$ über $k$. \item["`genau dann"'] Ist $g \in k[X]$ das Minimalpolynom von $a$ und $b$, so hat man $\varphi \colon k(a) \underset{\cong}{\to} k[X]/(g) \underset{\cong}{\to} k(b), a \mapsfrom \overline X \mapsto b$, speziell $\varphi(a) = b$. Nach Satz 1 ist $K$ ein Zerfällungskörper über $k$ eines $f \in k[X] \setminus k$. Nach Folgerung 1 ist $K$ dies auch über $k(a)$ und $k(b)$. Man hat also ein kommutatives Diagramm \[\xymatrix{ k \ar[r]\lhook\mkern-7mu \ar@{=}[d] & k(a) \ar[r]\lhook\mkern-7mu \ar[d]_\varphi^\cong & K \ar@{-->}[d]_\sigma^\cong \\ k \ar[r]\lhook\mkern-7mu & k(b) \ar[r]\lhook\mkern-7mu & K }\] worin $\sigma \in \gal(K/k)$ und $\sigma(a) = \varphi(a) = b$. \end{description} \end{proof} \begin{definition} Es sei $k \subseteq K$ eine Körpererweiterung, $f \in k[X]$, $n \geq 1$. Man nennt $a \in K$ eine {\em $n$-fache Nullstelle} von $f$ in $K$, wenn $(X-a)^n \mid f$ und $(X-a)^{n+1} \nmid f$ in $K[X]$. Ist dies für irgendein $n \geq 2$ der Fall, so heißt $a$ {\em mehrfache Nullstelle} von $f$ in $K$. \end{definition} \begin{lemma} Es sei $k \subseteq K$ eine Körpererweiterung, $f \in k[X] \setminus k$. Genau dann hat $f$ in $K$ eine mehrfache Nullstelle, wenn $f$ und $f'$ (formale Ableitung) in $K$ eine gemeinsame Nullstelle haben. \end{lemma} \begin{proof} Übung. \phantom{\qedhere} \end{proof} \begin{theorem} Für jedes $f \in k[X] \setminus k$ sind äquivalent \begin{enumerate}[i)] \item $f$ hat in keiner Erweiterung $K/k$ eine mehrfache Nullstelle. \item Es gibt eine Erweiterung $K/k$, sodass $f = c \cdot \prod_{i=1}^m (X-b_i)$ mit $c \in k^\times$, $b_1,\dots,b_m \in K$ paarweise verschieden. \item $f$ und $f'$ sind teilerfremd in $k[X]$. \end{enumerate} Aus i), ii) oder iii) folgt \begin{enumerate}[i)] \setcounter{enumi}{3} \item $f' \neq 0$ \end{enumerate} Ist $f$ irreduzibel, so ist iv) äquivalent zu i), ii) und iii). \end{theorem} \begin{proof} \begin{description} \item[i $\Rightarrow$ ii] Nehme für $K$ einen Zerfällungskörper von $f$. \item[ii $\Rightarrow$ iii] Mit $f_j = c \cdot \prod_{i \neq j} (X - b_i)$ für $1 \leq j \leq m$ ist $f = (X - b_j)f_j$, also $f' = f_j + (X - b_j)f_j'$, also $f'(b_j) = f_j(b_j) \neq 0$. Nun sei $g$ ein gemeinsamer von $f, f'$ in $k[X]$. Klar: $g \neq 0$. Wäre $g \not\in k^\times$, also $g \in k[X] \setminus k$, so hätte $g$ eine Nullstelle $a$ in einer Erweiterung $K_1 / k$, wofür $f(a) = 0$, d.h. $a = b_j$ für ein $j$, und $f'(a) = 0$, aber $f'(a) = f'(b_j) \neq 0$, unmöglich. Also muss $g \in k^\times$ sein. \item[iii $\Rightarrow$ iv] Da $k[X]$ ein Hauptidealring ist, hat man $1 = fh + f'h_1$ in $k[X]$, woraus folgt $f' \neq 0$ [$f' = 0 \Rightarrow f \in k^\times$]. \item[iii $\Rightarrow$ i] Wie oben hat man $1 = fh + f'h_1$ in $k[X]$. Gäbe es $K \supseteq k$, $a \in K$ mit $f(a) = 0 = f'(0)$, so folgt $1 = 0$, was unmöglich ist. \item[iv $\Rightarrow$ iii] für $f$ irreduzibel: Es sei $g$ ein gemeinsamer Teiler von $f,f'$ in $k[X]$. Klar(wie oben): $g \neq 0$. Wegen $\deg(g) \leq \deg(f') < \deg(f)$ ist $g \not\sim f$, also $g \in k^\times$.\qedhere \end{description} \end{proof} \begin{definition} Ein Polynom $f \in k[X] \setminus k$ heißt {\em separabel}, wenn für jeden irreduziblen Teiler $g$ von $f$ gilt: $g$ hat in keiner Erweiterung $K \supseteq k$ eine mehrfache Nullstelle. \end{definition} \begin{example}\ \begin{enumerate}[1)] \item $f = (X - r)^n$ ist seperabel ($r \in k$, $n \geq 1$). \item $f = X^{p^n} - X \in \mathbb F_p[X]$ ist sperabel ($n \geq 1$), denn: $f' = -1$, also $f,f'$ teilerfremd. \end{enumerate} \end{example} \setcounter{corollary*}{0} \begin{corollary*} Ein irreduzibles Polynom $f \in k[X]$ ist genau dann separabel, wenn $f' \neq 0$ ist. \end{corollary*} \begin{corollary*} Ist a) $k$ algebraisch abgeschlossen oder b) $\ch(k) = 0$, so ist jedes $f \in k[X] \setminus k$ separabel. \end{corollary*} \begin{proof} O.B.d.A. ist $f$ irreduzibel. a) $\deg(f) = 1$. b) $f = \sum_{i=0}^n r_i X^i$ mit $r_i \in k$, $n \geq 1$, $r_n \neq 0$ $\Longrightarrow$ $f' = nr_nX^{n-1} + \dots$ mit $nr_n \neq 0$. \end{proof} \begin{remark}\ \begin{enumerate}[a)] \item Genau dann sind $f_1,\dots,f_m \in k[X] \setminus k$ alle separabel, wenn $f = f_1 \cdots f_m \in k[X]$ separabel ist. \item Ist $f \in k[X] \setminus k$ separabel und $K \supseteq k$ eine Erweiterung, so ist $f$ auch in $K[X]$ separabel. \end{enumerate} \end{remark} \begin{proof}\ \begin{enumerate}[a)] \item Die irreduziblen Teiler von $f$ sind genau die irreduziblen Teiler der $f_1,\dots,f_m$. \item Schreibe $f = f_1 \cdots f_m$ mit $f_1,\dots,f_m$ irreduzibel. Ist $g \in K[X]$ irreduzibel und $g \mid f$ in $K[X]$, d.h. $f \mid f_i$ in $K[X]$ für ein $i$, so kann $g$ in keiner Erweiterung $E \supseteq K$ eine mehrfache Nullstelle haben, denn sonst hätte $f_i$ eine solche in $E \supseteq k$, was unmöglich ist.\qedhere \end{enumerate} \end{proof} \begin{definition} Eine algebraische Körpererweiterung $k \subseteq K$ heißt {\em separabel}, wenn für jedes $a \in K$ das Minimalpolynom $f$ von $a$ über $k$ in $K[X]$ separabel ist (d.h. $f' \neq 0$). \end{definition} \begin{implication} Ist $k \subseteq K$ eine separable Körpererweiterung, und $L$ ein Zwischenkörper, so sind auch $k \subseteq L$ und $L \subseteq K$ separabel. \end{implication} \begin{proof} Übung. \phantom{\qedhere} \end{proof} \begin{theorem}[Zweite Charakterisierung von Galoiserweiterungen] Für jede Körpererweiterung $k \subseteq K$ sind äquivalent: \begin{enumerate}[i)] \item $K/k$ ist eine Galoiserweiterung \item $K/k$ ist endlich, normal und separabel. \item $K$ ist Zerfällungskörper eines separablen $f \in k[X]$. \end{enumerate} \end{theorem} \begin{proof} \begin{description} \item[i $\Rightarrow$ ii] Endlich und normal ist klar. Sei $f \in k[X]$ das Minimalpolynom eines $a \in K$. Nach Korollar 2 zum Hauptsatz ist $f = \prod_{i=1}^s (X - a_i)$ mit $a_1,\dots,a_s$ paarweise verschieden. Nach Satz ist $f$ separabel. \item[ii $\Rightarrow$ iii] Es sei $K = k(a_1,\dots,a_n)$ und $f_i$ das Minimalpolynom von $a_i$ über $k$. Nach Beweis des vorvorigen Satzes ist $K$ Zerfällungskörper von $f = f_1 \cdots f_n$ über $k$. Nach Voraussetzung sind $f_1,\dots,f_n$ alle separabel, also ist auch $f$ separabel gemäß Bemerkung a). \item[iii $\Rightarrow$ i] Induktion nach $m = |\{a \in K \setminus k \colon f(a) = 0\}|$. $m = 0$: $K = k$. $m > 0$: Nehme $a \in K \setminus k$ mit $f(a) = 0$, betrachte $L = k(a)$. Nach Induktion ist $K/L$ galoissch, denn: $K$ ist auch Zerfällungskörper von $f$ über $L$, und $f$ ist auch separabel in $L[X]$; ferner $|\{b \in K \setminus L \colon f(b) = 0 \}| < m$. Für "`$K/k$ galoissch"' ist nach der 1. Charakterisierung von Galoiserweiterungen zu zeigen: $\fix_K(G) = k$ für $G = \gal(K/k)$. DArin ist nur "`$\subseteq$"' zu zeigen. Es sei $g$ das Minimalpolynom von $a$ über $k$, $n = \deg(g)$. Ist $x \in \fix_K(G)$, so ist $x \in \fix_K(\gal(K/L)) = L$, denn $K/L$ galoissch, d.h. $x = \sum_{i=0}^{n-1}r_ia^i$ mit $r_i \in k$. Da $K/k$ normal ist, hat man $g = \prod_{j=1}^n (X - b_j)$ mit $b_1,\dots,b_n \in K$. Da $f$ separabel, $g \mid f$, $g$ irreduzibel, ist $|\{b_1,\dots,b_n\}| = n$. Betrachte $h = (r_0 - x) + \sum_{i=1}^{n-1} r_iX^i$. Es gilt $\deg(h) \leq n-1$. Behauptung: $h(b_j) = 0$ für alle $j$. Dann $h = 0$, speziell $x = r_0 \in k$. Noch zur Behauptung: Für jedes $j$ ist $g$ auch Minimalpolynom von $b_j$ über $k$, also $b_j = \sigma(a)$ für ein $\sigma \in G$ [$K/k$ normal], wofür $x = \sigma(x)$ [da $x \in \fix_K(G)$], also $x = \sum_{i=0}^{n-1}r_ib_j^i$, d.h. $0 = h(b_j)$.\qedhere \end{description} \end{proof} \setcounter{corollary*}{0} \begin{corollary*} Es sei $K/k$ galoissch und $L$ ein Zwischenkörper. Genau dann ist $L/k$ galoissch, wenn $L/k$ normal ist. [$L/k$ ist ohnehin endlich und separabel.] \end{corollary*} \begin{corollary*} Zu jeder endlichen und separablen Körpererweiterung $k \subseteq K$ gibt es eine Erweiterung $K \subseteq E$, sodass $k \subseteq E$ eine Galoiserweiterung ist. \end{corollary*} \begin{proof} Es sei $K = k(a_1,\dots,a_n)$ und $f_i$ das Minimalpolynom von $a_i$ über $k$ ($1 \leq i \leq n$). Nehme einen Zerfällungskörper von $f = f_1 \cdots f_n$ über $K$. Wegen $f(a_i) = 0$ für alle $i$ ist $E$ auch Zerfällungskörper von $f$ über $k$ [wie früher]. Da alle $f_i \in k[X]$ separabel sind, ist auch $f$ separabel. \end{proof} \begin{corollary*}[Satz vom primitiven Element] Zu jeder endlichen und separablen Körpererweiterung $k \subseteq K$ gibt es ein $a \in K$ mit $K = k(a)$. \end{corollary*} \begin{proof} Mit $E$ wie in Korollar 2 hat $E/k$ nur endlich viele Zwischenkörper, also auch $K/k$. Die Behauptung folgt wie für Korollar 1 des Hauptsatzes. \end{proof} \end{document}